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Gerade in der Baubranche sind menschenunwürdige Arbeitsbedingungen keine Seltenheit.

© dpa

Ausbeutung in Deutschland: Ins Land geholt, um den Lohn geprellt

Der DGB sorgt sich um ausländische Arbeitnehmer, die hierzulande ausgebeutet werden. Die Politik setzt auf Beratung.

Die zwölf Männer aus Bulgarien wollten ein wenig Geld verdienen und dann in ihre Heimat zurückkehren. Ein Vermittler hatte sie legal zur Arbeit auf einer Berliner Baustelle geholt. Zuerst blieb der Lohn aus. Dann flogen sie aus der Wohnung, weil ihr „Vorarbeiter“ die Miete nicht mehr zahlte. Verzweifelt holten sie sich bei einer Beratungsstelle Hilfe. Zu spät: Der Mann hatte sich da längst aus dem Staub gemacht. Der Bauunternehmer selbst hatte keine Ahnung.

Ob im Pflegebereich, auf dem Bau oder in der Landwirtschaft: In Deutschland arbeiten unzählige Menschen viel für sehr wenig Geld. Das Problem der Arbeitsausbeutung ist lange bekannt. Behörden und Gewerkschaften können dagegen aber meist wenig tun. „Die meisten Betroffenen schweigen“, sagt Bettina Wagner vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), die in Berlin ausgebeutete Arbeitnehmer berät. So blieben die modernen Arbeitssklaven meist unentdeckt. Der Fall der bulgarischen Bauarbeiter bilde da die Ausnahme.

Wie viele Menschen hierzulande unter widrigen Umständen für einen Hungerlohn arbeiten, ist unklar. Die Schätzungen gehen weit auseinander. Laut Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) zählen zu den stark betroffenen Branchen die Sexindustrie, Baugewerbe, Gastronomie und Haushaltsdienste.

Einem EU-Übereinkommen von 2005 zufolge fällt die Ausbeutung unter den Straftatbestand des Menschenhandels. Strafbar macht sich demnach, wer Menschen unter Bedingungen arbeiten lässt, die im auffälligen Missverhältnis zu vergleichbaren Tätigkeiten anderer Arbeitnehmer stehen. Auf die Spur kommt man den Tätern allerdings selten.

2010 wurden laut Bundeskriminalamt 24 Verfahren wegen „Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft“ abgeschlossen. Die Dunkelziffer sei erheblich größer. Vor allem bei Bürgern aus osteuropäischen Ländern wie Rumänien und Bulgarien, die hierzulande legal arbeiten dürfen, bestehe oft der Verdacht der Scheinselbstständigkeit mit Ausbeutungsstrukturen.

Norbert Cyrus vom Hamburger Institut für Sozialforschung kritisiert, dass die Menschenhandeldefinition nicht wirkungsvoll greife. „Beim Großteil der Ausbeutungsfälle trifft man auf fast einvernehmliche Verhältnisse. Viele haben sich zudem arrangiert. Deshalb ist es so schwer, etwas nachzuweisen.“ Sinnvoll seien dagegen bessere Regelungen der Arbeitsbedingungen und der sozialen Absicherung der Betroffenen.

Gewerkschaften und Politik setzen indes auf Aufklärung und mehr Beratungsstellen. Unklar ist, wie das finanziert werden soll. Laut eines Gesetzentwurfs, der diesen Monat im Bundestag zur Sprache kommt, sollen den Ländern und Kommunen für die Maßnahmen keine Kosten entstehen.

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