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Wirtschaft: In der Franchise-Falle

Ketten wie Subway expandieren mit dem Geld unerfahrener Existenzgründer – und verniedlichen mit Schönwetter-Kalkulationen das Risiko, Pleite zu gehen

Düsseldorf - Es fällt Jürgen Horstmann (Name geändert) nicht leicht, die Fassung zu wahren, wenn er an einer Filiale der US-amerikanischen Sandwich-Kette Subway vorbeigeht. „Dann kommt die ganze Sache in mir wieder hoch“, sagt er. Bis vor kurzem stand Horstmann selbst hinter dem Tresen seines eigenen Subway-Restaurants in einer nordrhein-westfälischen Großstadt und belegte dicke Weißbrote mit Salatschnipseln, Salamischeiben und Käse.

Doch mit seinen Mitarbeitern wartete er oft stundenlang vergeblich auf Kunden, anfangs sogar bis zwei Uhr nachts. Schließlich gab Horstmann auf, weil er Löhne und Zinsen nicht mehr bezahlen konnte. „Jetzt habe ich 100 000 Euro Schulden“, sagt er. Auf Subway ist Horstmann nicht gut zu sprechen. „Die haben mir den schlechten Standort aufgedrängt und einen viel zu optimistischen Geschäftsplan vorgelegt.“ Subway hält dagegen, auch unerfahrene Lizenznehmer müssten die Risiken letztlich selbst abwägen und ihre Geschäftspläne erstellen.

Wie Horstmann, der zuvor Angestellter war, riskieren immer mehr Deutsche den Sprung in die Selbstständigkeit als so genannte Franchise-Nehmer oder Lizenzpartner. Oft bezahlen sie eine fünf- oder sechsstellige Lizenzgebühr, um dann eine oder mehrere Filialen einer Kette betreiben zu dürfen. Vom Umsatz überweisen sie einen Teil an die Zentrale, den Franchise-Geber. Nach dem Prinzip verfahren unter anderem die Bäckerei Kamps, McDonald’s, das Nachhilfe-Institut Schülerhilfe und zahlreiche Sonnenstudio-Ketten. 2000 Franchise-Existenzgründer zählte der Deutsche Franchise-Verband (DFV) im Jahr 2004. Die insgesamt 44 000 Franchise-Nehmer beschäftigen mehr als 400 000 Menschen.

Doch die Beschwerden häufen sich. Manche Firmen werben aggressiv, um rasant zu expandieren. „Und aus Angst vor Hartz IV lassen sich immer mehr Menschen darauf ein“, sagt Rüdiger Meeth vom Schutzverein der Franchise-Nehmer und Lizenzträger. Ähnliches hat der Franchise-Verband festgestellt. Meist handele es sich um weniger bekannte Firmen, die Lizenzen für kaum getestete Geschäftsmodelle als Franchise-System verkaufen.

Aber auch die mit weltweit 25 000 Restaurants etablierte Kette Subway steht in der Kritik. Deutschland-Chef Marco Wild will die Zahl der Filialen in den nächsten vier Jahren von 300 auf 1500 erhöhen. Mit dem Slogan „Chefs gesucht!“ fahndet das Unternehmen nach potenziellen Restaurantbetreibern. Dabei sehen sich Interessenten mit Verträgen in englischer Sprache und einer deutschen Übersetzung konfrontiert, die Kritiker nicht für gerichtsfest halten. Gerichtsstand ist oft Liechtenstein, wie Subway bestätigt. „Das sind klare Mängel, es entspricht nicht den bei uns bewährten Franchise-Regeln“, sagt Franchise-Experte und Buchautor Knut S. Pauli. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe sei so nicht möglich. „Niemand wird einen Vertrag unterzeichnen, den er nicht versteht“, entgegnet Subway.

Für Lizenz und Ladenausstattung müssen Interessenten laut Subway „ab 80 000 Euro“ aufbringen. Jürgen Horstmann musste nach eigenen Angaben mehr als 150 000 Euro zusammenkratzen – was er laut Marco Wild aber hätte vorher abschätzen können. Die Summe sei nicht ungewöhnlich. „80 000 Euro sind die Untergrenze, das sagen wir den Partnern auch“, betont Wild. Gescheitert ist Horstmann letztlich am zu geringen Umsatz. Mehr als die Hälfte seiner Einnahmen machten die Personalkosten aus. Im Geschäftsplan, den er von seinem Subway-Gebietsentwickler bekam, ist nur von einer Spanne zwischen 15 und 35 Prozent die Rede. Die Subway-Zentrale rät ihren Gebietsentwicklern nach eigenen Angaben davon ab, mit solchen Geschäftsplänen zu arbeiten. Auch die schlechte Lage der Filiale, die Horstmann mitverantwortlich für sein Scheitern macht, müssten die Franchise-Nehmer letztlich selbst bewerten, sagt Wild.

