zum Hauptinhalt
Schwierige Mission. Der Deutsche Horst Reichenbach ist seit September Chef der EU-Task-Force für Griechenland.

© AP

Griechenland: Ein Retter, der Optimist bleiben will

Der Chef der EU-Task-Force für Griechenland, der Deutsche Horst Reichenbach, glaubt an einen "New Deal" nach den Neuwahlen am 17. Juni.

Vom Innenhof dringt Vogelgezwitscher in den voll besetzten Raum unter dem Dach des Hauses der „Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa“ in Berlin-Mitte. Horst Reichenbach spricht ruhig und sachlich über Griechenlands wirtschaftliche Probleme, und später, als aus dem überwiegend jungen Publikum die Fragen kommen, wird er sein Kinn nachdenklich auf die rechte Faust stützen. Eigentlich ist die Szenerie idyllisch an diesem Mittwochabend. Wäre da nicht der Polizeiwagen vor der Tür.

Mitte des Monats ist Reichenbachs Wohnhaus im Potsdamer Ortsteil Groß Glienicke mit Farbe beworfen worden. Der Wagen seiner Frau, der SPD-Europaabgeordneten Dagmar Roth-Behrendt, ging in Flammen auf. Der Anschlag hat offenbar etwas damit zu tun, dass Reichenbach seit September die inzwischen 50-köpfige Task-Force der EU-Kommission für Griechenland leitet. Die Task-Force hat die Aufgabe, dem Sorgenkind der EU wieder auf die Beine zu helfen. Aber das hat Reichenbach nicht davor bewahrt, dass er anfangs in Griechenland als „Gauleiter“ beschimpft wurde. Bei seinem ersten Besuch in Athen, erzählt der 67-Jährige, kam er ohne Bodyguards. Bei seiner zweiten Visite waren die Personenschützer schon dabei. „Ich habe persönlich keine verbalen oder physischen Aggressionen erleiden müssen“, sagt Reichenbach, „ich hoffe, dass das so bleibt“.

Es sind neun Monate im Einsatz für Hellas, die dem 67-Jährigen vorkommen wie neun Jahre, wie Reichenbach in einem viel sagenden Versprecher preisgibt. Als der frühere Vizechef der Osteuropabank seine Arbeit an der Spitze der Task-Force aufnahm, hieß der Premierminister in Athen noch Giorgos Papandreou. Dann kam Lukas Papademos. Inzwischen heißt der Regierungschef schon wieder anders – Panagiotis Pikrammenos.

Reichenbach ist kein Politiker, und deshalb kleidet der gebürtige Kieler seine Enttäuschung über die immer wieder verschleppten Reformen in dem Krisenland mit norddeutschem Understatement in Formulierungen wie: „Die konkrete Umsetzung ist nicht wirklich vorangekommen.“ Dabei zeigt er sehr wohl auch Verständnis für die Wut vieler Griechen darüber, dass die Steuerschraube nur bei den abhängig Beschäftigten ansetzt, nicht aber bei den großen Vermögen. Trotzdem will er optimistisch bleiben. Wenn eine neue Regierung nach der Neuwahl im Juni rasch eine Steuerreform anpacken würde, dann wäre das doch ein Ausdruck des Reformwillens. Aber Reichenbach sagt auch, dass der Ausgang des politischen und wirtschaftlichen Dramas in Griechenland „ungewiss“ bleibe – „selbst bei optimistischer Betrachtung“.

Reichenbach hält nicht allzu viel von einem groß angelegten Marshall-Plan, wie ihn unter anderem der Vorsitzende der griechischen Linksradikalen, Alexis Tsipras, für sein Land und andere südeuropäische Staaten verlangt. Es sei "Teil des griechischen Wunderglaubens", dass sich mit weiteren Hilfszahlungen im großen Stil die Misere Hellas' schlagartig beheben lasse, erklärt Reichenbach. "Ein neuer Marshall-Plan würde die Situation nicht fundamental ändern", zeigt er sich überzeugt. Zu einer Einschätzung der Programme der griechischen Parteien, die bei der Neuwahl am 17. Juni antreten, will sich der Deutsche nicht hinreißen lassen - schließlich weiß er genau, dass derartige Stellungnahmen in Athen als unzulässige Einmischung in den Wahlkampf wahrgenommen würden. Aber eine Botschaft hat Reichenbach dann doch für die Griechen: Egal wie die Wahl ausgeht, werde es anschließend zu einem "New Deal" nach dem Motto kommen müssen: Die Griechen verpflichten sich zu weiteren Strukturreformen, im Gegenzug gibt es weitere Hilfszahlungen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false