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Eskalation. Demonstranten lieferten sich am Donnerstag vor dem Finanzministerium in Athen ein Scharmützel mit der Polizei.

© AFP

Update

Griechenland: Höheres Defizit verschärft Proteste

Die EU-Statistikbehörde korrigiert das öffentliche Defizit Griechenlands auf 13,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nach oben. Unterdessen häufen sich die Proteste im Land.

John und Amy Dash aus Louisville im US-Staat Indianapolis hatten anfangs Glück mit ihrer Griechenlandreise: die Aschewolke über Europa hatte sich verzogen, und als ihr Flugzeug am Mittwoch den Athener Flughafen ansteuerte, streikten erstaunlicherweise weder die Fluglotsen noch die Taxifahrer. Doch vor ihrer gebuchten Bleibe, dem Hotel Grande Bretagne am Syntagmaplatz, stehen sie vor verschlossenen Türen: Mitglieder des kommunistischen Gewerkschaftsbundes „Pame“ haben das Hotel abgeriegelt. Sie protestieren gegen die Sparpolitik der sozialistischen Regierung. „Erhebt euch!“, steht auf einem Plakat. Die Dashs aber würden nach ihrer langen Reise lieber das Gegenteil tun. Ein Taxifahrer bringt sie zu einem anderen, nicht belagerten Hotel am Rand des Zentrums. „Vielleicht wären wir doch besser nach Istanbul gefahren“, sagt die Amerikanerin.

Griechenland kämpft gegen den Absturz in den Staatsbankrott und muss wahrscheinlich schon in den nächsten Wochen Hilfskredite der EU und des Internationalen Währungsfonds anfordern, die Konjunktur droht abzustürzen. Aleka Papariga, die Generalsekretärin der orthodoxen Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), ruft zum Aufstand auf. Selbst gesetzwidrige Streiks werde man jetzt ausrufen und Gerichtsurteile ignorieren, kündigte die Politikerin im Fernsehen an. Die einzige Branche, die Griechenlands lahme Wirtschaft relativ schnell wieder beleben könnte, ist der Tourismus. Doch ausgerechnet hier setzen die kommunistischen Gewerkschafter jetzt an: Am Mittwoch und Donnerstag blockierten sie den Hafen von Piräus. Kein Schiff durfte auslaufen. Tausende Touristen konnten nicht zu den Inseln übersetzen. Ohnehin befindet sich der griechische Tourismus in einer Flaute. Die Buchungen liegen nochmals um rund zehn Prozent unter dem ohnehin schon schwachen Vorjahr.

Die Fernsehbilder von den Protesten in Athen schrecken viele Urlauber ab. Die meisten dieser Ausstände gelten Interessen bestimmter Berufsgruppen. So wehren sich die Taxiunternehmer dagegen, dass sie künftig nach ihrem tatsächlichen Einkommen besteuert werden sollen. Sie verdienen im Schnitt 5000 Euro im Monat, zahlen aber nur eine Steuerpauschale von 1200 Euro – im Jahr. Um ihre Privilegien kämpfen auch die Staatsbediensteten, die am Donnerstag streikten und vor das Athener Parlament zogen: Nachdem die Regierung ihnen bereits das 14. Monatsgehalt gekürzt hat, fürchten Beamten jetzt, dass sie bis 65 arbeiten müssen. Bisher gingen viele bereits mit Mitte 50 in Pension.

Derweil gerät das Land immer tiefer in den Schuldenstrudel. Das Haushaltsdefizit des Jahres 2009 betrug nicht 12,7 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt sondern 13,6 Prozent, meldete die EU-Statistikbehörde Eurostat am Donnerstag. Doch der drohende Staatsbankrott scheint zumindest die KP-Chefin Papariga nicht zu schrecken. Im Gegenteil, sie sieht darin die Chance, das „kapitalistische System zu stürzen“. Was denn werden solle, wenn der Staat schon im Mai den „Werktätigen“ keine Gehälter und Renten mehr bezahlen könne, wurde Papariga gefragt. Dann müssten sich die Staatsbediensteten und Rentner ihre Geld eben „bei den Plutokraten“ holen, antwortete die.

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