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Wirtschaft: Grüne wollen Tariftreue-Gesetz nachbessern

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Grüne hat ihren Widerstand gegen das Tariftreuegesetz der Bundesregierung noch nicht aufgegeben. Obwohl sie dem Gesetz zugestimmt hatten, wollen die Abgeordneten in der kommenden Woche über Änderungen beraten, die Wettbewerbsnachteile für ostdeutsche Unternehmen mildern sollen.

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Grüne hat ihren Widerstand gegen das Tariftreuegesetz der Bundesregierung noch nicht aufgegeben. Obwohl sie dem Gesetz zugestimmt hatten, wollen die Abgeordneten in der kommenden Woche über Änderungen beraten, die Wettbewerbsnachteile für ostdeutsche Unternehmen mildern sollen. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag DIHK will gegen das Gesetz zu Felde ziehen.

Noch vor der ersten Bundestags-Lesung des Gesetzentwurfs zur Tariftreuepflicht bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Anfang Januar wollen die Grünen ein umfangreiches Veränderungspaket vorlegen. Eine Arbeitsgruppe werde der Fraktionsspitze in den kommenden Tagen Vorschläge unterbreiten, hieß es. Für den ostdeutschen Abgeordneten Werner Schultz steht schon jetzt fest, dass "das Gesetz in seiner jetzigen Form nicht umgesetzt wird".

Der Grund: Der Entwurf sieht vor, dass öffentliche Aufträge im Bau- oder Nahverkehrsbereich nur noch an solche Unternehmen vergeben werden dürfen, die den am Ort der Auftragsvergabe gültigen Tariflohn zahlen. Für Schultz bedeutet das, dass ostdeutsche Bauunternehmen "keine Chance mehr haben", in den alten Bundesländern Aufträge zu bekommen, da die Ost-Tariflöhne unter dem Westniveau liegen. Schlimmer noch: Weil die meisten ostdeutschen Baubetriebe gar keine Tarif- sondern nur Mindestlohn zahlen, würden in Zukunft massenhaft westdeutsche Unternehmen Aufträge in den neuen Bundesländern erhalten und ihre Mitarbeiter dann unter Westtarif bezahlen. Einen "unglaublichen Crash der Branche im Osten" fürchtet Schultz.

Auch das Bundeswirtschaftsministerium teilt offenbar diese Ansicht. Obwohl Minister Werner Müller noch im Sommer vorgeschlagen hatte, den Ort des Betriebssitzes zum Tarif-Maßstab für die Auftragsvergabe zu machen, setzten sich IG BAU und Verdi bei einem Gespräch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) durch. Der Gesetzentwurf wurde am vergangenen Mittwoch auch vom Bundeskanzleramt - und nicht vom Wirtschaftsministerium - im Kabinett eingebracht.

Um den Schaden zu begrenzen, untersucht Müllers Ministerium nun ebenso wie die Fraktion der Grünen - ob den Kommunen im Gesetz aufgegeben werden kann, Aufträge nur an solche Unternehmen zu vergeben, die mindestens 90 Prozent des am Ort üblichen Tariflohnes zahlen. Dies würde der durchschnittlichen Differenz zwischen Ost- und Westtarif entsprechen, hieß es, und gleiche den Wettbewerbsnachteil aus. Vor allem in Bayern, Hamburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Niedersachsen nutzen die Ost-Unternehmen ihre Tarifvorteile bei Aufträgen der öffentlichen Hand in größerer Zahl. Für den DIHK wäre allerdings auch eine solche Lösung nur schwer zu verkraften. Wie die zuständige Referentin des DIHK, Annette Karstedt-Meierrieks, dieser Zeitung sagte, werden die Handelskammern gleich zu Jahresbeginn "massiv Front gegen das Gesetz machen". Dass ostdeutsche Unternehmen, die den orstüblichen Tarif zahlen, vom Bundeskanzler im Bundestagswahljahr "diskriminiert und auf zwei Dritteln des deutschen Marktes von Aufträgen ausgeschlossen werden", sagte die Referentin, werde man sich nicht gefallen lassen. Zudem rechnet der DIHK mit Protesten der Kommunen. Deren finanzielle Lage gestatte eine Preiserhöhung bei Bau und Nahverkehr nicht. "Niemand in diesem Land will dieses Gesetz", sagte Karstedt-Meierriek, "nur zwei Gewerkschaften und der Kanzler".

Gerhard Schröder hatte den Delegierten des IG-BAU-Kongresses im Herbst das Tariftreuegesetz versprochen, weil damit preiswerte Bauarbeiter aus Osteuropa vom Markt verdrängt werden sollen. Die Fraktion der Grünen hatte sich am Vorabend der Kabinettsentscheidung mit Mehrheit gegen das Gesetz ausgesprochen. Um nach der Vertrauensfrage zum Afghanistaneinsatz einen neuen Koalitionskrach zu verhindern, änderte die Fraktion nach einer Sondersitzung am Mittwochabend allerdings ihre Meinung und stimmte dem Gesetzentwurf zu.

asi

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