Doch damit sind ehemalige Arbeitslose oder Angestellte oft überfordert. Ihr Scheitern ist programmiert, wenn ihre geringe betriebswirtschaftliche Kenntnis auf die fragwürdige Informationspolitik vieler Franchise-Geber trifft. Von einer „Informations-Asymmetrie“ ist in einer Studie über den Franchise-Markt die Rede, die Forscher der Universität Mainz für das Bundeswirtschaftsministerium angefertigt haben. „Die Franchise-Geber kennen ihr System perfekt und wissen, woran ihre Schützlinge scheitern“, findet Autor Patrick Dieses. Er kommt, anders als die Franchise-Wirtschaft, zu dem Schluss, dass Franchise-Nehmer ebenso häufig Pleite gehen wie gewöhnliche Gründer. „Die Versuchung ist für die Unternehmen groß, vor allem das Positive herauszustellen. Die kritischen Punkte müssen die Interessenten selbst herausfinden.“ Subway selbst hält es für „normal“, dass man sich positiv darstellt. Interessenten bekämen eine Liste mit Franchise-Nehmern, bei denen sie nachfragen können. Mitunter sind Agenturen im Spiel, die für jeden angeworbenen Neuunternehmer eine Provision kassieren. Auch die 16 deutschen Subway-Gebietsentwickler verdienen an jeder Neueröffnung mit, bestätigt das Unternehmen.

Von der Branche hinters Licht geführt sieht sich auch Markus Forneck. Der Vater von drei Kindern aus dem Westerwald stieg gegen eine Gebühr von 21 000 Euro bei einer hessischen Autopflege-Firma ein, die wegen eines andauernden juristischen Streits nicht genannt werden darf. Für die Gebühr sollte Forneck bei Autohäusern rund um Bonn deren Neu- und Gebrauchtwagen waschen dürfen. Weil die Firma laut Forneck in dem Vertragsgebiet jedoch noch gar keine Kunden hatte, arbeitete er in anderen Bundesländern.

Die Preise hatte die Firma mit den Autohäusern ausgehandelt. „3,50 Euro etwa für eine Oberwäsche – davon blieb für mich nichts übrig, stellte ich sofort fest“, sagt Forneck. „Vorher hatten die mir eine ganz andere Rechnung aufgemacht.“ In einer Beispielkalkulation habe die Firma höhere Preise als in der Realität verwendet und Überschüsse errechnet, die Forneck dann nicht erreichte. Das Unternehmen wollte sich gegenüber dem Tagesspiegel nicht zu den Vorwürfen äußern.

Forneck jedenfalls glaubte nicht daran, dass er mit seiner Arbeit je Gewinn erzielen könne. Und um die anschließende Arbeitslosigkeit zu überbrücken, musste er sogar sein Haus verkaufen. Immerhin: Das zuständige Landgericht entschied jüngst, dass die Reinigungsfirma Forneck die Lizenzgebühr zurückzahlen muss. Die Firma habe „ihre Aufklärungspflichten verletzt“, urteilten die Richter. Das Unternehmen hat Berufung eingelegt.

„Wenn man den Franchisenehmer schon zu Anfang ausnimmt, kommt der nie in die Gewinnzone“, sagt Rüdiger Meeth, der Forneck im Rechtsstreit mit dem Unternehmen berät, das mit seinen „Glanztaten“ (Eigenwerbung) nach und nach ganz Deutschland beglücken will.

Doch auch wer die Startphase überstanden hat, ist als Selbstständiger unter dem Dach einer Marke oft nicht glücklich. In Berlin und Brandenburg würden sich immer mehr ehemalige Filialleiter von Supermärkten und Getränkeläden als Unternehmer „selbst ausbeuten“, nachdem die Handelskonzerne sie nicht mehr als Angestellte beschäftigen wollten, heißt es bei der Gewerkschaft Verdi.

Und viele Subway-Restaurantbetreiber stöhnen, dass sie sich wegen der Expansion gegenseitig Umsatz wegnehmen. Berlin ist mit 23 Läden Spitzenreiter in Deutschland. In Köln will angeblich jeder dritte der 15 Betreiber sein Geschäft wieder verkaufen – notfalls mit Verlust. Ein Gebietsschutz für einzelne Restaurants schade der Expansion, letztlich also allen Geschäften, sagt Subway.

Subway investiere wenig, wolle aber sofort Geld verdienen, was nicht den Franchise-Standards in Deutschland entspreche, behauptet Experte Knut S. Pauli, der früher Subway beraten hat. Die Firma strebt eine Vollmitgliedschaft im DFV an, wurde aber bislang nur als assoziiertes Mitglied aufgenommen. Die Sandwich-Kette argumentiert, sie sei noch nicht lange im deutschen Markt. In der Amsterdamer Europa-Zentrale seien zudem auch deutschsprachige Mitarbeiter für Franchise-Nehmer zu erreichen.

An Subway-Gründer Fred DeLuca prallt die Kritik ab. Mit offenem Kragen erläuterte der Milliardär zuletzt seine Strategie in einem Kölner Subway-Laden. „Die Anfangszeit ist nun mal verdammt hart“, erklärte der 58-jährige Amerikaner den Zuhörern, die derweil seine Sandwichs kauten. DeLuca startete 1965 mit 1000 geliehenen Dollar seinen ersten Sandwichverkauf und nutzte später das Franchise-System für die Expansion. Heute kann er von den USA aus verfolgen, wie sein Imperium wächst. „Das Risiko liegt bei den Franchise-Nehmern“, weiß er.

Nils Sorge

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