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IG Metall

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IG Metall: Tarifkompromiss gefährdet keine Jobs

Sie wollen acht Prozent mehr Lohn und bekommen nur 4,2 Prozent. Das sorgt für Grummeln an der Metaller-Basis. Dabei können die Beschäftigten eigentlich ganz zufrieden sein, sagen Experten.

Die Lohn- und Gehaltserhöhung für die deutschen Metaller wird nach Ansicht von Experten keine Arbeitsplätze kosten. "Weitaus entscheidender als erhöhte Lohnkosten ist die Frage, wie lange die schlechte Auftragsentwicklung anhält", sagte der Tarifexperte Hagen Lesch vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft am Donnerstag in Köln. Für Empörung auf Gewerkschaftsseite sorgte der Ausstieg des Chipherstellers Infineon aus dem Arbeitgeberverband VBM. Der kriselnde Konzern will die am Mittwoch beschlossene Erhöhung von stufenweise 4,2 Prozent nicht mittragen. Die IG Metall kündigte Beratungen über einen Arbeitskampf bei Infineon an. Weitere Unternehmen wollen dem Schritt nicht folgen. Allgemein wurde der Kompromiss von Sindelfingen als "Sieg der Vernunft" bewertet.

Traditionell hat die Einigung im Südwesten Pilotcharakter für die anderen Tarifgebiete. Am Donnerstag übernahmen auch in Nordrhein-Westfalen Arbeitgeber und Gewerkschaft das Ergebnis aus Baden-Württemberg. "Wir haben den Abschluss eins zu eins übernommen", sagte der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Horst-Werner Maier-Hunke in Neuss. Auch IG-Metall-Bezirksleiter Oliver Burkhard bestätigte die Einigung für die rund 700.000 Beschäftigten der Branche in NRW. Außer 4,2 Prozent mehr Geld gehören dazu auch Einmalzahlungen. Mit einem Arbeitskampf wäre voraussichtlich kein wesentlich höheres Ergebnis erzielbar gewesen, sagte Burkhard. Zugleich betonte er: "Das ist kein Ergebnis für Freudentänzer und die Applauskurve."

Metaller-Basis grummelt

An der Metaller-Basis sorgte die vergleichsweise moderate Erhöhung, die weit unter der ursprünglichen Forderung von acht Prozent lag, vielerorts für Grummeln. Aber die am Donnerstag auch offiziell bestätigte Rezession mache keinen höheren Abschluss möglich, hieß es. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sank das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal um 0,5 Prozent - Fachleute sprechen bei zwei Minus-Quartalen in Folge von einer Rezession. Besonders drastisch ist der Einbruch in Schlüsselbranchen der Metaller, wie der Autoindustrie.

Im Opel-Werk Eisenach waren die Beschäftigten deshalb trotz einzelner kritischer Stimmen zufrieden. "Unter den gegebenen wirtschaftlichen Umständen ist das ein exzellentes Ergebnis", sagte Betriebsratschef Harald Lieske. Der Großteil der Belegschaft habe erkannt, dass jetzt nicht die Zeit für einen Arbeitskampf sei. Der Betriebsratschef der Hamburger Werft Blohm & Voss Repair, Manfred Csambal, sagte: "Die Kollegen hätten sich einen Abschluss nahe an der "Fünf" gewünscht. Nun ist eine Ernüchterung eingetreten, aber kein Zorn." Die IG Metall habe herausgeholt, was herauszuholen war. "An den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kam sie nicht vorbei."

"Ergebnis für beide Seiten vertretbar"

Der Arbeitgeberverband Südwestmetall rechnet unterdessen nach dem Tarifabschluss nicht mit Austritten wie bei Infineon in Bayern. Bisher sei keiner der mehr als 1000 Mitgliedsbetriebe ausgeschert, sagte Sprecher Hubertus Engemann. "Der Tarifvertrag bietet viel betriebliche Flexibilität mit der Unternehmen in schwierigen Situationen gut reagieren können." Auch Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche lobte das erzielte Ergebnis: "Aus unserer Sicht ist dieser Abschluss ausgewogen. Es ist vor allem erfreulich, dass unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen am Verhandlungstisch eine Lösung gefunden werden konnte", sagte Zetsche.

Der Tarifexperte Lesch bewertete das Plus von 4,2 Prozent trotz Rezessionssorgen und Absatzeinbrüchen in der stark gebeutelten Autobranche als vertretbar. Vor allem die flexiblen Regelungen ließen Unternehmen in Krisenzeiten die erforderliche Luft zum Atmen. "Das ist endlich mal ein Tarifkompromiss mit dem beide Seiten leben können - ohne sich die Ergebnisse schönzurechnen." Besonders die mögliche Verschiebung der zweiten Erhöhungsstufe von 2,1 Prozent sei sinnvoll. Diese Stufe ist für Mai 2009 geplant, kann aber in Unternehmen mit Problemen auch bis spätestens Dezember verschoben werden. "Das hilft in der derzeitigen Lage", sagte Lesch.

Insgesamt arbeiten in der deutschen Metall- und Elektrobranche 3,6 Millionen Menschen. "Das Rückgrat der Wirtschaft" machte 2007 in den knapp 23 000 Betrieben einen Umsatz von insgesamt 947 Milliarden Euro. Die Arbeitgeber hatten auf eine Einigung gedrungen, da bundesweite Streiks die aktuelle Krise weiter verschärft hätten. (bai/dpa)

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