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Bei der Arbeit. Bodenleger Matthias Bleck findet 90 Prozent seiner Kunden über das Internet.

© Paul Zinken

Handwerker im Internet: Angst um den goldenen Boden

Immer mehr Kunden suchen online nach Dienstleistern. Doch viele Handwerker scheuen das Netz. Das macht den Portalen wie MyHammer, Blauarbeit oder Quotatis das Leben schwer.

Morgens um fünf schaut Matthias Bleck ins Internet und dann noch einmal abends, wenn er nach Hause kommt. Tagsüber hat er keine Zeit. Bleck ist dann auf Baustellen unterwegs, verlegt Böden oder schleift Parkett. Das Internet ist für den Handwerker sehr wichtig. „90 Prozent meiner Aufträge kommen von dort“, sagt er. Dabei hat er nicht einmal eine eigene Webseite. Vielmehr nutzt er seit Jahren Internetplattformen wie My Hammer. „Für mich ist das interessant, weil ich besser planen und auch kurzfristig Aufträge bekommen kann“, sagt Bleck. „Wenn ich Luft habe, schaue ich, was es so gibt.“

Bleck ist einer von tausenden Handwerkern, die auf Internetplattformen wie MyHammer, Blauarbeit oder Quotatis ihre Kunden suchen und finden. Die Idee dahinter ist einfach: Hier sollen Menschen, die einen Job rund um Haus und Garten erledigt haben wollen – etwa Wände streichen, Dach decken oder Fliesen legen – Handwerker finden, die das schnell und günstig machen. Dabei helfen die Bewertungen, die andere Kunden über die Handwerker bereits abgegeben haben. Tatsächlich tun sich die Plattformen aber ziemlich schwer. Davon zeugt unter anderem die kurze Geschichte von Profis.de, einer Plattform für Dienstleistungen rund ums Haus, in die der Springer-Verlag viel Geld steckte – und die er nach einem Jahr wieder einstellte.

Marktführer in Deutschland mit 290 000 Handwerkern und Dienstleistern auf seinem Portal ist My Hammer mit Sitz in Berlin. Dahinter steht die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Wichtige Wettbewerber sind Blauarbeit, eine Tochter von Müller Medien aus Nürnberg mit 140 000 aktiven Dienstleistern, und die Auftragsbörse Quotatis, Tochter eines französischen Unternehmens, die den Schwerpunkt auf Energie- und Haustechnik legt, und auf mehr als 10 000 Handwerker kommt.

Das Interesse der Verlage an dem Geschäft kommt nicht von ungefähr, schließlich haben Handwerker und Kunden sich früher meist über Inserate gesucht und gefunden. Aber mit dem Internet tun sich viele Handwerker schwer. „Das Problem für unsere Branche ist, dass Handwerker meist sehr konservativ sind und die Transparenz scheuen“, sagt Quotatis-Geschäftsführer Jens Oenicke. Die anderen sehen das ähnlich. Handwerker seien gegenüber Innovationen nicht allzu aufgeschlossen, meint Blauarbeit-Geschäftsführer Michael Amtmann.

„Die Handwerker hatten das Gefühl, dass es bei uns nur darum geht, den billigsten zu finden und die Preise zu drücken“, sagt My-Hammer-Vorstand Michael Jurisch. Das hatte auch damit zu tun, dass der Zuschlag für einen Auftrag ursprünglich im Zuge einer Rückwärtsauktion, bei der sich die Handwerker gegenseitig unterbieten konnten, automatisch an den günstigsten Anbieter ging. „Wir haben dabei auch nicht bedacht, dass der Kunde sich lieber aussuchen will, wem er vertraut und wen er in sein Zuhause hineinlässt“, sagt Jurisch. „Man muss sich riechen können.“

Doch seit dem Start im Jahr 2005 hat MyHammer sein Modell immer wieder angepasst. Heute muss niemand mehr den billigsten Anbieter nehmen, sondern der Kunde kann aus den eingehenden Angeboten wählen. So ist das auch bei Blauarbeit und Quotatis. „Ab vier bis fünf Angeboten“, sagt Jurisch, „bildet sich so etwas wie ein Marktpreis heraus.“ Der billigste oder der teuerste Anbieter würden selten ausgewählt. „Meist erteilt der Kunde den Zuschlag in der Mitte.“ MyHammer sei eben nicht einfach nur ein Ebay für Dienstleister, sagt Jurisch. „Es ist viel komplexer.“ Das musste auch MyHammer erst lernen.

