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Wirtschaft: In der Auflage besser als Bibel und Koran

Ab Montag finden 130 Millionen Haushalte in aller Welt den neuen Ikea-Katalog im Briefkasten

Hofheim . „Sten“ hat ausgedient. Wenn Möbelkäufer ab kommenden Montag den neuen Katalog des schwedischen Einrichtungshauses Ikea aus ihrem Briefkasten angeln, werden sie auf den 368 Seiten das kultige Kellerregal vergeblich suchen. In deutsche Untergeschosse, so hat es die Konzernzentrale im schwedischen Älmhult entschieden, soll ab sofort „Gorm“ einziehen.

Im Rahmen der größten Marketingaktion seiner 60jährigen Geschichte wird Ikea 130 Millionen der bunten Preislisten für Billy, Klippan und Co. rund um den Globus verteilen – zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die meisten der Kataloge landen in den Postfächern der Verbraucher von Australien bis Spanien, von Polen bis nach Amerika „Die Kataloge sind bis auf wenige Ausnahmen identisch", sagt Ikea-Managerin Petra Schmidt in der Deutschland-Zentrale im hessischen Hofheim. Längst ist das stets in den schwedischen Nationalfarben gewandete Möbelhaus zu einer weltweiten Marke geworden. Seit neustem offeriert der bei Heimwerkern beliebte Einrichter seine Sofas und Küchenregale sogar in Moskau und Shanghai.

Der gratis verteilte Katalog, der jährlich in 31 Ländern und 23 Übersetzungen erscheint, dürfte bei der Auflagenzahl sogar Bibel und Koran schlagen. Damit niemand vorzeitig mit dem neuen Werk in einem der Häuser auftaucht, lagern die Prospekte bis zum 25. August gut verschlossen in den Hallen Dutzender Verteilfirmen. 27 Millionen Stück haben die Schweden allein für die 30 deutschen Standorte drucken lassen, eine Million mehr als 2002. Bis in die 90er Jahre hinein ließ Ikea-Gründer Ingvar Kamprad seine 1951 erfundene Verkaufshilfe in Deutschland mit der Post verteilen. Zu teuer und zu langsam, meinte das Management in Hofheim. Heute vergibt jede einzelne deutsche Filiale den Job an einen privaten Zusteller aus der Region.

Und einige von ihnen arbeiten mit weitaus unkonventionelleren Methoden als die gelbe Konkurrenz. „In vielen Wohnblöcken haben sich unsere Leute mit den Hausmeistern abgesprochen“, berichtet der Geschäftsführer eines privaten Zustelldienstes. „Damit können sie auch die innen liegenden Briefkästen leicht bestücken.“ In Österreich, wo manche Wohnungen nur einen kleinen Briefkasten besitzen, hängen die Ikea-Werber die Massensendung auch schon einmal mit einer Tüte an die Türklinke. In Malaysia muss der Möbel-Multi seine Kataloge sogar in Folie einschweißen – wegen der hohen Luftfeuchtigkeit.

In Deutschland, wo Ikea ein Fünftel seines weltweiten Umsatzes von elf Milliarden Euro erwirtschaftet, hat der Konzern andere Sorgen. 2002 brach der Branchenumsatz um über zehn Prozent ein, von Januar bis Mai 2003 verlor der deutsche Einrichtungshandel weitere 3,4 Prozent. Auch an Ikea geht das nicht spurlos vorüber. Man erwarte einen Erlös auf Vorjahresniveau, sagt Firmensprecherin Sabine Nold – und das, obwohl im ablaufenden Geschäftsjahr neue Häuser in Hamburg und Ulm hinzukamen. Die Erwartungen, die auf dem Katalog lasten, sind daher hoch. Die Präsentation der 3000 Artikel – weniger als ein Drittel des Gesamtsortiments – entscheidet über Erfolg oder Misserfolg im kommenden Geschäftsjahr.

Ikea gilt als sparsam. Sämtliche Aufnahmen für den Katalog ließ Ikea auf dem eigenen Werksgelände schießen, die Models sind ausschließlich eigene Mitarbeiter. „Das kommt uns günstiger“, sagt Petra Schmidt. Menschlicher wirke der Katalog damit auch. Wozu überhaupt ein Katalog, wo doch jeder die Möbel in den Ikea-Häusern besichtigen kann? „Die Sortimentsübersicht ermöglicht den Kunden Bedenkzeit“, erläutert der Handelsexperte Wolfgang Gattermeyer. Denn Möbel, das weiß in der Branche jeder, wechseln nur selten spontan den Besitzer. cs/HB

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