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Wirtschaft: Griff in die Rentenkasse rettet Eichel nicht

Kurzfristige Maßnahmen wirken nicht – Die Politik hat kaum Spielraum, um steigende Beiträge für die Altersvorsorge zu verhindern

Berlin. Zum Jahreswechsel droht erneut ein Anstieg der Beiträge in der Rentenversicherung von derzeit 19,5 auf 19,8 Prozent. Wie sich langfristig die Lasten zwischen Beitragszahlern und Rentnern gerechter verteilen lassen, hat Regierungsberater Bert Rürup mit seiner Kommission aufgezeigt: Mit einer neuen Rentenformel soll der Rentenanstieg dauerhaft gebremst werden, außerdem sollen die Menschen in Zukunft länger arbeiten. Doch was kann Rot-Grün kurzfristig anpacken, um höhere Rentenbeiträge zu verhindern? Die Bundesregierung hat schließlich versprochen, dass die Lohnnebenkosten von derzeit 42 Prozent sinken werden.

Nullrunde: Jedes Jahr im Juli werden die Renten erhöht – im kommenden Jahr möglicherweise nicht. Sollte die Anpassung 2004 um ein halbes Jahr verschoben werden, entlastet das die Rentenbeiträge um maximal 0,2 Prozentpunkte. Wenn die Rentner mit einem Jahr Verspätung eine höhere Rente erhalten, ließen sich die Beiträge um bis zu 0,4 Prozentpunkte senken. In diesem Jahr fällt die Anpassung ohnehin nicht besonders üppig aus: in Westdeutschland steigen die gesetzlichen Altersbezüge um 1,04 Prozent, im Osten um 1,19 Prozent.

Schwankungsreserve: Mit dem „Notgroschen“ der Rentenversicherung sollen Einnahmeschwankungen im Jahresverlauf ausgeglichen werden. Die gesetzlich vorgeschriebene Schwankungsreserve ist in den vergangenen Jahren bereits gekürzt worden. So müssen seit 2003 zum Jahresende nur noch 50 Prozent einer Monatsausgabe erreicht werden – 2001 war es noch eine volle Monatsausgabe in Höhe von rund 15 Milliarden Euro. Die Rentenversicherer warnen jedoch vor weiteren Kürzungen: So rechnen sie schon jetzt damit, dass Ende Oktober diesen Jahres nur noch 22 Prozent liquide Mittel vorhanden sein werden. Die Absenkung der Schwankungsreserve sei „ausgereizt“, sagt auch der Darmstädter Ökonom Rürup. Je weiter diese abgesenkt werde, desto größer würden die Risiken für den Bundeshaushalt und die Gefahr von Rentenzahlungen nach Kassenlage des Bundes.

Immobilien verkaufen: Bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) schlummern Immobilienbestände: etwa die Wohnungsbaugesellschaft Gagfah mit rund 80 000 Wohnungen, die mit 1,6 Milliarden Euro bewertet wird und seit Jahren verkauft werden soll. Man müsse „zumindest darüber nachdenken“, die Gagfah etwa an die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu verkaufen, regt die Grünen-Sozialpolitikerin Biggi Bender an. Dann stünden den Rentenkassen auch mehr liquide Mittel zur Verfügung.

Renten kürzen: „Eine Kürzung der Renten ist außerordentlich problematisch“, sagt Bert Rürup mit Verweis auf den grundgesetzlichen Eigentumsschutz der Renten nach Artikel 14. Im Finanzministerium hatte es nach Angaben aus Regierungskreisen Überlegungen gegeben, den Bundeszuschuss zur Rentenversicherung anzutasten – auch wenn ein Sprecher von Finanzminister Hans Eichel (SPD) dies am Freitag dementierte.

„Über die Rentenkassen den Haushalt zu sanieren, ist nicht sinnvoll“, kommentierte die Grünen-Politikerin Biggi Bender. SPD-Fraktionsvize Michael Müller findet angesichts der Haushaltslage Einschnitte bei Renten „nicht prinzipiell indiskutabel“. Es müsse aber zwischen wohlhabenderen und ärmeren Rentnern unterschieden werden. Ein Vorschlag, den Rentenexperte Rürup umgehend ablehnte: Von der Höhe der Rente lasse sich nicht auf den materiellen Status des Haushalts zurückschließen. Manche Menschen beziehen zwar nur eine geringe Rente, dafür aber zusätzlich eine Pension oder andere Einkünfte.

Leistungen kürzen: Die Rentenversicherung finanziert gesellschaftspolitische Leistungen wie Invalidenrenten oder seit der Wiedervereinigung auch die Ostrenten. Inzwischen werden diese versicherungsfremden Leistungen zu einem großen Teil über den Bundeszuschuss aus Steuermitteln finanziert. Geld ließe sich sparen, indem man den Anspruch auf bestimmte Leistungen ändert. Wenn man allerdings etwa die Kindererziehungszeiten oder einen Teilzeitjob mit Kindern in Zukunft bei den Rentenansprüchen geringer als bisher bewerten würde, wäre das „frauen- und familienpolitisch kontraproduktiv“, kritisiert die Grünen-Politikerin Biggi Bender.

Krankenversicherung der Rentner: Rund 13,5 Milliarden Euro zahlen die Rentenkassen in diesem Jahr an die gesetzliche Krankenversicherung. So wie Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmer den halben Beitrag zur Krankenkasse zahlen, übernimmt auch die Rentenversicherung die Hälfte für ihre Rentner. Sollten Rentner ihre Krankenkassenbeiträge in Zukunft selbst bezahlen, würde das den Rentenbeitrag auf einen Schlag um 1,7 Prozentpunkte entlasten. Er sehe nur „ein bisschen Spielraum“ für Veränderungen, sagt der Ökonom Rürup. Die Krankenkassenbeiträge allein den Rentnern aufzubürden, lehnte er aber klar ab. Sie seien im Prinzip durch Beitragsleistungen erworbene Ansprüche.

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