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Wirtschaft: Globalisierung: Zehnter Weltinvestitionsbericht verspricht Rekordwert

In diesem Jahr könnten ausländische Direktinvestitionen zum ersten Mal die Grenze von einer Billion Dollar überschreiten. Zu dieser Prognose kommt der zehnte Weltinvestitions-Bericht der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (Unctad) in Genf.

In diesem Jahr könnten ausländische Direktinvestitionen zum ersten Mal die Grenze von einer Billion Dollar überschreiten. Zu dieser Prognose kommt der zehnte Weltinvestitions-Bericht der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (Unctad) in Genf. Die wachsende Globalisierung durch unternehmerische Kapitalverflechtungen hielt auch 1999 an. Der Zufluss von Direktinvestitionen erreichte einen neuen Rekordwert: Er stieg 1999 um 27 Prozent auf 865 (1998: 680) Milliarden Dollar.

Die Unctad (United Nations Conference on Trade and Development) wurde 1964 als Organ der Vollversammlung der Vereinten Nationen gegründet. Ihr Ziel ist es, Handel, Investitionen und Entwicklung der armen Länder zu verbessern. Im Vordergrund stehen technische Zusammenarbeit und politische Analysen. Das jährliche Budget der Organisation beträgt knapp 50 Milliarden Dollar. Das Sekretariat hat seinen Sitz in Genf.

Trotz der absoluten Rekordzahl von einer Billion Dollar, hat sich der Zuwachs der Direktinvestitionen nach Unctad-Berechnungen prozentual noch verlangsamt. 1998 erreichte der Anstieg noch 43,5 Prozent. Im Durchschnitt der Jahre 1996 bis 1999 lag er bei fast 32 Prozent. Trends treten indessen deutlicher hervor. Stärker denn je zuvor sind grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen (Mergers und Acquisitions) der Motor der Globalisierung. Mit 720 Milliarden Dollar oder 83 Prozent aller Direktinvestitionen bestimmen Fusionen die Musik in der Weltwirtschaft. Das stärkste Motiv der multinationalen Unternehmen für diese Form der Direktinvestition ist laut Unctad die Sorge, im globalen Wettbewerb zurückzufallen. Direktinvestitionen auf der grünen Wiese, also der Aufbau von neuen Produktionskapazitäten in fremden Ländern, hingegen fallen zurück.

Dabei konzentriert sich - auch stärker als bislang - die Dynamik der Weltwirtschaft auf die Industrieländer. Das zeigte sich 1999 wieder eindrucksvoll: Die Industrieländer absorbierten mit 636 Milliarden Dollar fast drei Viertel aller globalen zufließenden Direktinvestitionen von 865 Milliarden Dollar. Ihr Zuwachs blieb mit 32 Prozent ungebrochen und lag im Schnitt des globalen Trends der vergangenen vier Jahre. Das Schwergewicht liegt auf der transatlantischen Schiene: Die Vitalität gegenseitiger Kapitalverflechtungen zwischen den USA und der Europäischen Union (EU) ist ungebrochen. Unter den Empfängerländer waren die USA der begehrteste Standort weltweit: in die USWirtschaft flossen 275,5 Milliarden Dollar oder 43 Prozent aller den Industrieländern zuströmenden Direktinvestitionen von 636 Milliarden Dollar. In der Gunst der Investoren folgte an zweiter Stelle Großbritannien mit 82,2 Milliarden Dollar (13 Prozent). Unter den Empfängern rangiert Deutschland - noch nach Schweden, Frankreich und den Niederlanden - an sechster Stelle mit 26,8 Milliarden Dollar (vier Prozent).

Beim globalen Kapitalexport von 800 Milliarden Dollar - eine Differenz zu den 865 Milliarden Dollar zufließenden Direktinvestitionen wird von der Unctad nicht aufgeklärt - ist die Konzentration auf die Industrieländer mit 732 Milliarden Dollar oder 92 Prozent sogar noch stärker. Erstmals hängte Großbritannien mit 199 Milliarden Dollar die USA (119 Milliarden Dollar ) als weltgrößter Direktinvestor ab. Deutschland steht beim Export, anders als beim Import, mit 51 Milliarden Dollar an vierter Stelle. Das "Importdefizit" ist jedoch bei Großbritannien oder auch Frankreich wesentlich größer. Schrittmacher im weltweiten Kapitalexport waren die multinationalen Unternehmen der EU, die 510 Milliarden Dollar oder fast zwei Drittel (von 800 Milliarden Dollar) im Ausland investierten.

Die Entwicklungsländer verlieren an Boden. Sie konnten zwar den Zustrom an Direktinvestitionen um 16,2 Prozent auf 208 (179) Milliarden Dollar steigern und nach der Stagnation 1998 an ihren alten Wachstumstrend wieder anknüpfen. Relativ fallen sie aber immer stärker zurück: von 38 Prozent (1997) auf inzwischen 24 Prozent (1999). Ausländische Direktinvestitionen sind inzwischen die größte externe Finanzierungsquelle der Entwicklungsländer. Da aber auch hier M&A überwiegen, entstehen in diesem Ausmaß keine neuen Fertigungskapazitäten und damit Arbeitsplätze.

Angesichts der M&A-Dynamik und des Trends zur "Entstehung eines globalen Unternehmensmarktes unvorhersehbaren Ausmaßes und weltweiter Oligopole" fordert Unctad-Generalsekretär Rubens Ricupero eine global angelegte Wettbewerbspolitik. Viele Entwicklungsstaaten verfolgen nach Angaben der Unctad mit Besorgnis die Übernahme ganzer Industriezweige durch ausländische Firmen. Die Unctad empfiehlt eine sorgfältige Analyse der entwicklungspolitischen Folgen.

Dp

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