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Wirtschaft: Infineon-Chef Schumacher bleibt wohl in München ... aber träumt weiter von einem Konzernumzug in die Schweiz

Berlin (fo). InfineonChef Ulrich Schumacher spart was das Zeug hält: Bei den Mitarbeitern und bei den Steuern.

Berlin (fo). InfineonChef Ulrich Schumacher spart was das Zeug hält: Bei den Mitarbeitern und bei den Steuern. Vor allem durch die Verlegung des Firmensitzes ins Ausland will Schumacher die Kosten drücken. Am Dienstag wollte er über Einzelheiten informieren. Doch mehr als eine Drohung sind die Umzugspläne bislang nicht.

Schumacher kündigte statt dessen an, weitere 900 Stellen zu streichen und damit die Kosten um 500 Millionen Euro zu reduzieren. 5000 Jobs waren bereits der ersten Spar- und Optimierungswelle zum Opfer gefallen. Einspareffekt: 2,8 Milliarden Euro.

Zugleich bekräftigte Schumacher, „die finanziellen Vorteile einer Verlagerung des Konzernsitzes ins Ausland“ zu prüfen. Seine Priorität ist die Schweiz, denn dort holt sich der Staat im Schnitt nur 24 Prozent vom Unternehmensgewinn, in Deutschland sind es knapp 40 Prozent. Grund genug für ihn, das spektakuläre Projekt seinem Aufsichtsrat zu präsentieren. Da ließe sich ordentlich sparen, um – wie Schumacher es formuliert – den „weltweiten Unternehmenserfolg nachhaltig zu sichern“. Doch der Aufsichtsrat hat vorerst nichts beschlossen. Gewerkschaftskreise glauben ohnehin nicht, dass Schumacher sich mit einem Auswanderungsbeschluss durchsetzen könnte. Siemens, mit 39 Prozent größter Aktionär, müsste zustimmen. Und ob Konzernchef Heinrich von Pierer ein solches Politikum stützen würde, wird in der Industrie bezweifelt.

Zumal die Finanzstrategen den Plan noch nicht so richtig durchgerechnet haben. Zumindest das Steuerbelastungs-Argument zieht für Infineon nicht. Denn der ehemalige Siemens-Geschäftsbereich, der 2000 als Shooting-Star an die Börse ging, zahlt eigentlich keine Steuern. Im Gegenteil: Über einen Zeitraum von fünf Jahren kassierte die Halbleiterschmiede insgesamt 885 Millionen Euro an Rückerstattungen vom Staat. Verlustvorträge und andere steuertechnische Finessen sind der Grund dafür. Nur ein einziges Mal, im Jahr des Börsengangs, überwiesen die Münchener 612 Millionen Euro Ertragsteuern, in allen anderen Jahren hielt Schumacher beim Finanzamt München die Hand auf. Zuletzt (2002) bekam er immerhin 139 Millionen Euro.

So gesehen könnte es der Infineon-Chef eigentlich beim Firmensitz in Süddeutschland belassen. Das Unternehmen ist tief in die Verlustzone gerutscht und damit besteht die Chance, dass vorerst ohnehin keine Steuern gezahlt werden müssen. Infineon schiebt einen milliardenschweren Verlustvortrag vor sich her, der nach deutschem Steuerrecht Zug um Zug mit (möglichen) Gewinnen in der Zukunft verrechnet werden könnte.

Trotzdem begründet Schumacher die Abwanderungspläne vor allem mit der Steuerlast. Sein Vergleich mit dem Wettbewerber STM Microsystems hinkt. Der habe 400 Millionen Euro Steuern weniger gezahlt, verteidigte Schumacher am Dienstag seinen Plan. Doch der Vergleich bezieht sich ausgerechnet auf das Jahr 2000, dem einzigen Zahl-Jahr für Infineon.

Schumacher kritisierte erneut die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland. „Wir haben das Gefühl, dass es stabilere Standorte gibt, als der, an dem wir derzeit sitzen." Möglicherweise treiben ihn die Pläne der Regierung an, eine Mindestbesteuerung für Kapitalgesellschaften einzuführen. So plante Rot-Grün unter anderem, dass die Körperschaftsteuer in Zukunft nur zur Hälfte um Verlustvorträge gemindert werden könnte. Das hätte unmittelbare Folgen für die Steuerpflicht von Infineon, sobald wieder Gewinne eingefahren würden.

Vor allem die Gewerkschaften hat Schumacher zur Kritik herausgefordert. IG Metall-Aufsichtsrat Wolfgang Müller schlug vor, Infineon solle doch gleich nach Bagdad umziehen. Hier seien die Steuern in der Zeit des Wiederaufbaus bestimmt besonders niedrig. Schumacher sieht sich zu Unrecht in der Kritik. Infineon könne auf Dauer nur bestehen, wenn man die Kosten kontinuierlich optimiere. Bei einer Verlagerung des Firmensitzes ins Ausland könne ein hoher dreistelliger Millionenbetrag gespart werden. Dies sei für ihn greifbarer als „weiche Argumente“, wie die Verantwortung gegenüber dem Standort Deutschland. „Als simpler Ingenieur halte ich mich sehr gerne an Zahlen“, sagte er. Infineon beschäftigt in Deutschland 16 000 Mitarbeiter, weltweit 31 000.

Schumacher bekräftigte am Dienstag die Absicht des Konzerns, den Geschäftsbereich Automobil- und Industrieelektronik – den einzigen konstant profitablen Bereich – ins österreichische Villach zu verlagern. Hier sei bereits der größte Teil der Produktion gebündelt, begründete er den Schritt. Zugleich deutete er die Möglichkeit der Verlegung weiterer Sparten an.

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