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One Way. Wer für ein Unternehmen ins Ausland geht, hat danach keine Garantie auf einen Karrieresprung in der Heimat. Jeder dritte Rückkehrer ist unzufrieden mit seiner Jobsituation. Versprechen werden nicht gehalten, frühere Ansprechpartner sind oft nicht mehr da. Foto: dpa

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Wirtschaft: Hin und weg

Ein Auslandseinsatz wird von vielen nicht mehr als sinnvoller Karrierebaustein empfunden – sondern als Risiko.

Extrem enttäuscht war Auslandsmanager Dirk Elwert* bei seiner Heimkehr in die Deutschland-Zentrale. "Nicht mal ein Schreibtisch war für mich vorgesehen, geschweige denn ein Job", erzählt der Ingenieur, der in China sieben Jahre erfolgreich eine Division für einen Technologiekonzern geleitet hatte. Von der vor seiner Abreise verabredeten Beförderung auf eine höhere Konzernposition wusste der neue Leiter von Elwerts Abteilung erst recht nichts.

Dirk Elwert ist kein Einzelfall. Derzeit herrscht ein starker Rückkehrwunsch unter Auslandsmanagern und ihren Familien - etwa aus Krisenregionen wie Ägypten oder Syrien. Aber auch aus Wachstumsmärkten wie China, Indien, Brasilien oder Russland will so mancher der Expatriates, kurz Expats, trotz Gehaltszulagen und Extras wie Personal, wieder weg. Zu groß sind die kulturellen Unterschiede, zu ungünstig der Alltag für die Familie.

Die Rückkehrer treffen auf Arbeitgeber, die fusionieren, Hierarchien abbauen oder Sparten schließen wie aktuell Siemens, einer der größten deutschen Entsender. „Etliche Rückkehrer erwartet deshalb statt des erwarteten Karrieresprungs das Ende des Aufstiegs im eigenen Haus“, sagt Achim Heuser. Der Jurist berät deutsche Unternehmen bei Entsendungen.

Das allerdings ist kein typisch deutsches Phänomen, wie eine Umfrage der Wirtschaftsberatung Ernst & Young bei rund 570 Unternehmen, davon 202 europäische, bestätigt. Laut den Ergebnissen, wechseln weltweit etwa elf Prozent innerhalb von zwei Jahren nach abgeschlossener Entsendung ihren Arbeitgeber. Dass die Rückkehr mit einer Beförderung inklusive Gehaltsplus und mehr Verantwortung verbunden ist, können viele Expats vergessen: Gut ein Viertel kehrt allenfalls auf den alten Posten zurück. Macht zusammen mehr als ein Drittel der wertvollen Know-how-Träger, die danach unzufrieden sind. Und das, obwohl viele für die Auslandsstation privat große Belastungen auf sich nehmen.

Ein Potenzial, dass Chefs nicht verschleudern dürften. Und eine Investition, die sich so nicht rechnet: Schließlich ist ein Entsandter drei- bis sechsmal so teuer wie ein Mitarbeiter, der zu Hause bleibt. Doch „bei den meisten Unternehmen herrscht in Sachen Rückkehrer das ,Prinzip Beckenbauer': Schau'n mer mal“, sagt Albrecht von Bonin.

Der Personalberater unterstützt rückkehrwillige Expatriates, denen ihre Firma keine Zukunft bietet. Die Expats klagen ihm ihr Leid: Oft haben die Daheimgebliebenen sie karrieretechnisch bereits überholt oder den Auslandsmanagern werden Jobs weit unterhalb ihren Fähigkeiten oder an unattraktiven Orten – Stichwort Sibirien – offeriert. Denn die Mehrzahl der Arbeitgeber gibt lediglich die Losung aus, jedem Entsendeten, dessen Arbeitsvertrag zu Hause ruht, bei der Heimkehr eine „angemessene“ Position im Inland zu bieten. Ein dehnbarer Begriff. Um Frust und Fluktuation vorzubeugen, „muss das Talentmanagement der Arbeitgeber globaler werden“, fordert Ulrike Hasbargen, Partnerin bei Ernst & Young.

Unternehmen legen zu wenig Wert auf die persönliche Betreuung bei Auslandsentsendungen. Dabei ist eine engere Anbindung wichtiger denn je. Schließlich soll die Zahl der Entsendungen bei rund 60 Prozent der von Hasbargen befragten Unternehmen in den kommenden drei Jahren weiter steigen, vor allem um neue Märkte zu erschließen. Hat man früher dafür Manager geschickt, die dem Chef als verlängerter Arm dienten und sich vor ihrer Beförderung international bewähren sollten, „bekommen Expats heute oft die strategische Aufgabe, ihren Nachfolger vor Ort einzuarbeiten“, sagt Susan Meinert. Sie ist beim Baumaschinenhersteller Caterpillar zuständig für Entsendungen.

Expertise weitergeben oder ein Werk errichten – die Auslandsstation wird zu einem Projekt von vielen in der beruflichen Laufbahn. Da ist es gut, wenn sich die Erwartung der Expats anpasst. Kluge Arbeitgeber unterstützen das. „Schon vor der Ausreise besprechen wir mit dem Expat Entwicklungsschritte, die im Ausland und später in der Zentrale möglich sind. Es ist wichtig, die Erwartungen der Mitarbeiter zu kennen, um Enttäuschungen bei der Rückkehr auszuschließen“, sagt Elke Lücke. Sie ist bei Volkswagen verantwortlich für die weltweiten Entsendungen. Ungewöhnlicherweise gibt der Autokonzern dann sogar eine schriftliche Jobgarantie und verspricht, dass Beförderungen im Ausland auch zu Hause Gültigkeit haben. Bei Management-Planungsrunden sorgen Personaler und Fachvorgesetzte gemeinsam dafür, dass ihre Mitarbeiter im Ausland für Vakanzen daheim in Betracht gezogen werden. Aus Deutschland hat VW derzeit rund 2000 Mitarbeiter entsendet.

Zunehmend werden Expats in China eingesetzt. Meist fernab der Metropolen. Damit Kollegen sich ein realistisches Bild ihres künftigen Zuhauses machen können und nicht unangenehm überrascht werden, schnürt VW vorab ein dickes Info-Paket: Bei „China Experience“-Abenden informieren Experten Mitarbeiter und ihre Angehörigen über Land und Leute. Weil immer mehr Begleiter selbst berufstätig sind und es auch bleiben wollen, „prüfen wir, ob VW nicht auch das Know-how der mitreisenden Partner nutzen kann“, sagt Lücke. So haben schon Grundschullehrer eine neue Wirkungsstätte in einer werkseigenen Schule in China gefunden.

Wer ernsthaftes Interesse signalisiert, dem spendiert der Automobilhersteller Chinesischkurse und einwöchige Trips für die Familie, damit die sich genauer über Jobs, Wohnungen und Schulen informieren können. Abgerundet wird das Komfortpaket durch interkulturelle Trainings, um die Eingewöhnung im Reich der Mitte zu gewährleisten. Denn sonst nützt das dickste Vergütungspaket nichts, wie die Studie auch zeigt: Entsendungen, die über finanzielle Anreize zustande kommen, gehen am häufigsten schief. (HB)

*Name von der Redaktion geändert.

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