Bei der Handwerkskammer Berlin sieht man vor allem ein grundsätzliches Problem bei den Handwerkerportalen, nämlich „dass sich in ihnen auch viele schwarze Schafe tummeln, sprich Handwerker, die die Arbeiten, die sie anbieten, nach der Handwerksordnung gar nicht ausüben dürfen“. Im vergangenen Jahr hat My Hammer daher begonnen, enger mit den Handwerksinnungen zusammenzuarbeiten. Heute lässt das Unternehmen nur noch solche Anbieter auf den Marktplatz, die bei der Handwerkskammer gemeldet sind. „Die Innungen haben uns klargemacht, dass ihre Betriebe nicht bereit sind, auf unserer Plattform mit Hausmeistern zu konkurrieren, die sich nebenbei etwas dazu verdienen wollen“, sagt Jurisch. In der Folge sank die Zahl der Dienstleister auf dem Marktplatz. „Unser Wandel von ,wir sind billig’ zu ,wir bieten Qualität’ ist noch nicht bei allen Handwerkern angekommen“, gibt Jurisch zu.

"Die Tage der Branchenbücher sind gezählt"

Sieht noch viel Potenzial: MyHammer-Vorstand Michael Jurisch.

© Doris Spiekermann-Klaas

Das hatte Konsequenzen: Im vergangenen Jahr mussten 30 Mitarbeiter gehen, heute arbeiten noch 60 Leute bei My Hammer in Berlin. Auch der Umsatz schrumpfte 2011 leicht auf rund 14 Millionen Euro. Dieses Niveau will das Unternehmen im laufenden Jahr halten.

Noch wird auf dem Marktplatz viel mehr gesucht, als Angebote abgegeben werden. „Jeder denkt: Wenn wir nur für genug Aufträge sorgen, dann kommen auch die Handwerker. Aber das stimmt nicht“, sagt Jurisch. Künftig will My Hammer daher nicht mehr jeden Kunden ansprechen, sondern sich auf Zielgruppen konzentrieren, die für das Handwerk interessant sind. Auch das Gebührenmodell wurde angepasst. Handwerker und Dienstleister zahlen eine monatliche Grundgebühr und eine weitere Gebühr, wenn tatsächlich ein Auftrag erteilt wurde. Für Auftraggeber ist der Service kostenlos.

Für die Zukunft sind die Internetfirmen optimistisch. „Die Tage der Branchenbücher sind gezählt“, meint Oenicke von Quotatis. Amtmann von Blauarbeit stimmt der Generationswechsel im Handwerk optimistisch. Auch Jurisch ist überzeugt, dass das Handwerk am Internet nicht mehr vorbeikommt, „wenn immer mehr Leute abends mit dem Smartphone auf dem Sofa nach einem Handwerker suchen“. Der My-Hammer-Vorstand macht eine einfache Rechnung auf: Er schätzt die Zahl der relevanten Handwerksbetriebe, die Arbeiten rund um Haus und Garten für Privatleute anbieten, auf rund 480 000. Das Werbebudget kleinerer und mittlerer Betriebe im Handwerk liege bei etwa 2500 Euro pro Jahr, wobei etwa ein Viertel davon für Online-Werbung ausgegeben würde. Unterm Strich bleibe also ein Online-Werbebudget von 300 Millionen Euro. Es gibt also noch viel Potenzial.

Zudem verfügt My Hammer über wertvolle Informationen: „Wir wissen immer ziemlich genau, wo es viele Aufträge gibt, aber niemanden, der sie übernimmt“, sagt Jurisch. „Im Saarland zum Beispiel werden im Moment dringend Dachdecker gesucht. Bei einem schönen Auftrag, könnte das doch auch für eine Firma aus unserer Region interessant sein.“

Bodenleger Matthias Bleck müssen die Internetfirmen nicht mehr überzeugen. Er nutzt das Netz nicht nur, um seine Kundschaft zu erweitern. Er sucht auch gezielt Aufträge, die ihn an Orte führen, wo er immer schon einmal hinwollte. So hat er beispielsweise schon mal Parkett in Brüssel geschliffen. Das Schönste aber war für ihn ein Auftrag in Wilhelmshaven. „Wir waren jeden Abend nach der Arbeit im Meer schwimmen.“ Ein großer Spaß sei das gewesen, sagt Bleck und eine große Chance. „Zwei Wochen Urlaub an der Nordsee, das könnte ich mir gar nicht leisten.“

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