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Wirtschaft: Herbsteinbruch beim Wirtschaftsklima

Volkswirte sind für die kommenden sechs Monate überraschend pessimistisch – Kanzler glaubt an die Erholung

Berlin Die Aussicht auf ein wieder nachlassendes Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr trübt das Konjunkturklima in Deutschland. Im September zeigten sich Finanzmarktexperten deutlich pessimistischer als noch im August. Der vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ermittelte Konjunkturindikator sank überraschend von 45,3 auf 38,4 Punkte.

Volkswirte sprachen nach der Bekanntgabe am Dienstag von einem Schock für die Europäische Zentralbank, die Anfang des Monats ihre Wachstumsprognose für den Euroraum angehoben hatte. Ein Zinsanstieg in Europa vor Mitte kommenden Jahres werde nun immer unwahrscheinlicher. Der Dax reagierte kaum und notierte zum Handelsschluss 0,1 Prozent niedriger bei 3947,75 Punkten.

Thomas Amend, Volkswirt bei HSBC Trinkaus&Burkhardt, warnte indes davor, die ZEW-Zahlen zu dramatisieren. „Wir haben in der Vergangenheit schon größere Schwankungen beim ZEW-Indikator erlebt“, sagte er dem Tagesspiegel. Gleichwohl setze sich mit dem September-Ergebnis der Trend fort, wonach die Konjunkturerwartungen für 2005 deutlich zurückgeschraubt würden. „Wenn die Weltwirtschaft an Kraft verliert, wird das negativ auf unsere Konjunkturstütze, den Export, wirken“, warnte er. „Vorsicht ist 2005 deshalb angebracht.“

In der vergangenen Woche hatte das Institut für Weltwirtschaft (IfW) seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr nach unten korrigiert. Der Aufschwung der Weltwirtschaft habe seinen Höhepunkt bereits überschritten. Für Deutschland erwartet das Institut ein Wachstum von 1,9 Prozent in diesem Jahr, das sich 2005 auf 1,2 Prozent abschwächen werde. Grund für die abnehmende Tendenz sei unter anderem der Ölpreis. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) war hingegen bei seiner Prognose von zwei Prozent Wachstum im Jahr 2005 geblieben.

Das ZEW erläuterte am Dienstag, der niedrigere September-Index sei auch darauf zurückzuführen, dass die Finanzexperten keine nachhaltige Erholung der deutschen Binnennachfrage erwarteten. Dies liege auch am hohen Ölpreis, der Kaufkraft binde. Mit Blick auf die aktuelle Konjunktursituation sind die Experten hingegen optimistischer, weil sich die Industrieproduktion zuletzt deutlich erholt habe. Untermauert wurde dies am Dienstag vom Maschinenbau. Bei der Eröffnung der „Internationalen Ausstellung für Metallbearbeitung“ erklärten die Werkzeugmaschinenhersteller in Stuttgart, sie rechneten für dieses Jahr mit einem Produktionswachstum von vier Prozent. 2003 hatten sie Maschinen für 6,9 Milliarden Euro produziert. 63 Prozent der Produktion werden exportiert.

Ob sich die erwartete nachlassende Dynamik der Weltwirtschaft im kommenden Jahr auch preisdämpfend auf dem Rohölmarkt auswirkt, ist zweifelhaft. „Die konjunkturell bedingte Ölnachfrage dürfte zwar weniger stark steigen“, sagte Klaus-Jürgen Gern vom IfW. „Aber sie steigt.“ Angesichts der knappen Förderkapazitäten sei keine durchgreifende Entspannung auf dem Ölmarkt zu erwarten.

Auch für den Arbeitsmarkt sieht es nicht gut aus. HSBC-Volkswirt Amend zufolge ist 2005 eine „Trendwende nicht in Sicht“. Bundeskanzler Gerhard Schröder sieht dennoch Anzeichen für eine Erholung. Wer in Deutschland wirtschaftliche Entscheidungen treffen wolle, solle sich an der vorzüglichen Entwicklung der Weltwirtschaft und daran orientieren, dass die Binnenkonjunktur langsam in Bewegung komme, sagte er. mot/dpa

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