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Bessere Zeiten. Ende der 90er Jahre konnten Sparer noch deutlich höhere Zinsen kassieren.

© Oliver Berg/dpa

Update

Historisch niedrige Zinsen: Deutschen Sparern entgehen 190 Milliarden Euro

Die einen klagen, der andere freut sich: Während deutsche Sparer kaum noch oder gar keine Zinsen mehr auf ihre Ersparnisse bekommen, spart der Finanzminister Milliarden.

Von Carla Neuhaus

Schneller Reichtum? Das war einmal. Steckt man sein Erspartes heute in zehnjährige deutsche Staatsanleihen, dauert es 386 Jahre, bis sich das Vermögen verdoppelt. Das hat Asoka Wöhrmann ausgerechnet, Anlagestratege der Deutschen Bank. Immerhin kann er darüber noch lachen. Am Donnerstag verschickte er eine Rundmail mit einem Bild im Anhang: Es zeigt ein Sparschwein neben einem Mammut und einem Säbelzahntiger. Wöhrmanns These: Wie die beiden wird auch das Sparschwein aussterben. „Für Anleger, die ihr Vermögen bewahren oder vermehren wollen, ist die Situation schwierig“, schreibt er.

Wie ernst die Lage tatsächlich ist, zeigt eine Studie, die die DZ Bank am Donnerstag vorgelegt hat. Demnach haben die Deutschen als Folge der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) in den letzten fünf Jahren bereits 190 Milliarden Euro eingebüßt. Auf so viel Geld haben Sparer verzichten müssen, weil die Zinsen so stark gesunken sind. Zwar haben Verbraucher im Vergleich zum „Normalzinsniveau“ auch 78 Milliarden Euro an Kreditzinsen eingespart – etwa weil sie ein Eigenheim derzeit so günstig finanzieren können wie nie. Ausgleichen kann das den Verlust aber nicht. Unter dem Strich steht für die deutschen Sparer ein dickes Minus. Im Durchschnitt hat die Niedrigzinspolitik jeden Bundesbürger in den letzten fünf Jahren um 1366 Euro gebracht. Und Besserung ist nicht in Sicht.

Erst in fünf bis acht Jahren dürfte die Euro-Zone zu normalen Zinsen zurückkehren

Am kommenden Donnerstag entscheiden die europäischen Notenbanker wieder einmal über den Leitzins, an dem sich Banken mit ihren Konditionen orientieren. Derzeit liegt er auf einem Rekordtief von 0,05 Prozent. Und vieles spricht dafür, dass das so bleibt. Denn solange die Wirtschaft im Süden Europas nicht wieder anspringt, gibt es keinen Grund für die EZB, die Zinsen anzuheben. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IFW) rechnet damit, dass die Zinsen frühestens in zwei Jahren wieder steigen. Mit einer „Rückkehr zu Normalzinsen“ rechnen die Wissenschaftler sogar erst in fünf bis acht Jahren.

Während das Sparer quält, freut es all jene, die Schulden haben – allen voran den Staat. Er kann sich derzeit zu so guten Konditionen refinanzieren wie nie. Die IFW-Forscher haben ausgerechnet, dass die Bundesrepublik aufgrund der lockeren Geldpolitik bis 2030 Zinszahlungen in Höhe von 160 Milliarden Euro einspart. Allein in diesem Jahr muss der Staat den Anlegern, die Bundesanleihen kaufen, 20 Milliarden Euro weniger an Zinsen zahlen, als das in der Vergangenheit im Schnitt der Fall war.

Zum Teil verdient der Staat mittlerweile sogar, wenn er sich Geld leiht. Die Renditen für Bundespapiere fallen immer weiter. Erst am Donnerstag haben sie neue Tiefststände erreicht. Die Rendite zweijähriger Bundesanleihen fiel auf minus 0,289 Prozent, auch auf achtjährige Papiere gab es mit 0,001 Prozent erstmals eine negative Rendite. Das ist eine verkehrte Welt: Auf einmal müssen Sparer und Investoren zahlen, um ihr Geld sicher anzulegen.

Wie lange können sich die Banken die niedrigen Zinsen noch leisten?

Und das dicke Ende dürfte noch kommen. So stellt sich die Frage, wie lange sich die Banken die niedrigen Zinsen noch leisten können. Gerade Regionalinstitute wie die Sparkassen sitzen auf großen Beständen von Einlagen. Weil es ihnen nicht gelingt, sie vollständig als Kredite an Unternehmen auszureichen, müssen sie sie anlegen. Doch dafür bekommen sie kaum noch Geld. Bringen sie die Einlagen zur Europäischen Zentralbank, zahlen sie darauf sogar bereits einen Strafzins.

Je schlechter die Banken sich jedoch refinanzieren können, desto mehr sparen sie an den Konditionen für ihre Kunden. Noch ist zwar keine Bank dem Vorbild der thüringischen Skatbank gefolgt, die von Privatkunden ab einem Guthaben von 500 000 Euro eine Strafgebühr verlangt. Doch holen sie sich das Geld auf andere Weise. Viele Institute erhöhen derzeit ihre Gebühren fürs Girokonto. Das sorgt für weniger Wirbel als ein Strafzins – hat aber einen ähnlichen Effekt: Die Kunden zahlen mehr, um ihr Geld zur Bank zu bringen. Und Stellschrauben, an denen die Institute drehen können, gibt es viele: Die einen erhöhen die monatliche Gebühr fürs Konto, die anderen verlangen Geld für die Überweisung auf Papier, wieder andere steigern die Kosten für die Kreditkarte.

Klar ist: Für Kleinanleger wird es nicht einfacher. Angesichts niedriger Zinsen und höherer Gebühren suchen sie nun verstärkt nach Anlage-Alternativen. Banker raten seit Monaten schon dazu, mehr Aktien zu kaufen. Denn während die Kurse zuletzt immer weiter gestiegen sind, hatten die Deutschen davon wenig. Sie legen ihr Geld traditionell aus Angst vor dem Risiko lieber nicht am Aktienmarkt an. Während Spanier zum Beispiel 27 Prozent ihres Vermögens in Aktien stecken, investieren die Deutschen nur 9,8 Prozent ihres Geldes in die Papiere.

Womöglich zu Recht? So schreibt die DZ Bank nun, mit den steigenden Preisen für Aktien und Immobilien wachse auch das Risiko, „dass es zu Übertreibungen und zur Bildung von Preisblasen kommt“.

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