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Wirtschaft: IG Metall wirft Bombardier Wortbruch vor

Bahntechnikkonzern streicht 6600 Stellen – auch das Werk Ammendorf mit 800 Mitarbeitern wird dicht gemacht

Berlin (fo). Die Pläne des kanadischen Bahntechnikherstellers Bombardier, sein Werk in HalleAmmendorf mit 800 Mitarbeitern im Jahr 2005 zu schließen, stößt auf heftige Kritik der IG Metall. Hartmut Meine, der zuständige Bezirksleiter, bezeichnete die Entscheidung als „verantwortungslos“ und „dreisten Wortbruch“. Vor zwei Jahren wollte Bombardier schon einmal dieses Werk in Sachsen-Anhalt schließen. Nach Interventionen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) einigte sich der Konzern aber mit dem Land und der Gewerkschaft auf einen Standortsicherungsvertrag. Die Fahrzeugproduktion in Ammendorf sollte auslaufen – noch werden dort S-Bahnen für Berlin gebaut – und das Werk in einen Servicestandort umgewandelt werden. Bis Ende 2006 sollte die Vereinbarung mehr als 600 Arbeitsplätze sichern.

Das Aus für das Ammendorfer Werk ist Bestandteil eines umfangreichen Sanierungsprogramms für die Eisenbahnsparte des Konzerns. Europaweit sollen insgesamt sieben Werke geschlossen werden. Rund 6600 Stellen will das Unternehmen streichen, 1500 davon in Deutschland. Weltweit beschäftigt Bombardier knapp 36 000 Mitarbeiter in der Verkehrstechnik, davon fast 80 Prozent in Europa. Grund für die Schließungspläne sind Überkapazitäten innerhalb der Bombardier-Gruppe. Einige der Werke seien nicht einmal zu 50 Prozent ausgelastet, sagte Konzernchef Paul Tellier. Die Sanierung könne nicht weiter aufgeschoben werden, „da einige unserer Wettbewerber bereits auf die Veränderungen der Branche reagiert haben“. Das Unternehmen erwarte durch die Schließungen jährliche Einsparungen von 600 Millionen kanadischen Dollar (367 Millionen Euro).

Bombardier ist derzeit ein Sonderfall in der Bahntechnikindustrie. Die Kanadier haben sich mit ihrer „aggressiven Expansionspolitik“ in den letzten Jahren zum weltgrößten Hersteller von Lokomotiven und Eisenbahnwaggons entwickelt, berichtet Michael Clausecker, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie. Bombardier übernahm erst den Waggonbauer Talbot in Aachen, später die ostdeutsche DWA und dann auch noch die ehemalige Daimler-Tochter Adtranz. Adtranz wiederum war kurz zuvor aus der Fusion der Bahntechnik von AEG und ABB entstanden. Ergebnis: Die Kanadier haben eine Vielzahl von Werken in Europa, „die nicht unbedingt zusammenpassen“, sagt Clausecker. Nach den jetzt vorgestellten Plänen werden vor allem Werke außerhalb Deutschlands geschlossen, davon mehrere in Großbritannien, aber auch in der Schweiz und in Portugal. Nach Einschätzung von Clausecker zeigt sich daran aber auch, dass die deutschen Bombardier-Standorte trotz hoher Lohnkosten recht wettbewerbsfähig seien. Seit Mitte der neunziger Jahre hätten die deutschen Anbieter, neben Bombardier vor allem Siemens, schon ihre Werke durchrationalisiert, sagt Clausecker. „Das zahlt sich heute aus.“

Bombardier Transportation will jetzt aber keine Garantie für den Erhalt der verbleibenden acht Standorte in Deutschland abgeben. „Ob die weiteren Werke überleben können, das beantwortet allein der Markt“, sagte Wolfgang Tölsner, Chef des operativen Geschäfts in der Berliner Konzernzentrale, dem Handelsblatt. Die Bundesregierung will sich zusammen mit der Landesregierung von Sachsen-Anhalt um Ersatzarbeitsplätze für die Beschäftigten des Werks Ammendorf bemühen. Das sagte Regierungssprecher Bela Anda am Mittwoch in Berlin. Das Bundeswirtschaftsministerium werde entsprechende Schritte einleiten.

Vom Personalabbau sind neben Ammendorf auch die beiden ostdeutschen Werke in Görlitz mit 260 und Hennigsdorf bei Berlin mit 150 Beschäftigten besonders stark betroffen. Personal, so heißt es, solle auch in den Verwaltungen abgebaut werden.

Der Bombardier-Konzern kam nach eigenen Angaben im Geschäftsjahr 2003/2004 (31.1.) auf fast unverändert 21,3 Milliarden kanadische Dollar Umsatz, davon kommen 9,6 Milliarden aus der Verkehrstechnik. Der Konzerne machte einen Nettoverlust von 89 Millionen kanadischen Dollar, im Vorjahr waren es noch 615 Millionen Dollar. Neben Eisenbahnfahrzeugen baut Bombardier auch Flugzeuge.

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