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Wirtschaft: Insasse 61727-054

Ein New Yorker Gericht verurteilt den Milliarden-Betrüger Bernard Madoff zu 150 Jahren Gefängnis

New York - Zustimmendes Gejohle erfüllt den Gerichtssaal und die weitläufigen Handelsräume der New Yorker Börse, als das Urteil über den wohl größten Betrüger in der US-Wirtschaftsgeschichte gefällt wird. Bernard Madoff, der Anleger um rund 65 Milliarden Dollar gebracht hat, wird zu 150 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.

„Er hat das Vertrauen seiner Freunde gebrochen, nur um in den teuersten Hotels zu leben und in seinem Privatjet zu fliegen. Er verdient es und wird zurecht von den Medien das Monster Madoff genannt“, sagte Bert Ross, der fünf Millionen Dollar durch Madoff verloren hat, nach der Urteilsverkündung.

Der 71-jährige Madoff selbst nahm den von harten Worten des Richters begleiteten Urteilsspruch regungslos auf. „Ich weiß, dass ist wegen seines Alters eine symbolische Entscheidung“, sagte der Vorsitzende Denny Chin. „Aber es musste eine deutliche Botschaft gesandt werden, dass wir solches Verhalten nicht tolerieren können.“ Die Bösartigkeit von Madoffs Vorgehen illustriere am besten der Umgang mit der Witwe eines Freundes, der zuvor unerwartet an einem Herzinfarkt gestorben sei. Madoff habe sie umarmt und ihr gleichzeitig von der Sicherheit seiner Anlagen vorgeschwärmt. Die Frau habe daraufhin weiteres Geld bei ihm investiert – und am Ende alles verloren.

Experten hatten vor der Urteilsverkündung mit einem Strafmaß von etwas mehr als 25 Jahren gerechnet. Chin ging offenbar darüber hinaus, um den Fall von anderen Straftaten abzugrenzen. So sitzt der Ex-Chef des Skandalunternehmens Worldcom, dessen Bilanzbetrügereien Anleger elf Milliarden Dollar kosteten, seit 2005 eine 25-jährige Haftstrafe ab.

Vor der Urteilsverkündung hatte Madoff völlig teilnahmslos den Vorträgen von in Tränen aufgelösten Opfern gelauscht. Dann wandte er sich während seiner abgelesenen, neun minütigen Verteidigungsrede mechanisch zu ihnen um. „Ich möchte mich entschuldigen, auch wenn ich weiß, dass es ihnen nichts bringt“, sagte er. Er führe ein grauenvolles Leben voller Schuld. Umfänglich entschuldigte er sich bei seiner Frau Ruth und seiner restlichen Familie, über die er Schande gebracht habe.

Experten waren sich einig, dass er nur zum Schein um Milde für sich bat. „Er nimmt alles auf sich. Er gibt nur zu, was er zugeben muss, um seine Frau und seine Familie zu schützen“, sagte Ex-Staatsanwalt Jay Fahy in einer ersten Einschätzung nach dem Verfahren. In diese offensichtliche Taktik des Madoff-Clans passte auch die später herausgegebene Erklärung von Ruth Madoff, sie sei vom Betrugssystem ihre Mannes zutiefst beschämt.

Viele Kunden kannten bislang nur den liebenswert warmherzigen „Onkel Bernie“. Geschickt hatte der Selfmademan über Jahrzehnte seinen Kunden, vor allem wohlhabende Amerikaner und große Stiftungen, Anlagegelder aus der Tasche gezogen und sie mit hohen Dividenden belohnt. Dass die Zahlungen nicht aus Kapitalmarktgewinnen stammten, sondern Neukunden die Altforderungen bedienten, fiel niemandem auf. Erst als in Folge der aktuellen Finanzkrise zu viele Investoren ihr Geld zurückhaben wollten, flog Madoff auf. Im Dezember 2008 stellte er sich frei willig den Behörden.

Bislang ist Madoff der einzige wegen des Betrugs selbst Angeklagte. Zwar musste seine Frau zuletzt Vermögenswerte in Höhe von über 60 Millionen Dollar an den Staat abtreten. Aber immerhin verfügt sie offiziell noch über 2,5 Millionen Dollar, die angeblich nicht aus dem Betrug stammen. Opfergruppen vermuten aber, dass sie viel mehr Geld beiseite geschafft haben könnte.

Bislang sind lediglich 1,25 Milliarden Dollar Vermögenswerte sichergestellt. Dem steht ein vermuteter, aber wegen der Verweigerungshaltung Madoffs bislang nicht bestätigter Schaden von rund 65 Milliarden Dollar entgegen.

„Es hat uns ein Leben gekostet, unsere Ersparnisse für den Ruhestand zusammenzubringen, aber Madoff hat sie in wenigen Augenblicken verspielt“, sagte Dominic Ambrosino. Der Endvierziger hofft, dass die Behörden weitere Madoff-Konten ausfindig machen. Der Verurteilte selbst wird den Ausgang dieser Prozesse nur noch als gewöhnlicher Strafgefangener beobachten können. Direkt nach Verkündung des Strafmaßes hat er vermutlich ein letztes Mal seinen dunklen, maßgeschneiderten Anzug gegen die kakifarbene Gefängniskleidung mit der Insassennummer 61727-054 getauscht.

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