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Laden dicht. Welche Märkte dichtgemacht werden, muss Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz nun mit Betriebsräten und Gewerkschaften aushandeln. Auch in Berlin zittern die Mitarbeiter. Foto: dpa

© dpa

Wirtschaft: Harter Schnitt

Die Drogeriekette Schlecker will 11 750 Mitarbeiter entlassen und rund 2400 Filialen schließen.

Berlin – Es waren starke Worte, die am Mittwoch in Frankfurt am Main fielen, als die Zukunftsstrategie der insolventen Drogeriemarktkette Schlecker verkündet wurde. „Harte Einschnitte“ seien nötig, sagte Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz, sonst habe Schlecker „keine Überlebenschance.“ Hart wird die Sanierung, die Schlecker quasi halbiert, vor allem für die Mitarbeiter: Von den mehr als 25 000 Beschäftigten des schwäbischen Unternehmens sollen nur noch 13 500 bleiben. Die Zahl der Filialen soll von derzeit 5400 auf 3000 sinken. Was aus der ebenfalls insolventen Schlecker-Tochter Ihr Platz wird, soll in Kürze berichtet werden, teilte Schlecker mit. Die Kette, die seit 2007 zu Schlecker gehört, betreibt 670 Filialen mit 5800 Mitarbeitern.

„Die gute Nachricht ist, dass das Unternehmen nach kompletter Umsetzung für sich überlebensfähig ist“, sagte Geiwitz, und griff zugleich Unternehmensgründer Anton Schlecker an, der jahrzehntelang an der Spitze des Konzerns gestanden hatte. Die schlechte sei, dass die in der Vergangenheit deutlich zu spät eingeleitete Restrukturierung „keine andere Alternative als die harten Schnitte“ erlaube.

„Die Analyse des Schlecker-Konzerns fällt in gewisser Weise dramatisch aus“, sagte Geiwitz und nannte in Frankfurt auch erstmals aktuelle Unternehmenszahlen. Allein 2011 habe die Kette einen Verlust in Höhe von 200 Millionen Euro eingefahren. Der Bruttoumsatz habe 2011 nur noch rund fünf Milliarden Euro betragen – nach rund 6,5 Milliarden Euro im Vorjahr.

Damit ist es fraglich, ob die Familie Schlecker aus eigener Kraft fortführen kann. Sie hatte bereits im Januar erklärt, dass vom ehemals großen Vermögen Anton Schleckers, der Banken und Investoren immer kritisch gegenüberstand, kaum etwas übrig sei. Der Verkauf der derzeit nicht vom Insolvenzverfahren betroffenen Auslandstöchter des Konzerns wäre eine Option für die Familie, an Geld zu kommen. Geiwitz sagte am Mittwoch aber, ein neuer Investor sei wünschenswert und würde das Verfahren beschleunigen. Zunächst soll eine Investmentbank bei der Suche nach einem Geldgeber helfen. Dafür sei es aber notwendig, dass Schlecker ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Ende März keine Verluste mehr mache. Derzeit verliert das Unternehmen jeden Monat 20 Millionen Euro.

Kündigungen kann Geiwitz erst Ende März aussprechen. Bis dahin sind auch erst mal die Gehälter der 25 000 Beschäftigten gesichert. Ab dann zahlt auch die Bundesagentur für Arbeit nicht mehr, die bei einer Insolvenz drei Monate lang die Löhne garantiert.

Gemeinsam mit den Betriebsräten und der Gewerkschaft Verdi will Schlecker nun über einen Sozialplan verhandeln. Verdi werde für die Tausenden von Frauen und Männern kämpfen, sagte Stefanie Nutzenberger, Bundesvorstandsmitglied der Gewerkschaft. Jetzt komme es darauf an, ein glaubwürdiges Konzept zu erarbeiten. Zudem seien ein „Bruch mit der alten Führung und den alten Führungsmethoden und eine Neuausrichtung“ nötig, sagte Nutzenberger. Auch die Kinder von Anton Schlecker, Lars und Meike, dürften im künftigen Management „auf keinen Fall eine tragende Rolle spielen“, sagte eine Gewerkschaftssprecherin. Verdi muss nun auch über die Kündigungsfristen der 11 750 Mitarbeiter verhandeln. Hier hoffe man auf möglichst lange Übergangsfristen, sagte eine Sprecherin.

Einen „nachhaltigen Kulturwandel im Sinne der Glaubwürdigkeit des Unternehmens“ versprach Schlecker dann auch am Mittwoch. Zudem sollen das Sortiment ergänzt, die Preise stark gesenkt und weitere Läden umgebaut werden. Im Zuge der 2010 beschlossenen Modernisierung hatte Schlecker in den vergangenen Jahren bereits Hunderte Filialen geschlossen und rund 300 renoviert.

Die nun großflächige Schließung von Märkten ist für das Unternehmen aus Ehingen bei Ulm eine Zäsur: Schlecker sollte ein Nahversorger sein, zeichnete sich durch seine vielen kleinen Filialen auch in abgelegenen Orten und Lagen aus. Der 1965 von Anton Schlecker gegründete Konzern hatte in der Spitze fast 10 000 Geschäfte in Deutschland. Die Konkurrenz – vor allem dm und Rossmann – setzte dagegen auf weniger, dafür aber großzügigere und modernere Filialen in Innenstadtlagen und jagte Schlecker damit Kunden ab.

Was aus den geschätzt 700 bis 900 Mitarbeitern in Berlin wird, ist noch völlig offen. Schlecker betreibt in der Hauptstadt 195 Filialen, hinzu kommen 64-mal Ihr Platz. Hoffnung macht aber eine Aussage von Insolvenzverwalter Geiwitz: Er sehe Schlecker in Zukunft als einen Nahversorger in den Groß- und Vorstädten. mit rtr

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