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Wirtschaft: Goodwill: Nur Gewinnsteigerungen auf dem Papier

Wenn künftig amerikanische und einige deutsche Unternehmen auf einmal überraschend hohe Gewinnsprünge ausweisen, dann sollte sich der Anleger erst einmal zurücklehnen. Und vor einem Aktienkauf prüfen, ob nicht der so genannte Goodwill im Spiel ist.

Wenn künftig amerikanische und einige deutsche Unternehmen auf einmal überraschend hohe Gewinnsprünge ausweisen, dann sollte sich der Anleger erst einmal zurücklehnen. Und vor einem Aktienkauf prüfen, ob nicht der so genannte Goodwill im Spiel ist. Denn dann wäre der höhere Ertrag nur reine Bilanzkosmetik. In anderen Worten: eine Gewinnvermehrung auf dem Papier - und für den Kurswert irrelevant. Obwohl solcherlei Zahlenverschönerungen theoretisch zu keinen Kursveränderungen führen dürften, rechnen einige Experten trotzdem mit steigenden Kursen.

Bei Goodwill geht es keinesfalls um Kleckerbeträge. Als die britische Mobilfunkgesellschaft Vodafone im vergangenen Jahr die Düsseldorfer Mannesmann-AG übernahm, da zahlte der Konzerne 150 Milliarden Euro an Goodwill - das sind etwa 85 Prozent des Kaufpreises. Der Grund: Vodafone erwartete hohe Erträge im Mobilfunksektor. Die Deutsche Telekom AG weist in der letzten Bilanz einen Goodwill von 19,3 Milliarden Euro aus. Das sind etwa 45 Prozent des Eigenkapitals. Müsste die Telekom diesen Wert nicht mehr abschreiben, stiege der Gewinn um immerhin 21 Prozent.

Der Hintergrund für die Bilanzveränderungen: Am 1. Juli hat sich eine amerikanische Bilanzierungsregel verändert. Künftig dürfen Unternehmen, die ihren Jahresabschluss nach den Bilanzierungsregeln US-GAAP aufstellen, den so genannten Goodwill nicht mehr abschreiben. Der Goodwill ist von Relevanz bei Firmenübernahmen und hat mit der Erfassung des akquirierten Unternehmens in der Bilanz zu tun. Genauer: Goodwill erfasst den Unterschied zwischen dem Kaufpreis, den ein Konzern für ein übernommenes Unternehmen zahlt, und dem eigentlichen Substanzwert oder Buchwert des akquirierten Unternehmens. Häufig liegt der Kaufwert beträchtlich über dem Substanzwert eines Unternehmens. Bislang konnten Unternehmen nach US-GAAP die beträchtlichen Summen über mehrere Jahre abschreiben. Da dies nun nicht mehr möglich ist, verringert sich der Aufwand eines Unternehmens und erhöht sich in Folge - als Einmaleffekt - der Unternehmensgewinn. Die UBS Warburg schätzt, dass sich die Quartalsergebnisse der Konzerne um sieben Prozent verbessern dürften.

In erster Linie werden von der Veränderung der Bilanzierungsvorschriften US-GAAP amerikanische Unternehmen betroffen sein. Doch auch eine Reihe deutscher Unternehmen richten sich nach den Bilanzregeln, unter anderem, weil sie dazu verpflichtet sind, sobald sie an amerikanischer Börse notiert sind. "Ein Drittel der 30 Dax-Werte bilanzieren nach US-GAAP", sagt Bernhard Pellens, Professor für Internationale Unternehmensrechnung an der Ruhr-Universität Bochum. Er verweist weiterhin auf Neue Markt-Unternehmen, von denen rund die Hälfe nach US-GAAP ihre Jahresabschlüsse macht. Die Erklärung: Zugangsvoraussetzung zum Wachstumssegment sei die Bilanzierung nach den US-Standards, also IAS oder US-GAAP.

Da dies reine Optik ist, dürfte sich eigentlich am Kurs der Aktien nichts ändern. Dennoch rechnen einige Experten - darunter Pellens - aber mit steigenden Kursen bei jenen Unternehmen, bei denen der Wegfall der Goodwill-Abschreibungen zu Gewinnsprüngen führt. Der Grund: Analysten und Anleger würden sich nach den Gewinnzahlen richten und sich nicht immer der Abschreibungsveränderungen bewusst sein. Der Meinung ist allderdings nicht jeder. Jeder Analist richte sich nach Gewinnzahlen vor Goodwillabschreibungen, so dass es zu "null Veränderungen bei den Kursen" kommt, sagt Oliver Günter, Analist bei der Berliner Bankgesellschaft.

Der Fortfall der planmäßigen Goodwill-Abschreibung führt natürlich nicht überall zu steigenden Gewinnen. Im Gegenteil: Einige Unternehmen werden gezwungen sein, ihren Goodwill außerplanmäßig komplett abzuschreiben, wenn der Unternehmenswert sinkt. Damit fällt ihr Gewinn. Denn manch ein Unternehmen hat die Gewinnaussichten des übernommenen Unternehmens überschätzt und zuviel gezahlt - das ist gerade am Neuen Markt der Fall.

Noch sind die Folgen des Wegfalls der planmäßigen Goodwill-Abschreibungen noch nicht absehbar. Klar ist in jedem Fall, dass es künftig noch schwieriger sein wird, die Zahlen von Unternehmen zu interpretieren. Dem Kleinanleger sei auf jeden Fall geraten, so Günter von der BGB, sich die Gewinnzahlen vor Abschreibungen anzugucken.

kwi

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