zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Henkel warnt vor rot-grüner Regierung

BDI-Chef: Dann gehen weitere Jobs verloren / Handelsblatt-Forum auf der Hannover-Messe HANNOVER (bbo/beu/phe/HB).Die Diagnose über den Patienten "Standort Deutschland" stellte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, auf dem Wirtschaftsforum des Handelsblatts "Standort Deutschland unter Reformdruck".

BDI-Chef: Dann gehen weitere Jobs verloren / Handelsblatt-Forum auf der Hannover-Messe HANNOVER (bbo/beu/phe/HB).Die Diagnose über den Patienten "Standort Deutschland" stellte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, auf dem Wirtschaftsforum des Handelsblatts "Standort Deutschland unter Reformdruck".Kurz vor dem Start des Euro bestehe kein Zweifel darüber, daß es so nicht weitergehen könne.In Deutschland gebe es nahezu fünf Millionen Arbeitslose, das Staatsdefizit werde noch immer zu leicht genommen, die anhaltende Investitionsdürre im Land werde nicht ernst genommen, das Auslandskapital mache weiterhin einen Bogen um Deutschland, und das Bildungssystem sei keineswegs besser als sein Ruf. Auch die Wiedervereinigung habe bislang nur materiell stattgefunden, nicht aber mit "Herz, Hand und Kopf".Zudem habe die Bundesrepublik kein Konzept für die Osterweiterung der Europäischen Union.Der Euro werde kommen, der Preiswettbewerb dadurch erheblich verschärft.Als riesige Herausforderung bezeichnete Walter zudem die demographische Entwicklung.Die Probleme der Altersversorgung und des Strukturwandels würden dadurch immer schwieriger, doch Politik und Gesellschaft stellten sich nicht ausreichend darauf ein. Als "Therapie" rief Walter nach neuen Koalitionen: Kinder und Enkel müßten sich vereinigen, um Druck auf die gegenwärtige politikausübende Generation zu machen.Auch der Mittelstand sollte sich zusammenschließen.Die Bundesrepublik brauche einen effizienteren Ordnungsstaat, die Staatsquote müsse bis zum Jahr 2000 erheblich abgesenkt und die Subventionen reduziert werden.Im Gegenzug habe der Staat verstärkt Aufgaben an Private abzugeben. Walter widersprach vehement die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD).Es bringe nichts, den Standort Deutschland schlechtzureden.Zudem habe es bereits einige Fortschritte gegeben.Als Beispiel nannte Simonis die Entwicklungen an den Hochschulen.Im übrigen sei die Frage zu stellen, warum die privaten Banken so wenig Risikokapital für junge Unternehmen zur Verfügung stellten.An deren Stelle müßten gegenwärtig häufig noch die öffentlichen Banken treten. Bei der Bewältigung der Strukturprobleme der Bundesrepublik stand die Diskussion um die Steuerreform im Vordergrund.Simonis verwies darauf, daß ihre Partei sowohl beim Einkommensteuerspitzensatz als auch bei den Unternehmensteuern Reduzierungen vornehmen werde.Eine Steuerreform bringe aber ohne eine aktive Beschäftigungspolitik für die Arbeitsplatzsituation nur wenig.Deshalb müßten vor allem die "aberwitzig hohen" Lohnnebenkosten reduziert werden. Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) und FDP-Chef Wolfgang Gerhardt konterten, ihnen sei schleierhaft, wie die SPD die Lohnnebenkosten senken wolle, wenn sie gleichzeitig die von der Koalition in den vergangenen Jahren realisierten Reformen zurücknehmen wolle.Die SPD müsse einen "versteckten Goldesel" haben, so Blüm.Simonis verwies darauf, daß die SPD eine Senkung der Lohnnebenkosten durch eine höhere Mehrwertsteuer oder auch eine höhere Energiebesteuerung erreichen wolle. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, kritisierte auf dem Forum wie zuvor bereits bei der traditionellen BDI-Pressekonferenz zum Auftakt der Hannover-Messe vor allem das Wahlprogramm der SPD.Er warnte vor einem Regierungswechsel in Bonn.Denn dann drohten noch mehr Staat, noch mehr Belastungen für Bürger und Unternehmen und ein weiterer Abbau von Arbeitsplätzen.Das SPD-Programm sei eher "reaktionär als Blair", kritisierte Henkel.Es trage zum Teil die richtigen Überschriften, habe aber eindeutig die falschen Rezepte im Kleingedruckten.Die angekündigte Rücknahme der bereits erreichten Reformschritte stehe im eklatanten Widerspruch zu den Erklärungen ihres Kanzlerkandidaten.Auch die Vorschläge für eine Steuerreform seien völlig unzureichend. Der anvisierte Spitzensteuersatz von 49 Prozent stehe für die Fortsetzung einer forcierten Umverteilungspolitik.Von einer Netto-Entlastung der Unternehmen sei keine Rede.Letztlich plane die SPD eine Umverteilung von 46 Mrd.DM zu Lasten der Unternehmen.Er bemängelte, daß die SPD die Höhe des Einkommensteuersatzes für gewerbliche Einkünfte bewußt offenlasse.Tatsächlich werde die Politik einer rot-grünen Koalition eher zwischen den Parteiprogrammen der SPD und der Bündnisgrünen liegen, Von denen drohe nach dem Magdeburger Parteitag die Einführung von acht neuen Steuern. Die CDU setze dagegen mit dem Diskussionsentwurf von Wolfgang Schäuble die richtigen Prioritäten.Die Unionsparteien müßten die mittelständischen Unternehmen aber deutlicher entlasten.Sehr gut gefallen habe ihm der Leitspruch des FDP-Parteitages "Mehr netto für alle", sagte Henkel.Nicht teilen könne er allerdings die Forderung der Liberalen nach einem dritten Mehrwertsteuer-Satz auf Energie.Dieser sei nicht erforderlich und überdies nicht EU-konform. Henkel: "Das neue Rekorddefizit bei den Direktinvestitionen von 42 Mrd.DM in 1997, die inzwischen auf unter zwei Prozent gesunkene durchschnittliche Nettoumsatzrendite, eine auf 18 Prozent gefallene Eigenkapitalausstattung beim industriellen Mittelstand und ein erneuter Insolvenzrekord unterstreichen die Dringlichkeit von Reformen am Standort Deutschland." Den Wert dieser Reformen mißt Henken an drei Prüfsteinen: der steuerlichen Entlastung von Unternehmen und Privaten, der Selbstverantwortung und Eigenvorsorge in den Systemen der sozialen Sicherung sowie der Verwirklichung eines schlanken Staates.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false