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Wirtschaft: Immobilien: Der US-Wohnungsmarkt kommt gut durch die Flaute

Trotz der allgemeinen Konjunkturflaute geht es dem amerikanischen Wohnungsmarkt gut. Wie das Wirtschaftsministerium bekannt gab, stieg der Verkauf von Neubauten im Juli um 4,9 Prozent zum Vormonat.

Trotz der allgemeinen Konjunkturflaute geht es dem amerikanischen Wohnungsmarkt gut. Wie das Wirtschaftsministerium bekannt gab, stieg der Verkauf von Neubauten im Juli um 4,9 Prozent zum Vormonat. Das ist der größte Zuwachs in diesem Jahr. Und was den Verkauf bereits vorhandener Wohnungen und Häuser betrifft, so befindet sich diesernahe des historischen Rekordstandes. Dem US-Wohnungsmarkt kommt als wichtigem Bestandteil der Volkswirtschaft für den Rest der Welt Bedeutung zu. In der gegenwärtigen Konjunkturflaute hat der robuste Markt die Abschwächung in anderen Bereichen etwas ausgleichen können. Doch da die Flaute immer mehr Branchen erreicht, rückt der Wohnungsmarkt stärker in den Fokus des Interesses. Die bange Frage lautet: Wird auch dieser nachlassen?

Auf dem Markt für Eigentumswohnungen und -häuser sieht es derart gut aus, dass er wahrscheinlich den Sturm überleben wird. Die Hauptgründe: Das Angebot von Wohnungen ist relativ klein, der Bevölkerungszuwachs und damit die Nachfrage ist höher als erwartet. Die Hypothekenzinsen sind weiterhin niedrig. Und mit den Darlehensprogrammen, die in den neunziger Jahren von Kreditgebern und staatlichen Einrichtungen geschaffen wurden, konnte steigenden Wohnungspreisen begegnet werden. Selbst die Schwäche an der Wall Street scheint indirekt den Wohnungsmarkt zu stützen, weil einige wohlhabende Anleger ihr Geld von Aktien in Immobilien umgeschichtet haben.

Die Lage des Wohnungsmarktes ist deshalb so wichtig, weil der Verkauf von Immobilien auf die gesamte Volkswirtschaft Auswirkungen hat. Wenn Menschen ihr eigenes Heim kaufen, neigen sie in der Regel auch zum Erwerb neuer Möbel und elektronischer Geräte. Zudem neigen Wohnungseigentümer dazu, sich selbst als wohlhabender einzuschätzen, wenn der Wert ihrer Immobilie steigt. Sie sind bereiter, Geld für Dinge auszugeben, die nichts mit den eigenen vier Wänden zu tun haben.

In Denver, wo die Immobilienpreise inflationsbereinigt in den vergangenen vier Jahren um 38,7 Prozent in die Höhe schnellten, hat die Zahl an freien, auf einen Käufer wartenden Wohnungen fast ein Elf-Jahres-Hoch erreicht. Landesweit stiegen die Preise für Eigentumswohnungen und -häuser in den vergangenen vier Jahren inflationsbereinigt um "nur" 18,4 Prozent. Doch auch bei dieser weniger spektakulären Zahl handelt es sich um die höchste Vier-Jahres-Steigerungsrate seit Mitte der siebziger Jahre.

Das Immobilien-Angebot ist dagegen nicht übermäßig groß. Aus den erst kürzlich veröffentlichten Zahlen der jüngsten Volkszählung in den USA kann man schließen, dass Bauunternehmer in den neunziger Jahren den Boom von Immigranten und alleinerziehenden Eltern unterschätzt haben. Gerade durch das letzte Phänomen kam es zu Hunderttausenden neuer Haushalte: Die Zahl stieg in den 90er Jahren jährlich um 1,35 Millionen - das sind etwa 200 000 mehr im Jahr, als man ursprünglich prognostiziert hatte. Deshalb wuchs die Wohnungsnachfrage im vergangenen Jahrzehnt rascher als das Angebot. Ein weiterer Faktor, warum die Nachfrage das Angebot übersteigt: Der Zensus hatte vor der Bürgerzählung im Jahr 2000 die Bevölkerung um sechs Millionen Menschen unterschätzt.

Im vergangenen Jahr haben Bauunternehmer Grundstücke für etwa 1,23 Millionen Wohnungen erschlossen - das ist etwas weniger als im Jahr zuvor und liegt unter anderem daran, dass einige Kommunen mit strengen Auflagen die Verbauung der Vorstädte begrenzen wollten. Ein extremes Beispiel: In dem texanischen Ort Flower Mound wurde die Grundstückserschließung 1999 zeitweilig unterbunden, nachdem die Kommune befürchtete, der rasch wachsende Schlafvorort von Dallas könne dem rasch wachsenden Bedarf an zusätzlichen Straßen, Abwasserleitungen und anderen Versorgungssystemen nicht nachkommen.

Neben der höheren Nachfrage und dem begrenzten Angebot haben attraktive Zinsen das Wohneigentum für eine größere Zahl von Menschen möglich gemacht. In der vergangenen Woche stiegen die durchschnittlichen Zinsen für eine auf 30 Jahre laufende Hypothek mit festen Raten auf 6,91 Prozent. Das liegt nur leicht über dem 30-Jahres-Tief von 6,49 Prozent. Die niedrigen Zinsen sind vor allem auf die Befürchtung von Aktionären zurückzuführen, dass die Wirtschaft sich noch nicht wieder erholt hat. Das führt im Gegenzug zur Erwartung, dass die US-Notenbank die Leitzinsen weiter senkt und damit die Hypothekenzinsen fallen.

Ein Vielzahl von Kreditprogrammen, die im vergangenen Jahrzehnt von Kreditgebern und Bundesstaaten eingeführt wurde, haben gemeinsam mit den günstigen Zinsen die Hypothekenfinanzierung in die Reichweite vieler Verbraucher gebracht. Und auch das in Bevölkerungsschichten und Regionen, wo traditionell selten in den eigenen vier Wänden gewohnt wurde. Zum Beispiel der 29-jährige Automechaniker Brad Dieckmann aus Louisburg im US-Bundesstaat Kansas und seine Frau Erin. Obwohl sie kein Geld für eine Anzahlung hatten, konnte das Paar kürzlich ein Haus mit fünf Schlafzimmern in der Nähe von Kansas City für 110 000 Dollar kaufen. Die Dieckmanns haben ein Darlehen von 16 500 Dollar erhalten, um die Anzahlung leisten zu können. Und zwar von einem staatlichen Programm, dass das Hauseigentum unter niedrig verdienenden Familien fördern soll. Mit dieser Summe konnte die Familie eine Hypothek aufnehmen.

Schließlich investieren wohlhabende Amerikaner mehr Geld in Häuser, heißt es bei Maklern und Ökonomen. Der Grund: Die Schwäche an den Börsen in den vergangenen zwei Jahren hat ihnen einen Schrecken eingejagt. Douglas Andrus, Makler im wohlhabenden Detroiter Vorort Grosse Pointe, deutet auf einen seiner Kunden. Der Arzt habe vor etwa einem Jahr mehrere Hunderttausende Dollar von der Börse abgezogen und damit Immobilien gekauft, sagt der Eigentümer der Immobilienfirma Prudential Grosse Pointe Real Estate. Bislang habe der Doktor vier Häuser im Wert von 720 000 Dollar gekauft, die er vermieten wolle.

Patrick Barta

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