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Griechenland und die Folgen: Die Angst vor den Prozenten

Erst die Finanzkrise, nun gerät der Euro in Turbulenzen. Viele fürchten, dass eine höhere Inflation die Folge sein könnte.

Berlin - Klaus Mann war amüsiert. „Amerikanische Touristen kaufen Barockmöbel für ein Butterbrot, ein echter Dürer ist für zwei Flaschen Whiskey zu haben“, schreibt der Schriftsteller über das Krisenjahr 1923. Eine „atembeklemmende Lustbarkeit“ war die Hyperinflation für ihn, „der größte Ulk der sogenannten Weltgeschichte“. Jedoch mit einem Haken: „Der kleine Mann zahlt die Rechnung.“ Nur wenige konnten sich über die Geldentwertung so mokieren wie Mann. Schuld war der Erste Weltkrieg, dessen Milliardenkosten das Kaiserreich durch die Ausgabe neuer Banknoten finanziert hatte. Millionen Bürger verloren ihr Erspartes, die Epoche begründete ein nationales Trauma.

Spätestens, seit Griechenland um Geld bettelt, sind die Erinnerungen wieder lebendig. Was, wenn Deutschland und Europa die Kreditlast eines Tages nicht mehr schultern können? Wenn nicht nur Athen, sondern auch Lissabon, Dublin, Rom oder Madrid gerettet werden müssen? Und wäre es nicht für die Politik eine elegante Lösung, das Problem durch ein wenig Inflation aus der Welt zu schaffen?

Die Antwort vieler Ökonomen lautet: Im Prinzip ja. Zwar macht sich für 2010 und 2011 kaum ein Fachmann Sorgen – um maximal ein Prozent werden die Verbraucherpreise jeweils zunehmen, schreiben führende Forscher im Frühjahrsgutachten. Mittelfristig sieht es anders aus. „Ab 2012 kann die Inflation zum Problem werden“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank. „Die Gefahr kann man nicht bestreiten“, warnt auch US-Ökonom Michael Burda, der an der Berliner Humboldt-Universität lehrt.

Die Angst ist begründet: In ganz Europa sind die Schulden explodiert, mit 76 Prozent der Wirtschaftsleistung gehört die Bundesrepublik noch zu den solideren Staaten. Verdeckte Defizite – ungedeckte Pensionszusagen für Beamte – kommen noch hinzu. Der Zweifel an der Bonität einiger Euro-Länder knabbert zudem am Außenwert der Währung. „Der Spielraum für politisches Handeln in vielen Industriestaaten ist weitgehend erschöpft“, heißt es in einer Analyse des Internationalen Währungsfonds IWF.

26 Milliarden für einen Liter Milch: In der Hyperinflation gingen Händler dazu über, Geld zu wiegen, statt es zu zählen.
26 Milliarden für einen Liter Milch: In der Hyperinflation gingen Händler dazu über, Geld zu wiegen, statt es zu zählen.

© dpa

Hinzu kommt, dass die EZB die Finanzmärkte in der Krise mit Geld geflutet hat. Das müsste sie nun einsammeln, um ihr Inflationsziel von zwei Prozent nicht zu gefährden. Doch sie steht vor einem Dilemma: Mit einer Zinserhöhung würde sie den Pleitekandidaten in Euroland das Leben erschweren. Aller Sparerfolg wäre dahin, müssten sie noch mehr für Zins und Tilgung aufbringen. „Die bewusste Verknappung der Geldmenge durch die EZB erscheint besonders unwahrscheinlich“, sagt Marco Annunziata, Chefvolkswirt der Unicredit. „Der EZB sind die Hände gebunden.“

Womöglich drängt die Politik die EZB sogar zu ganz anderen Maßnahmen – etwa zum direkten Kauf von Anleihen angeschlagener Staaten. Das ist der EZB allerdings verboten. „Der Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB käme der offenen Finanzierung exzessiver Haushaltsdefizite gleich“, sagt Annunziata. Doch ob die EZB ihre Unabhängigkeit auch in der Krise bewahren kann, ist nicht gewiss. Zumal sie auch auf den Kurs der US-Notenbank achten muss – hohe Zinsdifferenzen würden den Euro-Dollar-Kurs in die Höhe treiben. „Ob es zu einem Anstieg der Inflation kommt, hängt von der EZB-Führung ab“, sagt Deka-Experte Kater. Dass die EZB zumindest nicht so rasch zu normalen Verhältnissen zurückkehren wird, gilt als sicher. Damit wäre der Geldentwertung der Boden bereitet. „Inflation verhält sich wie eine Lokomotive“, sagt US-Ökonom Burda. „Sie ist erfahrungsgemäß sehr schwerfällig, aber wenn sie erst einmal in Bewegung geraten ist, ist es ungeheuer schwer, sie zu stoppen.“ Die Leidtragenden wären im Prinzip wir alle, denn Inflation verzerrt die Preise, führt zu Fehlinvestitionen, bremst das Wachstum.

Kann es im schlimmsten Fall wieder so schlimm kommen wie 1923? Nein, sagt Peter Bernholz. Der Baseler Wirtschaftsprofessor ist Experte in Sachen Hyperinflation. „Vier bis fünf Prozent oder etwas mehr“ seien in den kommenden Jahren wahrscheinlich, mehr nicht.

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