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Wer schon mehr als 1000 Euro für das Brautkleid ausgegeben hat, wird auch beim Abendessen, der Ausstattung und bei der Live-Musik nicht sparen.

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Heiraten: Der teuerste Tag im Leben

Wenn sich zwei Menschen das Ja-Wort geben, freuen sich nicht nur die Angehörigen, sondern auch die Unternehmer. Für Friseure, Juweliere oder Schlossbesitzer ist die Liebe ein gutes Geschäft.

Wenn Prinz William seiner Kate am Freitag das Ja-Wort gibt, fragen sich Royal-Fans auf der ganzen Welt: Warum am Freitag? Am Samstag wären die Einschaltquoten sicher höher gewesen. Vielleicht wollte die königliche Familie den britischen Steuerzahler schonen. In Berlin zumindest ist eine Hochzeit am Wochenende teurer. Der Bezirk Mitte verlangt eine Extra-Gebühr von 60 Euro, wenn der Standesbeamte am Samstag traut. Und das ist erst der Anfang.

„Zuerst rechnet man jeden Posten zweimal durch“, seufzt eine Braut aus Prenzlauer Berg, sie heiratet im Mai. „Am Ende denkst du nur noch in Tausender-Schritten“. 2009 wurden in Berlin 12 557 Ehen geschlossen, deutschlandweit heirateten 376 000 Paare. Die Berliner Hochzeitsplanerin Antje Krüger schätzt, dass ihre Kunden im Schnitt 18 000 Euro für eine Hochzeit ausgeben. Sie selbst verlangt für die Organisation ein Honorar in der Regel von mehr als 1000 Euro, die Höhe ist abhängig von Umfang und Aufwand. Immer mehr Paare legen die stressige Vorbereitung in professionelle Hände. Der Bund deutscher Hochzeitsplaner hat schon elf Mitglieder.

Nicht nur die Weddingplaner verdienen an der Liebe. 56 Brautmodengeschäfte zählen allein die Gelben Seiten in Berlin, nicht aufgeführt sind die vielen kleinen Schneidereien. Die Preise reichen vom 400- Euro-Kleid bis zum Designer-Modell für mehrere zehntausend Euro. Hinzu kommen Schuhe, Kopfschmuck, eine Stola und der Brautbeutel fürs Taschentuch. „Da ist man schnell bei 2000 Euro und der Bräutigam hat noch nichts an“, sagt die Braut.

Teuer sind auch die Ringe. Beim aktuellen Goldpreis müsse man mit 1000 Euro rechnen für zwei schlichte, schmale Ringe, sagt Iris Naujoks von 2sam Trauringkurse. In ihrer Werkstatt in Mitte können Paare ihre Eheringe selbst schmieden, „das schweißt zusammen“. Dafür verlangt sie eine Kursgebühr von 60 Euro pro Person plus Materialkosten. Beim Ring ließen sich die Leute nicht lumpen, sagt Naujoks, „den will man schließlich ein Leben lang tragen“.

Zum Glück für die Hochzeitsindustrie sind verliebte Paare auch bei anderen Posten spendabel. „Wenn man sich schon einmal so viel Mühe für einen Tag gibt, will man auch ordentliche Fotos und gute Musik haben“, sagt Torsten Brutschin. Er ist Projektmanager bei der Messe Hochzeitswelt. Sie findet viermal im Jahr statt, die Novembermesse unterm Funkturm ist die größte in Deutschland. 2010 kamen 12 000 Besucher und mehr als 200 Aussteller, vom Floristen bis zum Tischkarten-Designer. Da gibt es Feuerwerk in Herzform, eine neun Meter lange Trabi-Limousine und einen Anbieter, der Riesen-Schmetterlinge fliegen lässt. Man kann Champagnerflaschen mit dem eigenen Namen versehen oder Schokolinsen mit Initialen bedrucken. „Der Trend geht zur Live-Unterhaltung“, sagt Brutschin. Ob Jazz-Band oder Zauberkünstler, „die Leute wollen den Gästen etwas bieten, was die Freunde im letzten Jahr nicht hatten.“ Es sind vor allem Frauen, die angesichts der 1000 Möglichkeiten überschnappen. Für Männer gibt es auf der Messe eine Aufbewahrungsstelle, wo sie Computer spielen oder auf eine Torwand schießen können.

Die wichtigste Frage aber ist: Wo wird geheiratet? Die Zeiten, wo man sich im muffigen Standesamt traute, sind vorbei, wenigstens für die Wohlhabenden. Für 280 Euro kann man im Berliner Zoo heiraten, im Flusspferdhaus. Da grunzen die Nilpferde schon mal in das Ja-Wort hinein, aber Tierfreunden ist das egal. In Mitte finden die meisten nicht-standesamtlichen Trauungen im Palais am Festungsgraben statt, 209 waren es im letzten Jahr. 185 Euro kostet das historische Schinkelzimmer, inklusive sind frische Blumen und ein gestimmter Flügel. Für 18-21 Euro pro Person bereitet Betreiber und Caterer Floris Vlasman einen Sektempfang mit Häppchen. Für die eigentliche Feier zieht es viele aufs Land. Für die Brandenburger Schlösser sind Trauungen zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden. „Wir machen 50 Prozent unseres Umsatzes mit Hochzeiten“, sagt Ursula Hahn vom Schloss Reichenow. Sie ist dort seit 1997 Pächterin und hat schon 1200 Feiern ausgerichtet. „Viele Frauen möchten eine Märchenhochzeit, mit weißem Pferd und Kutsche, und die kriegen sie hier.“ Das Pauschalangebot mit Abendbüffet liegt bei 98 Euro pro Person, Getränke und Übernachtung kosten extra. Dafür wird die Kaffeetafel am See aufgebaut, auf dem Schlossturm weht eine Fahne mit Herz, die Dorfkirche ist nebenan. Das Ambiente locke sogar Japaner und Amerikaner zum Heiraten nach Brandenburg, sagt Hahn.

Umgekehrt zieht es die Berliner Paare immer öfter ins Ausland. Bettina Hagedorn hat die Agentur The Tuscany Wedding gegründet, die in der Toskana nach Weingütern, Villen und Kirchen sucht und den Papierkram gleich miterledigt. „Hier kann man von Mai bis September im Freien heiraten und die Menschen sind entspannter“, sagt sie. Die Hochzeiten dauerten oft drei Tage, inklusive Weinprobe und Museumsbesuch. Kosten: Zwischen 50 000 und 100 000 Euro.

Wer auswärts heiratet, muss nicht auf seinen Lieblingsfriseur verzichten. Nadine Wagenknecht vom Salon Rosanna di Guiseppe telefoniert schon mal mit Kollegen an der Ostsee und erklärt, wie sich die Stammkundin ihre Brautfrisur vorstellt. Für 80 bis 100 Euro frisiert und schminkt sie Bräute in ihrem Salon. Zu dem Zeitpunkt dächten die Frauen schon gar nicht mehr ans Geld. Die meisten seien „total gestresst“. Das ändere sich, wenn sie hinterher zufrieden in den Spiegel schauten. Schließlich soll der teuerste Tag im Leben auch der schönste sein.

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