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Handelsforscher Hedde: "Deutsche Marken müssen sich neu erfinden"

Warum spanische Modefirmen vieles richtig machen – und was die deutschen Labels daraus lernen können.

Herr Hedde, worin sehen Sie den Erfolg der Spanier?

Einer der Hauptgründe für den Erfolg der Spanier liegt darin, dass Inditex und seine Marken es geschafft haben, die Lücke des Pseudodiscounts im Textilhandel zu füllen. Das Motto heißt günstige Produkte, die trotzdem einen Mehrwert bieten. Kunden profitieren von hochwertigem Design, das in einem luxuriösen Umfeld angeboten wird – bei gleichzeitiger günstiger Produktion. Dieser wird alles untergeordnet. Im Umkehrschluss wird alles für das Kauferlebnis getan. Ein Merkmal in der Günstig-Strategie ist Mundpropaganda. Der Gründer Amancio Ortega hat sich früh festgelegt, dass der Imagegewinn weniger über klassische Werbung erfolgen soll, sondern über Investitionen in Shop und Schaufenster.

Was machen sie anders als ihre Mitbewerber?

Im Vergleich zu seinen Topwettbewerbern wie H & M, C & A oder Esprit, die kontinuierlich und stark in klassische Werbung investieren und bisweilen ganze Straßenzüge mit hochwertigen Motiven geradezu pflastern, spart Inditex große Werbeaufwendungen in Medien und geht einen anderen Weg. Insbesondere bei der Topmarke Zara wird viel investiert, um weltweit in absoluten Bestlagen vertreten zu sein. Ambiente und Schaufenster vermitteln Luxus – bei den Produkten weiß der Konsument jedoch immer, dass er dort trotzdem mit einem niedrigen Budget einkaufen kann.

Wie schaffen die das?

Für Inditex ist es besonders wichtig, dass die Kunden häufig kommen. Entsprechend ist ein wichtiger Baustein in der Strategie der häufige Kollektionswechsel. Wie kein anderes Textilunternehmen hat es Inditex geschafft, Produktion und Logistik so abzustimmen, dass permanent geliefert und geordert werden kann. Dadurch, dass laufend neue Hosen, Hemden und Jeans angeboten werden, kann der Konsument davon ausgehen, dass jedes Mal, wenn er vorbeikommt, neue Waren im Laden sein werden. In Verbindung mit den hochwertigen Shops schließt sich so ein Kreislauf. Der Kunde kann oft shoppen gehen, dabei trotzdem das Gefühl von Luxus verspüren, und das bei günstigen Preisen.

Wie wichtig ist das Image?

In seiner Anfangsphase hat es Inditex geschafft, sehr schnell aktuelle Trends und Farben aus der Luxusmode in seinen eigenen Kollektionen zu verankern. Damit wurde das Image aufgebaut, dass es bei den Marken von Inditex möglich ist, mit kleinem Geld so auszusehen, als hätte man viel investiert. Davon profitieren die Inditex-Marken noch heute.

Was bedeutet das für deutsche Marken?

Konsumenten in Deutschland waren historisch gesehen auf Mittelpreislagen ausgerichtet. Der Fokus lag stärker auf konservativeren Produkten mit höheren Qualitätserwartungen in puncto Langlebigkeit. Entsprechend haben sich Handel und Hersteller positioniert. Mit der nachwachsenden Generation ist ein Wechsel eingetreten: die Jüngeren hierzulande schauen verstärkt auf das Design. Dieser Umstand erfordert aber neue Konzepte. Als kennzeichnend für diesen generellen Trendwechsel können auch TV-Sendungen wie das erfolgreiche Germany’s Next Topmodel angesehen werden.

Das Luxussegment bricht weg?

Luxusmarken werden in Deutschland langfristig schon wegen der höheren Kaufkraft erfolgreich bleiben. Der Pseudodiscount ist jedoch auf dem Vormarsch. Nicht umsonst sind klassische Discountbereiche wie zum Beispiel Drogeriemärkte, wo Sie nun neben Seife noch Lebensmittel, Medikamente oder Parfum bekommen, von Mehrwertkonzepten geprägt. Mehrwert zum günstigen Preis wird aus unserer Sicht weiter an Bedeutung zunehmen. Deshalb sind deutsche Marken auch gefordert, neue Strategien zu entwickeln.

Welche Konsequenzen hat das für hiesige Einkaufsstraßen und Warenhäuser – wie werden die sich verändern?

Die haben sich bereits verändert. Warenhäuser haben mit dem Einzug der Anbieter aus Spanien zwar Umsatzverluste erlitten. Das Bild scheint sich jedoch zu stabilisieren. Denn die meisten Waren- und Bekleidungshäuser bieten heute Shop- in-Shop-Lösungen an und investieren in das Einkaufserlebnis. Dies kommt langfristig dem Kunden entgegen.

Doch die Einkaufsstraßen werden sich alle immer mehr gleichen.

Häufig wird der Vorwurf formuliert, dass Stadtzentren bald alle gleich aussehen würden und dass mit den großen, wenigen Filialisten, die sehr wachstumsorientiert ausgerichtet sind, Vielfalt verloren ginge. Wir gehen langfristig von wellenartigen Bewegungen aus. Unsere Studien weisen aus, dass der Fokus auf günstige Preise abnimmt und der Wunsch nach Qualität und Individualität wieder zunimmt. Am Schluss entscheidet aber immer der Konsument, was er haben möchte.

Die Fragen stellte Patricia Wolf

Boris Hedde

ist Geschäftsführer der IfH Institut

für Handelsforschung GmbH in Köln.

Das IfH berät

eine Reihe

großer deutscher

Handelsunternehmen.

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