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Wirtschaft: In der Pause zum Power-Yoga

Gesunde Mitarbeiter sind motivierter und fehlen seltener. Wie Betriebe ihre Leute in Bewegung bringen

1 702 230 Kilometer in drei Monaten – auf dem Weg ins Büro, beim Joggen, Radfahren oder Schwimmen. Das schafften 5000 Siemens-Mitarbeiter im Rahmen der Aktion „Bewegung zählt“. Von Juni bis August 2010 mobilisierten das firmeneigene Health Management und die Siemens-Betriebskrankenkasse die Angestellten aller deutschen Standorte dazu, in Bewegung zu kommen und statteten sie mit Schrittzählern aus. Parallel gab es Lauftreffs, Gesundheits-Checks und individuelle Beratung, die sich am Dreiklang „Bewegung – Entspannung – Ernährung“ orientierten. Den Erfolg der Aktion bestätigte eine anschließende Umfrage: Die meisten Teilnehmer wollten weiter in Bewegung bleiben.

Seit einigen Jahren machen sich immer mehr Firmen Gedanken um die Gesundheit ihrer Beschäftigten – nicht allein aus Mildtätigkeit, sondern weil fitte, gesunde Mitarbeiter ein wichtiger Baustein für Wettbewerbsfähigkeit und Erfolg sind. „Gesunde und motivierte Arbeitnehmer leisten mehr. Sie sind besser in der Kunden-Kommunikation und kreativer bei der Entwicklung von Lösungen“, sagt Alfons Schröer, Geschäftsführer des Netzwerks „Unternehmen für Gesundheit“.

Ein betriebliches Gesundheitsmanagement stärkt nicht nur die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter – es verbessert das Arbeitsklima und senkt vor allem beachtlich den Krankenstand. Wie eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido) für 2011 zeigt, besteht in dieser Hinsicht auch dringend Handlungsbedarf: Jeder zweite erwerbstätige Deutsche führt seine gesundheitlichen Probleme auf den Arbeitsplatz zurück. Ganz oben auf der „Hitliste“: Rückenleiden und psychische Erschöpfung. Bei diesen Beschwerden sieht über 70 Prozent der Beschäftigten einen Zusammenhang mit dem Beruf, etwa durch langes Sitzen vor dem Computer oder Arbeitsüberlastung. Entsprechend hoch ist der Krankenstand – und die damit verbundenen Kosten für die Betriebe.

Da überrascht es nicht, dass viele Unternehmen die Gesundheit ihrer Mitarbeiter nicht mehr auf die leichte Schulter nehmen. „Es besteht ein vorrangiges Interesse der Arbeitgeber, Fehlzeiten und Arbeitsunfähigkeit zu reduzieren“, erklärt Klaus Zok, Autor der AOK-Studie. „Seit geraumer Zeit führen Unternehmen deshalb anonymisierte Mitarbeiterumfragen durch, um herauszufinden, wo der Schuh drückt“. Darauf setzt auch die Deutsche Post DHL – und bietet ihren Angestellten eine Reihe gesundheitsfördernder Aktivitäten an. Die Bandbreite reicht von Seminaren zu Bewegungsgewohnheiten und Rückenschulen über Ernährungsberatung bis zu Stressbewältigungs- und Entspannungskursen. 2010 wurde der Konzern dafür zum dritten Mal in Folge im Rahmen der Kampagne „Move Europe“ mit dem Deutschen Unternehmenspreis Gesundheit ausgezeichnet.

Während viele Großunternehmen das Gesundheitsmanagement seit Jahren erfolgreich betreiben, nutzen mittlere und kleine Firmen diese Möglichkeit allerdings nur selten. „Die Geschichte der betrieblichen Gesundheitsförderung – oder kurz BGF – ist die Geschichte der Umsetzung in der Welt der großen Unternehmen“, sagt Alfons Schröer. „Sie haben das Potenzial zuerst erkannt, haben die Fachleute im Betrieb und nutzen die engen Verbindungen zur Betriebskrankenkasse. Der Transfer in den Mittelstand ist noch ein weiterer Schritt.“

Gute Ansatzpunkte sind jedenfalls vorhanden: Viel Flexibilität und der direkte Draht zum Angestellten sind die Vorteile gegenüber den Großkonzernen. „Kleinere Unternehmen sind oft besser als man denkt“, so Schröer. Bei ihnen mache sich die betriebliche Gesundheitsförderung eher versteckt bemerkbar, zum Beispiel wenn der Chef sich beim Mittag danach erkundigt, wie es der Tochter des Mitarbeiters geht, Anteil an seinem Leben nimmt und die Menschen persönlich stärker einbindet. Die größte Hürde aber bleibt fehlendes Wissen. Hier setzen vor allem die gesetzlichen Krankenkassen ein. „Im vergangenen Jahr hat die AOK Nordost 448 Betriebe in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zum Thema betriebliche Gesundheitsförderung kontaktiert“, sagt AOK-Sprecher Christian Jacob. Der Umfang der Beratung reiche dabei von der Auswertung des Krankenstandes bis zur Begleitung konkreter Maßnahmen.

Für Gesundheitsmanagement machen sich aber nicht nur Krankenkassen stark. Mittlerweile ist der Trend auch bei kommerziellen Dienstleistern als attraktive Geschäftsidee angekommen. So zum Beispiel bei Stefan Buchner, Geschäftsführer der Unternehmensberatung für Betriebliches Gesundheitsmanagement (UBGM). Der Diplom-Erwachsenenpädagoge gründete 2003 seine Firma, die Betriebe in Fragen des Gesundheitsmanagements berät. „Wir bauen Strukturen und Prozesse auf und begleiten Unternehmen zwei bis drei Jahre bei der Umsetzung“.

Dafür hat die UBGM in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Berlin einen „Fragebogen für gesundes Leistungspotenzial“ entwickelt. „Damit analysieren wir in den Betrieben die gesundheitlichen Belastungen, aber auch die Potenziale“, erläutert Buchner. Im Anschluss werden zusammen mit dem Arbeitgeber Lösungen erarbeitet. Rückenschulen, mobile Massagen, Yoga-Kurse oder Personal-Trainer im Betrieb sind dabei ein guter Anstoß.

Doch um das Problem an der Wurzel zu packen, ist mehr nötig. „Gesundheitsmanagement ist kein Selbstläufer. Man braucht klare Strukturen und einen Verantwortlichen vor Ort, der die Maßnahmen im Unternehmen aktiv am Laufen hält“, mahnt Buchner. Um alle Mitarbeiter mit ins Boot zu holen, müsse Gesundheitsmanagement deshalb zu einer klaren Führungsaufgabe werden.

Mehr im Internet:

www.dnbgf.de

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