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Wirtschaft: Herbststürme fegen über das Parkett: Zinsangst, Jahrtausendwechsel und Rohstoffpreise sorgten für rauhes Klima

"Wenn die Blätter fallen, fallen auch die Kurse" - nur bis Mitte des Börsenmonats September konnte der Dax dieser Börsenweisheit trotzen. Dann fegten die ersten Herbststürme über die Börse und drückten den Index von 5400 auf knapp 5150 Punkte - ein Verlust von rund fünf Prozent.

"Wenn die Blätter fallen, fallen auch die Kurse" - nur bis Mitte des Börsenmonats September konnte der Dax dieser Börsenweisheit trotzen. Dann fegten die ersten Herbststürme über die Börse und drückten den Index von 5400 auf knapp 5150 Punkte - ein Verlust von rund fünf Prozent. Ohne Zweifel: Die Großwetterlage für deutsche Aktien ist ungemütlicher geworden.

Vor allem die stark angestiegenen Zinsen wirken wie ein Bremsklotz für die Kurse. Immerhin sind die Renditen am heimischen Kapitalmarkt seit März diesen Jahres um mehr als einen Prozentpunkt gestiegen. "Die Bewertungsrelationen von Aktien und Renten hat das deutlich verändert", weiß Karl-Dietrich Gräff, Wertpapierstratege der Commerzbank. Immerhin werfen zehnjährige Bundesanleihen inzwischen "sichere" fünf Prozent ab. Für die vergleichsweise riskanten Dividendentitel eine harte Konkurrenz. Zumal sich die Gewinne und damit die Kurschancen bei vielen Unternehmen nicht so üppig entwickeln, wie noch vor einem halben Jahr von vielen Analysten angenommen. "Am Anfang des Jahres gab es einen deutlichen Bewertungsabschlag zugunsten der Aktie", erklärt Gräff. "Viele Marktteilnehmer haben damals einige Titel vor allem wegen der Dividendenrendite gekauft. Die schichten jetzt um." Steigende Zinsen und Gewinnenttäuschungen machen Börsianern aber nicht nur hierzulande zu schaffen. Auch die US-Börsen stehen unter Druck. In den letzten Wochen hat der Dow Jones-Index über 1000 Punkte verloren - mit Folgen für den Dax. "Der Dax ist im Moment wieder voll in das Fahrwasser der Wall Street geraten", beobachtet Hans-Peter Ewert, Analyst bei der BfG-Bank. Sorge bereitet vielen Anlegern der starke Preisanstieg bei Rohstoffen - allen voran beim Rohöl. "Das sorgt für Druck auf die Preise", analysiert Gräff, "die Notenbanken könnten sich gezwungen sehen, an der Zinsschraube zu drehen."

Stärker in den Blickpunkt der Anleger rückt auch der Jahrtausendwechsel. Die Unsicherheit darüber, ob die Computer den Datumssprung wohl problemlos schaffen, ist groß. Vor allem Großinvestoren beginnen deshalb schon jetzt damit, ihre Millionen auf Festgeldkonten zu bunkern als Aktien zu kaufen. Folge: Der Aktienmarkt verliert Liquidität. Bei starken Kursrückschlägen raten Experten allerdings zum Zugreifen. "Bei 4800 Punkten würden wir die Hand aufhalten", rät Commerzbanker Gräff. "Die Konjunktur kommt in Schwung, und deutsche Unternehmen haben deutliche Produktivitätssteigerungen erzielt. Das bringt Gewinnfantasie." Auch Hans-Peter Ewert von der BfG-Bank ist optimistisch. "Wichtige Stimmungsbarometer deuten auf einen konjunkturellen Aufschwung hin," so der Experte, "und was letzten Endes zählt, sind die Fundamentaldaten. Wenn die Gewinnaussichten besser werden, sollte steigenden Aktienkursen nichts mehr im Wege stehen."

Allerdings wird es in Zukunft wohl nicht mehr so leicht, an der Aktienbörse Geld zu verdienen. Einen Vorgeschmack darauf lieferte der September. Unter den Dax-Titeln ragte im September SAP mit einem Plus von 12,83 Prozent heraus. "Eine Reaktion auf die lange Zeit stiefmütterliche Behandlung durch die Börse", glaubt Alfred Schoengraf von Dellbrück Asset Management. Nach Meinung vieler Branchenexperten hatte die Softwareschmiede lange Zeit den Anschluss an das Internet verpasst. Dazu brachen die Umsätze in Asien weg. Mit der Einführung des neuen Produkts "MySAP.com" sollen wieder bessere Zeiten anbrechen. "Ob das der Durchbruch an der Börse war, bleibt aber abzuwarten", warnt Analyst Schoengraf. "Die Neun-Monats-Zahlen werden sicherlich noch nicht so überragend sein, wie früher. Aber es wird sich eine Entspannung im vierten Quartal abzeichnen." Zu den Gewinnern zählte auch das Allianz-Papier. Lange belasteten Zinsanstieg und die Diskussion um die steuerliche Behandlung von Lebensversicherungen den Kurs. Doch gute Zahlen für das erste Halbjahr überraschten die Analysten. Viktor Heese von der WGZ-Bank traut dem Wert eine überdurchschnittliche Kursentwicklung zu. Auffallend ist die Reihe der Verlierer. Mit Thyssen-Krupp , Veba, Viag und Degussa-Hüls finden sich auffallend viele, die noch vor kurzem von ihren Fusionsmeldungen profitierten. An der Börse setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass es mit Firmenehen nicht anders ist als mit dem richtigen Bund im Leben: Nach einiger Zeit kommt der Alltag - und der ist nicht so spannend wie anfangs angenommen.

Peter Hein

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