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Immobilienfinanzierer: Nach HRE-Zwangsverstaatlichung droht Bund Prozesslawine

Wütende Altaktionäre klagen gegen ihren Rauswurf aus dem Unternehmen, Investoren fordern Schadenersatz in Höhe von fast einer Milliarde Euro für ihre Kursverluste und der ehemalige HRE-Chef Georg Funke will vor dem Landgericht München um ein Millionengehalt kämpfen.

Nach der umstrittenen Zwangsverstaatlichung des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate steht der Justiz eine Prozesslawine im Jahr 2010 bevor. Zahlen müsste bei einem Erfolg der Kläger in allen Fällen der Bund, dem die HRE nach Milliardenhilfen vollständig gehört.

Die letzten HRE-Aktionäre wurden gegen ihren Willen aus dem Unternehmen gedrängt und mussten ihre Anteile gegen eine Abfindung von 1,30 Euro je Aktie an den Bund verkaufen. Sie werfen ihm eine verfassungswidrige Enteignung vor und zogen vor Gericht, um die Beschlüsse der Hauptversammlungen anzufechten. Damit müssen sich die Gerichte im kommenden Jahr mit der pikanten Frage befassen. Wie weit darf der Staat zur Rettung einer Bank gehen?

Der Stuttgarter Staatsrechtler Rüdiger Zuck hat bereits eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, weil die Verstaatlichung aus seiner Sicht gegen das Grundgesetz verstößt. Auch der Europäische Gerichtshof in Luxemburg wird sich nach der Klage eines HRE-Anlegers in München voraussichtlich 2010 mit der HRE- Verstaatlichung befassen müssen. Der Kläger, der Steuerberater Bohdan Kalwarowskyj aus München, hatte die Aktien für seine Kinder gekauft und Tausende Euro verloren. „Der Staat hat die Bürger enteignet und erpresst“, klagte er.

Er kann kaum glauben, was ihm in nur einem Jahr passiert ist. Wegen der bedrohlichen Lage des Immobilienfinanzierers und den Gefahren für die Finanzmärkte brachte der Bund die Verstaatlichung im Eiltempo durch: Von dem Ausbruch der Krise bei der HRE im Herbst 2008 bis zur 100-prozentigen Verstaatlichung vergingen nur 12 Monate. Die juristische Grundlage dafür bildete das Rettungsübernahmegesetz, das das Kabinett im Februar zur Übernahme der HRE beschlossen hatte. „Mittels eigens für die HRE geschaffener Gesetze wurde in bisher nie dagewesener Form in das Eigentumsrecht von Aktionären eingegriffen“, kritisieren die ehemaligen HRE-Anleger, die sich zum gemeinsamen Protest zusammengeschlossen haben.

Ärger droht zudem durch eine Flut von Schadenersatzklagen ehemaliger Aktionäre. Sie werfen dem früheren Management vor, viel zu spät auf die Belastungen durch die Finanzkrise hingewiesen zu haben und fordern eine Entschädigung für die massiven Kursverluste ihrer Aktien.

Die beiden wichtigsten Schadenersatzklagen werden von zwei verschiedenen Anwaltskanzleien vertreten und stehen beide 2010 zur Entscheidung an. Am 14. Januar will das Landgericht München im größten Verfahren mit Schadenersatzforderungen von rund 900 Millionen Euro eine Entscheidung verkünden. In dem Prozess hatte der Anwalt Andreas Tilp für mehrere Kapitalanlagefonds gegen das Unternehmen geklagt. Im zweitgrößten Verfahren klagt die Münchner Kanzlei Rotter vor allem für private Anleger. In dem Prozess will das Gericht im April nächsten Jahres 13 Zeugen vernehmen, darunter auch den Chef der Finanzaufsicht Bafin, Jochen Sanio, sowie das frühere HRE- Vorstandsmitglied Bettina von Oesterreich.

Für die größte Aufregung dürfte im Frühling aber der Prozess des geschassten HRE-Chefs Funke sorgen. Er beharrt darauf, von einem früheren Arbeitgeber noch rund 3,5 Millionen Euro Gehalt zu bekommen, weil sein Vertrag eigentlich noch bis zum Jahr 2013 gelaufen wäre. dpa

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