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Wirtschaft: Ins Netz gegangen

Die großen US-Medienkonzerne verlieren Werbekunden – das Internet wird immer attraktiver

Kaum etwas fürchten die großen Medienkonzerne mehr als den Verlust von Werbekunden und Publikum an das Internet. Die Angst sitzt so tief, dass sie Milliardensummen für neue Übernahmen und aggressive Internetprojekte ausgeben. Amerikanische Medienriesen wie Viacom, News Corp und Time Warner sind besorgt, dass sie bei der rasanten Entwicklung des Online-Werbemarktes leer ausgehen könnten, während ihre eigenen Gewinnquellen einbrechen.

„Langsam wachen die traditionellen Medienfirmen auf“, sagt Larry Kramer, Präsident der Viacom-Tochter CBS Digital Media. Doch die Medienkonzerne bewegen sich auf dünnem Eis: Sie müssen ihr Hauptgeschäft auf das Internet ausdehnen, ohne ihre traditionelle Kundschaft zu verprellen. So bietet etwa Viacoms Kabelkanal Nickelodeon nur einen Teil seines Fernsehprogramms online an, um dem Fernsehkanal nicht zu schaden.

In der Vergangenheit haben Fehler beim Onlinegeschäft den großen Medienkonzernen schwer zugesetzt. Sie investierten in viele kleine Websites, doch sie schafften es nicht, sich mit den heutigen Gewinnern des Onlinemarktes zu verbünden. Die Einsätze kannten keine Grenzen: Bestes Beispiel waren die umgerechnet 86 Milliarden Euro, die Time Warner das verunglückte Zusammengehen mit dem Internetportal AOL gekostet hat. Milliarden versickerten auch in kostenlose Onlineangebote, denn für die großen Werbekunden war die frühe Internet-Technologie noch nicht interessant genug.

In den vergangenen fünf Jahren seit der Internet-Krise ist die Zahl der schnellen Breitband-Anschlüsse allein in den USA auf 42 Millionen Haushalte gestiegen. Gemessen an den 73 Millionen Anschlüssen für Kabelfernsehen wurde das Internet damit zu einem ernsthaften Vertriebsweg für Spielfilme, Fernsehprogramme und für komplette Werbespots im TV-Format. Selbst Time Warner macht sich wieder Hoffnungen für seine Internetsparte AOL, nachdem man jahrelang erwogen hatte, die verlustträchtige Onlinetochter abzustoßen.

Schon 500 Millionen Dollar sind zuletzt in neue Investitionen für das Onlinegeschäft geflossen. Für Konzernchef Richard Parsons hat die Wiederbelebung von AOL höchste Priorität: „AOL ist eine große Wachstumschance für uns.“ Obwohl AOL stetig Kunden für den Internetzugang verliert, werden derzeit neue Gelder in ein neues Webportal gepumpt, das eines Tages mit Yahoo konkurrieren soll.

In den vergangenen Monaten hat auch News Corp 1,3 Milliarden Dollar für die Übernahme von Websites ausgegeben. Darunter MySpace.com, eine Website, auf der Millionen von Teenagern persönliche Profile gespeichert haben, und GameSpy.com, ein Chatroom für Videospiele.

Die Verkäufe von Online-Werbung stiegen 2004 um 33 Prozent auf ein Volumen von 9,6 Milliarden Dollar. Zwar ist dies nur ein Bruchteil des 141 Milliarden Dollar teuren Anzeigenmarktes der USA. Doch die Internetwerbung geht zunehmend zu Lasten der traditionellen TV- und Radiowerbung und schadet den traditionellen Gewinnquellen der Medienkonzerne immer mehr. Und bislang haben den größten Teil des Onlinegeschäftes nicht die Medienkonzerne eingestrichen, sondern die großen Internetportale. Allein im August haben die Webseiten von Yahoo 122 Millionen Besucher verzeichnet. Die gesammelten Portale des Medienkonzerns Walt Disney lockten dagegen nur 30 Millionen Besucher an, die News-Corp-Seiten sogar nur 12 Millionen. Besonders bedrohlich für die Medienhäuser: Yahoo rüstet sich selbst immer weiter zu einem Medienkonzern um.

Im vergangenen Jahr wurde der Ex-Disney-Manager Lloyd Braun mit dem Aufbau einer Mediensparte beauftragt, die Inhalte für Yahoos Webseiten produzieren soll. Inzwischen gibt es einen Reporter, der Kriegsreportagen exklusiv für die Online-Seiten schreibt und neun Wirtschaftsjournalisten für Artikel über Finanzthemen. News Corps Präsident Peter Chernin sagt, dass gerade Yahoos Expansion die Alarmglocken bei ihm und Konzernchef Rupert Murdock in Gang setzte. „Wir hörten ständig nur noch, dass Yahoo jetzt auch Inhalte produziert.“

Im Internet zählen die Besucherzahlen noch immer am meisten, denn die populärsten Portale ziehen die großen Werbekunden an. Die zehn größten Webportale streichen 71 Prozent des gesamten Branchenumsatzes ein, so die Wirtschaftsberatungsgesellschaft PriceWaterhouse Coopers. Doch nichts deutet darauf hin, dass die Werbekunden die gleichen Preise zahlen werden, wenn die Anzeigen anders als bei der Yahoo-Hauptseite auf mehreren Webseiten des gleichen Portals verstreut sind. „Wir können zwar mit verschiedenen Unterseiten arbeiten, doch es ist günstiger, die Besucherzahlen eines Hauptportals zu messen“, sagt Sean Finnegan, Direktor des Anzeigenhändlers OMD Digital. Genau dies ist auch der Grund, warum AOL sämtliche Inhalte jetzt auf dem neuen kostenlosen Portal AOL.com zusammengefasst hat.

Beim Medienkonzern Viacom, dem auch der Musikkanal MTV gehört, hält man dagegen nichts von der Portalstrategie. Schon jetzt kann Overdrive, die populäre Website des Musiksenders, höhere Werbepreise als für TV-Werbung außerhalb der Hauptsendezeiten verlangen. Ein Grund: Internetseiten können die Besucherzahlen wesentlich exakter messen als TV-Sender die Zuschauerzahlen. Anzeigenkunden zahlen für diesen Vorteil einen Aufpreis. Doch die Internet-Stars von heute können morgen schon im Abseits stehen.

So war die Kontaktbörse Friendster.com im vergangenen Jahr der Hit unter Teenagern, während in diesem Jahr MySpace.com den größten Anklang findet. Schon 17,7 Millionen Besucher zählte die Seite allein im Juni. „Was im letzten Jahr Friendster war, ist jetzt MySpace“, sagt Mike Dolan, Finanzvorstand von MTV Networks, wo man sich vergeblich um den Ankauf von MySpace.com bemüht hatte. „Man muss sehr vorsichtig sein und darf niemals Blanko-Schecks auf den Tisch legen, denn es kommen ständig neue Sachen auf den Markt.“

Julia Angwin

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