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Zu viel Freiraum: Autoritären Staaten ist das Internet ein Dorn im Auge.

© dpa

Internet: Zwischen Freiheit und Kontrolle

Staaten, Geheimdienste und Konzerne wollen das Internet kontrollieren. Dem Chef der Netzverwaltung Icann geht das zu weit. Er fordert Regeln für das World Wide Web.

Berlin/Düsseldorf - Tim Berners-Lee, der die erste Internetseite schrieb, gilt als Erfinder des World Wide Web. In seinem Buch „Der Web-Report“ von 1999 klingt seine Vision des Netzes so: Alles mit allem zu verbinden, schenke neue Freiheiten und die Chance, schneller zu wachsen als je zuvor. Doch seine Idee könnte an der Wirklichkeit scheitern, denn die Freiheit des Netzes ist bedroht. „Das Internet ist inzwischen integraler Bestandteil unserer Gesellschaft, deshalb versuchen einige Akteure, die Kontrolle darüber zu erlangen“, warnt Fadi Chehadé im Interview mit dem „Handelsblatt“. Er ist seit fast zwei Jahren Leiter der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (Icann). Aufgabe der Organisation aus Los Angeles ist unter anderem die Vergabe von IP-Adressen, der einmaligen Anschrift von Geräten im Netz. „Wenn die Folge der Kontrollversuche eine Zersplitterung des Internets ist, wird das enorme Schäden für die Wirtschaft verursachen.“

Die Regulierung des Internets wurde in den vergangenen Jahren vernachlässigt

Es steht viel auf dem Spiel: Laut der Unternehmensberatung Boston Consulting Group werden bis 2016 drei Milliarden Menschen online sein. Die Internetwirtschaft in den 20 größten Volkswirtschaften wird bis dann auf 4,2 Billionen Dollar steigen – etwa 15 Prozent mehr als Deutschlands aktuelles Bruttoinlandsprodukt. Die Bedeutung des Netzes ist also unbestritten. Die Frage aber, wie der rechtsfreie Raum reguliert werden soll, wurde in den letzten 25 Jahren vernachlässigt. Gelingt es der Welt, sich auf gemeinsame und verbindliche Regeln für das Netz zu einigen? Sollen die Staaten größeren Einfluss auf das Netz bekommen? Wie kann grenzüberschreitende Cyberkriminalität bekämpft werden?

Autoritäre Staaten nutzen das Netz zum Machterhalt

Das momentane Machtvakuum verleitet Staaten, Geheimdienste und Unternehmen dazu, das Netz zu ihrem Vorteil zu missbrauchen: Autoritär regierte Länder wie die Türkei, China oder der Iran sperren Teile des Netzes, um Informationen zu filtern und so ihre Macht zu sichern. Geheimdienste wie die US-amerikanische NSA zapfen das Internet an und greifen Nutzerdaten ab. Die absolute Überwachung eliminiert die Privatsphäre der Internetnutzer zunehmend. Auch Unternehmen versuchen die Regellosigkeit des Internets zu ihrem Vorteil zu nutzen: In den USA wollen Internetprovider künftig einen Aufpreis verlangen, um Daten schneller durch das Netz zu schicken. Das widerspricht dem Gleichheitsgedanken des Internets und benachteiligt Firmen oder Nutzer, die sich höhere Preise nicht leisten können. Chehadé fordert deshalb: „Es muss uns gelingen, verbindlichere Regeln zu etablieren, ohne die positiven Dynamiken des Internets zu beschädigen.“ Und er mahnt zur Eile: „Die nächsten zwölf Monate werden darüber entscheiden, ob die Welt in diese oder jene Richtung marschiert.“ (HB)

Till Hoppe[Ina Karabasz

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