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Harald Wolf: Auf Mutmach-Tour

Senator Wolf besucht die Berliner Industrie: Es wurde ein Gute-Laune-Ausflug, bei dem man sich am Ende fragen musste, wo die Krise eigentlich steckt.

Berlin - Es klang ein wenig nach Butterfahrt, was sich der Wirtschaftssenator Harald Wolf für den Montag vorgenommen hatte: eine Bus-Tour zu drei Standorten der Elektro- und Maschinenbauindustrie in Berlin-Spandau. Wer dabei an Krise, Depression und trübe Zukunft denkt, liegt falsch. Es wurde ein Gute-Laune-Ausflug, bei dem man sich am Ende fragen musste, wo die Krise eigentlich steckt.

Wolf wollte die schlechten Nachrichten offensichtlich schnell hinter sich bringen. Gleich zu Beginn gab er seine Prognose ab: Er gehe davon aus, dass die Berliner Wirtschaft im laufenden Jahr um vier Prozent schrumpfen werde, sagte Wolf zur Begrüßung. „Das ist jetzt wirklich keine frohe Botschaft.“ Aber damit gehe es Berlin immer noch besser als dem Bund. Hier wird ein Minus von sechs Prozent erwartet. Das bessere Abschneiden verdanke die Stadt ihrem starken Pharma- und Energiesektor: „Da haben wir nach wie vor eine stabile Situation.“

Auf den ersten Blick schien es, als wollte das Messgeräte-Werk von Siemens den Senator Lügen strafen: 1200 Quadratmeter kahler Linoleum-Boden gähnten die Besucher an. Schuld daran sind aber nicht geplatzte Aufträge, sondern verbesserte Produktionsabläufe. Im kommenden Jahr soll auf der gewonnenen Fläche die nächste Produktgeneration gebaut werden. „Uns geht es gut“, sagte auch Werksleiter Wolfgang Will. „Wir erwarten für dieses Jahr keinen größeren Einbruch.“ Die 760 Mitarbeiter am Berliner Standort würden auch im laufenden Jahr wieder einen Umsatz von rund 600 Millionen Euro erwirtschaften. Erst in den Jahren 2010 und 2011 werde es „ein bisschen Schwäche geben“.

Auch um die Ecke beim Anlagenbauer FST, einer ehemaligen Siemens-Tochter, wollte man nur ungern von der Krise sprechen. „Es macht mir keinen Spaß, dazu einen Kommentar abzugeben, aber ich denke, Sie interessiert’s“, sagte FST-Chef Frank Hermann. Dann schob er hinterher, dass der Abschwung seine Firma nicht in Mitleidenschaft gezogen habe. Einzig das Wachstum werde im laufenden Jahr nicht mehr zweistellig sein, aber damit könne man leben. Der 100-Mann-Betrieb suche derzeit sogar nach Arbeitskräften. Stolz führte Hermann den Wirtschaftssenator danach durch die Werkshallen. Über ihren Köpfen balancierten Kräne meterlange Stahlröhren. Sieht so die Krise aus? Wohl kaum.

Nur beim Geldautomaten- und Kassenhersteller Wincor-Nixdorf war die Krise für einen Moment lang spürbar. Mit den Zahlen des Unternehmens, das in Berlin 250 Leute beschäftigt, hatte das aber nichts zu tun: Umsatz und Gewinn sollen 2009 stabil bleiben. Doch während nebenan vorgeführt wurde, wie der Kunde im Supermarkt der Zukunft seinen Einkauf selbst scannt, blieb Wolf im Besprechungszimmer zurück – tief im Gespräch mit Wincor-Sprecher Andreas Bruck versunken. Die Arme hielt er verschränkt und flüsterte nur. Das Thema der beiden: die Krise. Dann war der Senator plötzlich verschwunden. Als sei ihm ein Ort eingefallen, wo er dringender gebraucht wird. Joachim Telgenbüscher

Joachim Telgenbüscher

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