zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Instant Messaging erobert jetzt auch die Unternehmen

Der bei Teenagern beliebte Benachrichtigungsdienst aus dem Internet hilft bei der Kommunikation – und steigert die Effizienz

Von William M. Bulkeley

Bis zum 11. September hatten Dexter Senfts Mitarbeiter von der Investmentbank Lehman Brothers keine Probleme, ihren Chef zu finden, wenn sie ihn brauchten. Sie teilten ein Büro im Zentrum Manhattens. Seit das Gebäude, das gegenüber dem World Trade Center lag, bei dem Terroranschlag beschädigt wurde, sitzen er und seine Mitarbeiter verstreut in 15 verschiedenen Büros. Seitdem war es schwer, Senft zu erreichen: Sein Handy ist oft besetzt, und wann er seine E-Mails liest, kann man nicht wissen.

Senft löste dieses Kommunikationsproblem durch eine Technik, die sonst eher bei Teenagern beliebt ist: dem Instant Messaging (IM). Dieser Internet-Dienst übermittelt nicht nur Nachrichten direkt auf den Bildschirm der Empfänger, sondern zeigt auch an, wer gerade erreichbar ist. Mittlerweile bewegt sich der Nutzerkreis von Instant Messaging von den Teenagern immer mehr in die Geschäftswelt hinein. Seine Anhänger sagen, es verbessere die Effizienz und helfe, einen seit 20 Jahren anhaltenden Trend umzukehren. Dank E-Mail und Voicemail, also Sprachnachrichten, wird es nämlich immer schwieriger festzustellen, wer tatsächlich im Büro und wer auf dem Golfplatz ist.

„Man hat das Gefühl, sich nicht verstecken zu können“, sagt Joseph Jones, Leiter einer Programmierfirma in Seattle, die vor einem Jahr begonnen hat, den elektronischen Kurzmeldedienst zu nutzen. Er sagt, er kontrolliere nicht, ob seine Angestellten, die überwiegend von zuhause aus arbeiten, online seien, „aber wahrscheinlich glauben sie, dass ich es tue“. Über die Buddy-Liste, ein Verzeichnis ausgewählter Gesprächspartner, wird anzeigt, ob der „Buddy“ erreichbar, beschäftigt oder nicht eingeloggt ist.

Bei manchen Instant-Messaging-Systemen ist es möglich, dass die Nutzer angeben, dass sie im Büro sind, auch wenn es gar nicht stimmt. Aber die gesellschaftlichen Konventionen, die sich rund ums IM gebildet haben, verbieten das. In vielen Büros gilt es als unhöflich, auf eine Online-Nachricht nicht sofort zu reagieren. Es gehört zum guten Ton, sich auszutragen, wenn man das Büro verlässt und sich als „beschäftigt“ anzugeben, wenn man weiß, dass man eine Weile nicht antworten kann.

James Alberg von der Washingtoner Anwaltskanzlei Shaw Pittman sagt, das Instant Messaging habe seine Beziehung zu den Geschäftspartnern in Übersee gefördert. „Wenn ich noch spät in der Kanzlei bin und sehe, dass jemand in London noch arbeitet, wo es sehr spät ist, dann frage ich: ,Warum arbeiten Sie noch?’ Sie freuen sich, dass jemand bemerkt, dass sie noch im Büro sind.“ Den Mandanten dagegen erlaubt er nicht, ihm Onlinenachrichten zu senden. „Als Anwalt braucht man Ruhe zum Denken, und wenn man jede Minute eine IM bekommt, ist das sehr störend.“ Dem Marktforschungsunternehmen International Data Corp. zufolge haben 20 Millionen Menschen weltweit bis Ende 2001 den neuen Internet-Dienst genutzt. Bis 2005 sollen es 300 Millionen sein.

Philip Kaplan, ein Computermanager von J.P. Morgan Chase&Co., sagt, wenn er auf Reisen sei, könne er nun auf einen Blick sehen, wer im Büro als Ansprechpartner zur Verfügung stehe. Kürzlich, als er um sieben Uhr morgens im Hotel seinen Laptop einschaltete, habe er bemerkt, dass es zu Hause im Büro ein Computerproblem gebe. „Ich habe mir die Buddy-Liste angesehen, gemerkt, dass eine Person anwesend war und deren n angeklickt.“ Durch eine IM bat er den Mitarbeiter, einen Server neu zu installieren. Ohne Instant Messaging hätte er jeden einzelnen seiner Mitarbeiter anrufen müssen, um herauszufinden, wer schon im Büro ist.

Bei den meisten Systemen müssen die Gesprächspartner damit einverstanden sein, in die Buddy-Liste eines anderen aufgenommen zu werden. Chris Niehaus, Produktmanager bei Microsoft, sagt, er könne zum Beispiel nicht Bill Gates auf seine Buddy-Liste setzen, wenn dieser nicht zustimme. Ohne diese Kontrolle könne man ohne Erlaubnis „Informationen über die Anwesenheit erhalten“, sagt Niehaus. Bei anderen Unternehmen braucht man diese Zustimmung nicht. Bei IBM sind weltweit 220000 Mitarbeiter für das IM registriert. Nutzer können bei speziellen Problemen nach innerbetrieblichen Experten suchen und sehen, welche Kollegen verfügbar sind.

„Wenn man jemanden in seiner Buddy- Liste hat, vertieft das die Beziehung zu dieser Person“, meint Francis deSouza, Präsident der IM Logic Inc., einem Bostoner Provider von IM-Software und Zubehör. „Es ist, als ob man mit jemandem auf engem Raum zusammensitzt. Nach einem Jahr wird man zwangsläufig zu Freunden.“

Texte übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (EMI), Svenja Weidenfeld (Instant Messaging), Christian Frobenius (Frankreich), Tina Specht (Koizumi) und Matthias Petermann (Johannesburg).

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false