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Wirtschaft: Grundig steht vor der Zerschlagung

Ein Insolvenzverfahren könnte Teile des Traditionskonzerns retten. Die Kunden und der Fachhandel sind verunsichert

Von Nicole Adolph, München

Der traditionsreiche Unterhaltungselektronikhersteller Grundig wird voraussichtlich Anfang dieser Woche Insolvenz anmelden. Nachdem die Verhandlungen mit den potenziellen Investoren Sampo und Beko gescheitert sind, hat das Unternehmen kaum noch Chancen, eigenständig weiter zu bestehen. Durch ein Insolvenzverfahren könnten aber große Teile des seit Jahren kriselnden Unternehmens gerettet werden.

Zwar beteuert ein Sprecher des Nürnberger Konzerns, dass es aussichtsreiche Kontakte zu weiteren Interessenten gebe. Branchenkenner glauben jedoch nicht, dass sich noch ein Investor finden wird und rechnen auch nicht damit, dass die Banken Grundig noch einmal aus der Klemme helfen. Sie hatten die Kreditlinien über Monate hinweg immer wieder verlängert. Auch auf massive Hilfe durch die bayerische Staatsregierung kann Grundig nicht mehr bauen: Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU), der schon mehrfach an Rettungsaktionen beteiligt war, wollte sich zu einer erneuten staatliche Unterstützung nicht mehr äußern.

Betriebsratschef Thomas Schwarz geht davon aus, dass die Insolvenz nicht mehr abzuwenden ist. Dafür spreche auch, dass Eberhard Braun in der vergangenen Woche zum neuen Vorstandschef und Nachfolger von Hans-Peter Kohlhammer berufen wurde, sagte Schwarz dem Tagesspiegel. Braun will sich frühestens Montag äußern. Für 13 Uhr sind die Mitarbeiter in Nürnberg zur Betriebsversammlung eingeladen. „Ich befürchte, dass wir dann über den Insolvenzantrag informiert werden“, sagte Schwarz.

Braun ist Insolvenzverwalter und bearbeitet bereits so bekannte Fälle wie Flowtex und Fairchild Dornier. Braun mache sich derzeit ein umfassendes Bild von der Lage, sagte Grundig-Sprecher Holm Kilbert. Er habe Gespräche mit Banken und Lieferanten geführt und das Fernsehwerk in Wien besucht. Nach Einschätzung von Experten strebt Braun ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung (siehe Lexikon) an, das die Sanierung von Grundig zum Ziel haben soll. Dabei behält das Management die Zügel in der Hand und kann somit weiter operativ handeln.

Im Fachhandel führt die Krise bereits zu spürbaren Umsatzrückgängen mit Grundig- Geräten. „Die Kunden sind verunsichert“, sagte Peter Keller, Geschäftsführer des Handelsverbundes RIC, der Nachrichtenagentur dpa. Auch der Fachhandel selbst verhalte sich bei Neubestellungen derzeit zurückhaltend. RIC vertritt als Einkaufsverbund für Konsumelektronik rund 2500 Elektronik-Fachhändler.

Grundig sucht seit Jahren einen finanzkräftigen Partner. Lange war der niederländische Philips-Konzern beteiligt. Der verlor nach hohen Verlusten aber die Geduld. Die letzte Rettungsaktion versuchte der bayerische Antennenhersteller Kathrein gemeinsam mit einem Bankenkonsortium – auch sie blieben erfolglos. Die jüngsten Verhandlungen mit dem taiwanesischen Sampo-Konzern platzten Anfang März wegen Differenzen bei Detailfragen. Und die türkische Beko-Gruppe sprang kurz darauf wegen unterschiedlicher Preisvorstellungen ab.

Mit dem Niedergang von Grundig endet ein Stück deutscher Industriegeschichte. In der Nachkriegszeit stand der 1945 von Max Grundig gegründete Konzern als Synonym für Qualitätsarbeit und Innovation aus Deutschland. Den Grundstein für sein Firmen-Imperium legte Grundig mit dem sperrigen Radiogerät „Heinzelmann“. Es folgten Verkaufsschlager wie das Kofferradio „Grundig Boy“, das froschgrüne Diktiergerät „Stenorette A“ und – Ende der 60er Jahre – die ersten Farbfernseher.

Zu seinen besten Zeiten vor rund 25 Jahren hatte Grundig 38000 Beschäftigte und 30 Werke im In- und Ausland. Heute ist die Belegschaft gerade mal ein Zehntel so groß. Grundig verpasste den Anschluss an neue Technologien und konnte mit der innovativen und zugleich billigen Konkurrenz aus Fernost nicht mehr mithalten. Weil sich der Markt in ein Hochpreis- und ein Billigsegment teilte, fand Grundig für seine mittelpreisigen Produkte nicht mehr genügend Abnehmer. Folge: Seit den 80er Jahren rutschte die Firma immer tiefer in die roten Zahlen.

Im Geschäftsjahr 2001 hatte Grundig 150 Millionen Euro Verlust bei einem Umsatz von 1,23 Milliarden Euro eingefahren. Für 2002 wird bei unverändertem Umsatz wieder ein Verlust von 75 Millionen Euro erwartet. Das Eigenkapital ist zudem auf 30 Millionen Euro geschrumpft. Dazu kommen Pensionsverpflichtungen von 200 Millionen Euro. „Es fehlt an allen Ecken und Enden Geld, um in notwendige Innovationen zu investieren“, sagt ein Grundig-Mitarbeiter. Nach Angaben des Betriebsrats belaufen sich allein die Bankschulden auf 130 bis 260 Millionen Euro.

Die 1300 Mitarbeiter am Stammsitz in Nürnberg arbeiten vor allem in der Forschung und Entwicklung, im Marketing, beim Vertrieb und in der Verwaltung. Profitabel sind bei Grundig nur noch kleinere Bereiche wie die Büro- und Hotelkommunikation und die Autoradiosparte. Sonst hat Grundig nur noch zwei Dinge zu bieten: Ein gutes Vertriebsnetz mit 29000 Fachhändlern in Europa und seinen traditionsreichen Markennamen.

Nicole Adolph[München]

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