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Dank seiner gefüllten Kassen kann der Internetkonzern in immer mehr Geschäftsfelder investieren - online und auch offline.

© afp

Internet: Googles ganze Welt der Daten

Google will alles wissen, aber nur selten verrät das Unternehmen, was es bereits alles weiß. Die Skepsis gegenüber dieser schönen neuen vernetzten Welt wächst - genauso wie die Abneigung gegen die Geschäftspraktiken des Internetriesen.

Der Anspruch ist gewaltig. Unser ganzes Leben will Google organisieren. Wir werden nie wieder etwas vergessen, uns nie mehr verlaufen, über jede Veränderung auf der Welt informiert sein, immer wissen was wichtig ist, uns nie langweilen und auch die Ideen werden uns nie ausgehen. Nur eine Einschränkung machte Eric Schmidt, damals noch Google-Chef, als er im Februar in der Berliner Humboldt-Uni seine Vision von der „ziemlich nahen“ Zukunft vorstellte: „Mit Ihrer Erlaubnis.“

Die kleine Einschränkung war wohl dem Berliner Publikum geschuldet, denn spätestens nach der Debatte um Street View war dem kalifornischen Unternehmen klar, dass hierzulande nicht alle guten Ideen des Unternehmens auch als solche angenommen werden. Die Skepsis gegenüber dieser schönen neuen vernetzten Welt, in der Google in alle Lebensbereiche vordringt, wächst. Ebenso die Kritik an Googles Geschäftsgebaren.

Seit vergangenem November läuft bei der Europäischen Kommission ein kartellrechtliches Prüfverfahren gegen Google wegen des möglichen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung in der Onlinesuche. Seit einer Woche gehen auch amerikanische Behörden dem Vorwurf nach. Die EU will mit der Federal Trade Commission (FTC) zusammenarbeiten, um die aufgeworfenen Fragen zu Google zu klären.

Die Untersuchung bedroht Google in seinem Kerngeschäft. In den USA laufen etwa 70 Prozent der Internet-Suchanfragen über Google, in Teilen Europas sind es sogar 90 Prozent. Geld verdient Google fast ausschließlich mit Werbung, immer wenn Nutzer auf die bezahlten Anzeigen klicken, auf den eigenen Webseiten oder auf Seiten im eigenen Werbenetzwerk. Zuletzt setzte das Unternehmen 30 Milliarden Dollar im Jahr um. Unter dem Strich blieben 8,5 Milliarden Dollar hängen.

Mit immer mehr Diensten zusätzlich zur Suche, versucht das Unternehmen, die Nutzer möglichst lang auf den eigenen Angeboten zu halten. Es gibt Produkte wie E-Mail, Nachrichten, Kalender, Fotoalbum sowie Kartensuche oder Navigation. Dabei sammelt Google immer mehr Daten über die Nutzer. Aber auch Informationen aller Art, beim Einscannen von Büchern zum Beispiel oder beim Fotografieren der Straßenlandschaft. Kaum jemand kann noch überblicken, wo Google überall engagiert ist. Das hat dem Unternehmen den Beinamen Datenkrake eingebracht. Googles Kernkompetenz ist die Verarbeitung und Analyse großer Mengen von Daten. Das erklärte Ziel ist, dem Nutzer möglichst genau die Information zu bieten, die für ihn persönlich die wertvollste ist. So unterscheiden sich die Ergebnisse erheblich voneinander – je nachdem, wer gerade eine Suche startet.

Mehr noch: Es gibt viele Geschäfte in die Google inzwischen direkt einsteigt. Wer „Flüge von Berlin nach Stuttgart“ in die Suchmaske eintippt, dem werden die Verbindungen angezeigt – ohne den Umweg über die Seite eines Reisevermittlers. Mit der Übernahme des amerikanischen Spezialisten für Flugdatensoftware ITA soll der Dienst noch besser werden. Das brachte Google viel Ärger mit Konkurrenten ein. Doch das sagenhafte Wachstum ist bedroht, wenn Nutzer immer mehr Zeit im Netz bei Facebook oder Twitter verbringen und sich dort ihre Empfehlungen holen. Deshalb hat das Unternehmen mit Google+ jetzt sein eigenes soziales Netzwerk geschaffen.

„Viele Nutzer wissen gar nicht, wie man ohne Google im Netz navigiert“, sagt Constanze Kurz vom Chaos Computer Club. Sie hält Googles „Lebensbegleitungsmanagement“ für problematisch, vor allem, weil Google sich bei seiner Technik nicht in die Karten schauen lässt. „Wir bekommen immer öfter Beschwerden von Leuten, die nie in den Suchergebnissen auftauchen und nicht wissen warum.“ Mit Angeboten wie Google+ erweitere der Konzern erneut seine Datenbasis. „Jeder bekommt am Ende nur noch die Infos, die zu seinen Interessen passen“, kritisiert Kurz. „Das mag manchmal praktisch sein, hat aber nichts mehr mit einer ungefilterten Informationsweitergabe zu tun. Es ist nicht demokratisch.“

Und gegen die Regeln des Wettbewerbs, sagen Konkurrenten. Microsoft gehört dazu. Der Softwarekonzern hat selbst erlebt, wie zeitraubend und kostspielig ein Wettbewerbsverfahren sein kann. „Es ist nicht verboten, eine marktbeherrschende Stellung zu haben“, sagt Kartellrechtsexperte Daniel von Brevern von der Kanzlei Linklaters. „Aber ein Unternehmen hat dann eine besondere Verantwortung gegenüber Kunden und Wettbewerbern.“ So müsse etwa geprüft werden, ob Google seine starke Stellung auf dem einen Markt auch auf andere Gebiete ausdehnt.

Kartellverfahren können teuer sein und Management-Kapazitäten binden. Eine Zerschlagung des Unternehmens hält von Brevern für unwahrscheinlich. „Der EU fehlt dafür das Instrumentarium“, sagt er. Womöglich strebt Google einen Vergleich mit den Behörden an, um ein langes Verfahren zu umgehen – oder eine saftige Geldstrafe zu vermeiden.

Constanze Kurz vom CCC hat weniger Sorge, dass Wettbewerbern wie Yahoo oder Microsoft das Wasser abgegraben wird. Sie sorgt sich um die Meinungsfreiheit. „Google hat schon immer eine dunkle Seite gehabt, das hat sich immer wieder im Umgang mit Diktaturen gezeigt“, sagt Kurz. „In China war ihnen der Markt auch wichtiger als Freiheit von Zensur.“ So hat Kurz sich auch nicht gewundert, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Media-Night der CDU im Beisein des Google-Europachefs von „imperialen Strukturen“ gesprochen hat. Die Rede kann man anschauen – und das obwohl CDU-TV sie via Youtube ins Netz gestellt hat. Youtube gehört auch zu Google.

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