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Wirtschaft: Infineon trudelt tiefer in die Verlustzone

Der Chipkonzern kämpft nicht nur mit Korruption. Auch das Geschäft läuft schlecht

München - Inmitten der Korruptionsaffäre um den zurückgetretenen Vorstand Andreas von Zitzewitz muss der Halbleiter-Hersteller Infineon am Dienstag voraussichtlich auch noch eine schlechte Zwischenbilanz vorlegen: Analysten rechnen damit, dass im dritten Quartal des Infineon-Geschäftsjahres 2004/05, das am 30. September endet, der Umsatz im Vergleich zum Vorquartal leicht auf 1,6 Milliarden Euro zurückgegangen ist. Zudem schätzen sie, dass sich der Quartalsverlust vor Steuern und Zinsen auf bis zu 187 Millionen Euro ausgeweitet hat. Im Vorquartal hatte Infineon nur 117 Millionen Euro Verlust gemacht.

Die frühere Siemens-Tochter Infineon war in die Schlagzeilen geraten, weil offensichtlich Mitglieder des Top-Managements Schmiergelder und unerlaubte Provisionen entgegen genommen haben.Vor einer Woche war deshalb der für die Speicherchip-Sparte zuständige Konzernvorstand Andreas von Zitzewitz zurückgetreten. „Die Korruptionsaffäre trifft Infineon mitten im Branchenabschwung“, sagt Analyst Theo Kitz vom Bankhaus Merck Finck.

Ursachen für das schlechter laufende Geschäft sieht Kitz vor allem in den Problemen bei der Kommunikations- und bei der Speichersparte. Die Kommunikationssparte leidet zurzeit unter hohen Restrukturierungskosten und dem schwachen Absatz von Siemens-Handys, für die Infineon Komponenten zuliefert. Siemens hatte seine Handysparte vor wenigen Wochen an den taiwanesischen Konzern BenQ verkauft. Der hat inzwischen klar gemacht, dass er Infineonchips nur noch dann bevorzugt verwenden will, wenn Preis und Qualität stimmen. Der Speichersparte, dem Zugpferd des Konzerns, machen unterdessen die niedrigen Preise und der hohe Wettbewerb zu schaffen. Die meisten Analysten glauben nicht, dass Infineon – wie ursprünglich geplant – im gesamten Geschäftsjahr operativ schwarze Zahlen schreiben wird.

Theo Kitz fürchtet außerdem, dass das Vakuum an der Spitze der Speicherchipsparte zum Risiko werden könnte. „Wenn Infineon nicht in diesem Jahr einen Nachfolger findet, wird sich das negativ auf die Speichersparte auswirken“, meint auch Analyst Thomas Hofmann von der Landesbank Rheinland-Pfalz.

Nach Ansicht von Analysten könnte durch die aktuellen Entwicklungen die gesamte strategische Ausrichtung des Konzerns ins Wanken geraten. Verlustreiche Randaktivitäten hat der seit knapp einem Jahr amtierende Vorstandschef Wolfgang Ziebart zwar inzwischen weitgehend verkauft. Der nächste Schritt, die Abspaltung und der Börsengang der Speichersparte, dürfte jedoch in weite Ferne gerückt sein. „Wenn das Thema auf der Tagesordnung stand, hat es sich jetzt bis auf weiteres erledigt“, glaubt Hofmann. Theo Kitz schätzt, dass Infineon einen neuen Anlauf nicht vor 2007 wagen wird. „Für den Konzern geht es nun erst einmal darum, in die Gewinnzone zurückzukehren und so das Vertrauen der Investoren zurückzuerobern“, sagt Analyst Günther Hollfelder von der Hypo-Vereinsbank.

Am Freitag hatte Infineon angekündigt, seine internen Informations- und Kontrollsysteme durch externe Gutachter prüfen zu lassen. Anlegerschützer hatten zuvor eine Sonderprüfung gefordert, in der auf Strafdelikte spezialisierte Wirtschaftsprüfer weitere mögliche Aspekte der Affäre untersuchen sollten. „Wir wissen erst einen geringen Prozentsatz von dem, was da alles gelaufen ist“, vermutet Klaus Schneider von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Am Donnerstag will sich der Aufsichtsrat mit dem Schmiergeldskandal befassen. „Da werden mit Sicherheit die Fetzen fliegen“, hieß es in Arbeitnehmerkreisen. Demnach sollen sich mehrere Aufsichtsratsmitglieder beklagt haben, über die Vorwürfe gegen den zurückgetretenen Chip-Vorstand von Zitzewitz mangelhaft informiert worden zu sein.

Dem 45-jährigen früheren Vorstand wird vorgeworfen, unerlaubte Provisionen für die Vermittlung von Sponsoring-Verträgen für Motorsport-Veranstaltungen in Höhe von 259000 Euro kassiert zu haben. Auch Aufsichtsratschef Max Dietrich Kley ist inzwischen unter Beschuss geraten. Er sei schon vor mehr als einem Jahr über die Beschuldigungen informiert worden, sei den Hinweisen auf eine Verstrickung von Zitzewitz’ jedoch nicht ausreichend nachgegangen, so lautet der Vorwurf.

Nicole Huss

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