zum Hauptinhalt
288751_0_5e27a905.jpg

© dpa

Im Aufschwung: 425.000 Ingenieure und Techniker gesucht

Eine neue Studie zeigt, im nächsten Aufschwung werden Fachkräfte fehlen. Grund: Die starken Jahrgänge gehen in Rente. Bis 2020 könnte die Lücke auf auf 425.000 anwachsen.

Mitten in der Krise klingt das Problem akademisch – doch im nächsten Aufschwung wird der Fachkräftemangel wesentlich gravierender sein als gedacht. Bis zum Jahr 2014 fehlen der deutschen Wirtschaft rund 220 000 Ingenieure, Naturwissenschaftler und Techniker. Das geht aus einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor, die dem „Handelsblatt“ vorliegt. Wenn es bis dahin nicht gelingt, mehr Nachwuchs auszubilden, könnte die Lücke bis 2020 schon auf bis zu 425 000 anwachsen.

Noch im vergangenen Herbst hatte das IW eine Lücke von „nur“ 230 000 Mint-Fachkräften – also im Bereich Mathematik-Informatik-Naturwissenschaften-Technik – für 2020 prognostiziert. Damals hatte das Institut allerdings lediglich Gesamtangebot und -nachfrage gegenübergestellt. Die neue Studie für den Arbeitgeberverband Gesamtmetall hingegen, die an diesem Montag offiziell vorgestellt wird, ist differenzierter angelegt: „Hier wurde zusätzlich berücksichtigt, dass die Mint-Qualifikationen weder fachlich noch regional vollständig substituierbar sind – also ein zusätzlicher Biologieabsolvent nicht eine offene Stelle für Maschinenbauingenieure besetzen kann“, sagte Gesamtmetall-Geschäftsführer Michael Stahl dem „Handelsblatt“. „Diese bereinigte Lücke fällt deutlich größer aus.“ Zudem zeige sich, „dass wir mittelfristig vor allem auf einen Ingenieurmangel zulaufen“.

Weil in den nächsten Jahren die starken Jahrgänge der Nachkriegszeit in Rente gehen, brauchen die Unternehmen nach der Prognose jährlich fast 37 000 neue Ingenieure. Ab 2015 steigt der Ersatzbedarf dann auf jährlich 42 000 Ingenieure. Wegen des Wachstums und der Tendenz, dass für höherwertige Produkte auch ein immer größerer Anteil an hoch qualifizierten Arbeitnehmern nötig ist, rechnet das IW darüber hinaus mit einem „Expansionsbedarf“ von jährlich rund 35 000 Ingenieuren. Summa summarum ergibt sich daraus über die zwölf Jahre ein Einstellungsbedarf von 890 000 Ingenieuren. Von den Hochschulen kommen jedoch pro Jahr derzeit nur rund 45 000 Ingenieure.

Bei den übrigen Mint-Akademikern ist die Lücke nur knapp halb so groß: Bis 2020 fehlen in Summe rund 380 000 Naturwissenschaftler, Mathematiker und Informatiker. Die Nachfrage des Staates – etwa nach Lehrern im Mint-Bereich – ist hier noch gar nicht berücksichtigt.

Doch der Mangel an Ingenieuren und Naturwissenschaftlern ist nicht unabwendbar, heißt es bei Gesamtmetall. Vorausgesetzt, dass sich alle Beteiligten gewaltig anstrengen. Dafür hat das IW vier Stellschrauben ausgemacht, die auch in der allgemeinen bildungspolitischen Diskussion im Zentrum stehen: Wenn es gelingt, mehr Abiturienten an die Hochschulen zu bringen, mehr Studenten für ein Mint-Fach zu begeistern, die Zahl der Abbrecher zu senken und auch mehr Praktiker zu einem Studium zu bewegen, könnte sich die Lücke zumindest nach 2014 wieder deutlich verringern.

Konkret müsste etwa die Übergangsquote der Abiturienten zu den Hochschulen von derzeit 75 auf 85 gesteigert werden. Zudem machen heute nur 32 Prozent der Studenten einen Abschluss in einem Mint-Fach. Das ist im internationalen Vergleich recht wenig und könnte womöglich auf 40 Prozent gesteigert werden – indem man zum Beispiel in den Schulen den Technikunterricht stärkt.

Dazu sollten die Länder den Hochschulen für Mint-Studienplätze mehr Geld geben als für andere, fordert das IW. Zudem müssten die Hochschulen „nachfrageorientierter“ werden, sich also intensiver darum kümmern, dass die Studenten ihr Studium auch bewältigen. Dann wäre es auch nicht ausgeschlossen, die hohe Abbrecherquote bei den Ingenieuren von derzeit einem Viertel bis Mitte des nächsten Jahrzehnts auf gut zehn Prozent zu drücken.

Schließlich bauen IW und Gesamtmetall auf eine höhere Durchlässigkeit: Wenn künftig deutlich mehr Facharbeiter ohne Abi an den Hochschulen aufgenommen werden, eröffne sich hier ein zusätzliches Reservoir künftiger Ingenieure. Unlängst haben die Kultusminister beschlossen, Meistern die Tür zu allen Studiengängen zu öffnen und Facharbeiter mit Berufspraxis zumindest zu artverwandten Studiengängen zuzulassen. Unklar ist jedoch, wie schnell dies die einzelnen Länder umsetzen und wie schnell die Facharbeiter diese Chancen wahrnehmen. 

Barbara Gillmann (HB)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false