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Gute Miene. Tuomo Hatakka vor einem Modell des Gaskraftwerks Klingenberg. Foto: Davids

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Wirtschaft: Holländer greifen Vattenfall an

Netzbetreiber Alliander will in Berlin einsteigen. Vattenfall-Chef Hatakka spricht von einer Existenzkrise.

Berlin - Ein überzeugendes Dementi klingt anders. „You never know“, antwortete Tuomo Hatakka auf die Frage, ob ein Rückzug von Vattenfall aus Berlin und Deutschland denkbar sei. „Auf absehbare Zeit“, und damit meint er drei oder vier Jahre, werde der schwedische Staatskonzern hierzulande wohl noch präsent sein. Trotz bedrohlicher Bedingungen. Die Energiewende macht dem aus Finnland stammenden Chef der deutschen Vattenfall das Leben schwer. „Wir alle haben das unterschätzt“, räumte Hatakka am Mittwochmorgen bei einem Vortrag in der IHK ein. Und nun stecke man in einer „existenziellen Krise“, die der Konzern mit „Konsolidierung“ zu überstehen versuche: Kosten runter, Abbau von 1500 Arbeitsplätzen in Deutschland, weniger Investitionen und Verkauf von Randbereichen.

Vor wenigen Wochen hatte die Unternehmensspitze in Stockholm eine neue Struktur angekündigt mit den zwei Bereichen Skandinavien und Kontinentaleuropa. Sinn der Sache nach Einschätzung Hatakkas: „Das Engagement auf dem kontinentaleuropäischen Energiemarkt reduzieren.“ Das kann aus eigenem Willen passieren, etwa indem der Konzern das sächsische Braunkohlekraftwerk Lippendorf zum Verkauf stellt. Oder Vattenfall wird zum Rückzug gezwungen, falls in diesem Herbst die Bürger in Volksabstimmungen in Hamburg (22. September) und Berlin (3. November) die jeweiligen Landesregierungen beauftragen, das Stromnetz von Vattenfall zu übernehmen.

„Mit dem Volksentscheid haben wir überhaupt kein Problem“, sagte Hatakka. Schließlich akzeptiere man die Spielregeln und Spielarten in der Demokratie. „Aber was soll besser werden, wenn das Land das Netz betreibt? Und wie passt eine zusätzliche Belastung des Landes, die nichts für Klimaschutz und Versorgungssicherheit bringt, in die Zeiten der Schuldenbremse?“ Und das Land könne auch kaum die 1,2 Milliarden Euro in die Modernisierung des Netzes investieren, die Vattenfall für die kommenden zehn Jahre veranschlagt.

Der niederländische Netzbetreiber Alliander hätte das Geld. Als einziges Unternehmen bewirbt sich Alliander für die Konzessionen zum Betrieb des Berliner Gas- und des Stromnetzes. Beim Gasnetz sind nur die Gasag und Alliander im Spiel, um das Stromnetz bewerben sich neben Alliander und Vattenfall auch die landeseigene Berlin Energie sowie vier weitere Unternehmen oder Gesellschaften, die aber kaum Chancen haben. Die Konzession des Gasnetzes wird Ende des Jahres vom Land Berlin vergeben, ein Jahr später folgt das Stromnetz. „Wir wollen das Netz kaufen“, bekräftigte der Chef von Alliander-Deutschland, Ton Doesburg, am Mittwoch im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Dabei könne er sich auch gut ein Joint-Venture mit dem Land Berlin vorstellen, also Berlin und Alliander gemeinsam als Eigentümer der örtlichen Energienetze. „Wir sind für Rekommunalisierung.“ Alliander betreibt das Netz des holländischen Stromversorgers Nuon, der wiederum vor ein paar Jahren für mehr als acht Milliarden Euro von Vattenfall übernommen wurde. Diese Summe gilt als deutlich überzogen – und trägt heute dazu bei, dass Alliander volle Kassen hat und Vattenfall unter einem hohen Schuldenstand ächzt.

Alliander versorgt rund 3,3 Millionen Personen mit Energie, darunter die meisten in den Niederlanden, aber auch in einigen deutschen Kleinstädten wie Hennigsdorf und Heinsberg. Das Unternehmen im Besitz von holländischen Kommunen will in Berlin unbedingt Gas- und Stromnetz zusammen betreiben, um effizienter zu sein. Dann seien auch geringere Netzgebühren und in der Folge niedrigere Energiepreise für die Berliner möglich, meinte Doesburg.

Hatakka dagegen geht von weiter steigenden Energiepreisen aus, weil die EEG–Umlage für Grünstrom 2014 weiter steigen werde. Nach der Bundestagswahl müsse schleunigst der Ausbau der Erneuerbaren gestoppt werden, denn mit dem jetzigen Ausbautempo wären sonst im Jahr 2020 Erzeugungskapazitäten von 220 000 Megawatt installiert – rund zweieinhalbmal so viel, wie tatsächlich gebraucht werde. Kürzlich hatte Hatakka im Zusammenhang mit den Erneuerbaren von einem „Monster“ gesprochen.

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