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Griechenland: Wenn Lokführer Kilometergeld kassieren

Griechenlands staatliche Transportgesellschaften gelten als Auffangbecken für politische Günstlinge. Jetzt geht ihnen das Geld aus

Athen - Die 6500 Beschäftigten der griechischen Staatsbahnen OSE hatten eigentlich schon am Mittwoch fest mit ihrem Urlaubsgeld gerechnet. Aber sie müssen sich noch etwas gedulden. Weil die Kassen des Unternehmens leer sind, soll das ohnehin gekürzte Urlaubsgeld jetzt erst am 16. Juli ausgezahlt werden.

Derzeit stecken viele Staatsunternehmen im hoch verschuldeten Griechenland finanziell in der Klemme. So konnte die Athener Busgesellschaft OASA vergangene Woche die Junigehälter nicht pünktlich überweisen. Prompt traten die 7000 Beschäftigten in den Streik. Eilig bewilligte Finanzminister Giorgos Papakonstantinou eine Finanzspritze von 22 Millionen Euro, um den Linienverkehr in der Vier-Millionen-Metropole wieder in Gang zu bringen.

Ein Euro kostet in Athen der Fahrschein, mit dem man 90 Minuten kreuz und quer mit allen Verkehrsmitteln durch die Stadt fahren kann. Aber in Wirklichkeit zahlen die Athener viel mehr: in diesem Jahr werden allein die Busse der OASA 400 Millionen Euro Verlust einfahren – mehr als eine Million pro Tag. Aufkommen müssen dafür die Steuerzahler.

Die Misere bei der Busgesellschaft ist bezeichnend für die haarsträubende Misswirtschaft bei vielen griechischen Staatsunternehmen. Jahrzehntelang wurden sie von den Politikern missbraucht, um Günstlingen lukrative und praktisch unkündbare Jobs zu verschaffen. Diese Vetternwirtschaft blühte vor allem unter der im vergangenen Oktober abgewählten konservativen Regierung. So stellte die Athener U-Bahn wenige Monate vor der Wahl 271 Beschäftigte ein – auf Betreiben eines Ministers, wie es heißt. Die Athener Straßenbahngesellschaft Tram hatte beim Antritt der Konservativen vor sechs Jahren 156 Beschäftigte. Am Ende ihrer Regierungszeit waren es 689. Das Streckennetz wuchs im gleichen Zeitraum kaum: Von 25 auf 27 Kilometer.

Kein Wunder, dass die meisten öffentlichen Verkehrsbetriebe immer tiefer in die roten Zahlen fahren. Schlimmstes Beispiel sind die Staatsbahnen OSE. Das Unternehmen hat bereits 9,5 Milliarden Euro Schulden und fährt jeden Tag weitere drei Millionen Verlust ein. Die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf decken nicht mal ein Viertel der Personalkosten. Die griechischen Eisenbahner gehören zu den bestbezahlten Arbeitnehmern überhaupt. Unter der konservativen Regierung stiegen die Personalkosten pro Beschäftigtem in nur fünf Jahren um 62 Prozent. Die Lokführer bekommen sogar für jeden gefahrenen Kilometer eine Prämie.

Finanzminister Papakonstantinou will und kann die Verschwendung nicht länger finanzieren, denn damit würde er die Ziele der mit dem IWF und der EU vereinbarten Haushaltskonsolidierung gefährden. Zwar gelang es ihm im ersten Halbjahr, das Defizit um fast 42 Prozent zu drücken. Er liegt damit beim Abbau des Fehlbetrages voll im Plan. Aber die Defizite der Staatsunternehmen werden zu einem immer größeren Problem – zumal EU und IWF jetzt fordern, diese Beträge ins Etatdefizit und die Staatsverschuldung einzurechnen. Dadurch würde sich das diesjährige Haushaltsminus um 0,5 und die Gesamtverschuldung sogar um 5,5 Prozentpunkte erhöhen.

Die Busgesellschaft OASA braucht bis August 400 und bis Ende des Jahres weitere 200 Millionen Euro. Woher das Geld kommen soll, ist unklar. Bereits im Mai hatte die staatliche Schuldenagentur PDMA versucht, für die Staatsbahnen am Kapitalmarkt 400 Millionen Euro aufzunehmen. Sie fand aber nur Geldgeber für 175 Millionen – und auch das nur zu einem Zins von 6,8 Prozent.

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