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Interview: BMW-Deutschlandchef: „Der Wendepunkt ist wohl erreicht“

BMW-Deutschlandchef Karsten Engel zeigt sich im Tagesspiegel-Interview vorsichtig optimistisch. Das Geschäft des Automobilkonzerns läuft nach der Krise wieder einigermaßen stabil.

Herr Engel, BMW hat im November deutlich mehr Autos verkauft als vor einem Jahr. Ist die Autokrise vorbei?



Für eine Entwarnung auf den weltweiten Automobilmärkten ist es trotz positiver Anzeichen noch zu früh. Wenn uns aber Anfang des Jahres jemand gesagt hätte, wo wir heute stehen, hätten wir das nicht geglaubt. Bei Mini werden wir in Deutschland einen Rekordabsatz mit einem Zuwachs von rund zehn Prozent erzielen. Bei BMW wird das Minus im einstelligen Prozentbereich liegen. Das ist besser als wir im Januar zu hoffen wagten.

Im Gesamtjahr verkauft BMW trotzdem zehn bis 15 Prozent weniger.

Bis Ende November liegen wir in der Group weltweit bei einem Rückgang von rund 12 Prozent. Der Wendepunkt ist wohl erreicht. Seit zwei, drei Monaten läuft das Geschäft wieder recht stabil. Natürlich auf einem Niveau, das noch viel zu niedrig ist. Dennoch werden wir 2009 der weltweit führende Premiumhersteller bleiben.

Für 2010 sehen viele Autoexperten für den deutschen Markt schwarz, weil es die Abwrackprämie nicht mehr gibt. Sie auch?

Im nächsten Jahr wird der Gesamtmarkt aus unserer Sicht um bis zu einer Million Fahrzeuge zurückgehen. Der Rückgang wird vor allem die Volumenhersteller, die Hersteller von Klein- und Kleinstwagen, treffen. Die Abwrackprämie hat uns als Premiumhersteller nicht wirklich geholfen. Wir rechnen daher damit, dass das Premiumsegment in Deutschland 2010 stabil bei rund 800 000 Fahrzeugen bleibt. Ich bin mir sicher, dass wir unseren Anteil steigern und qualitativ sowie quantitativ wachsen werden.

Und das, obwohl 2010 die Arbeitslosigkeit steigt, der private Konsum stagniert, die wirtschaftliche Erholung mehr als unsicher ist?

BMW und Mini wecken neue Begehrlichkeiten. Wir erneuern in den kommenden Jahren die Modelle, die 50 Prozent unseres Volumens ausmachen. Die Produktion des neuen X1 und des 5er Gran Turismo ist angelaufen, die Bestellungen übertreffen deutlich unsere Erwartungen. Für den X1 gibt es momentan Lieferzeiten von vier Monaten. Auch der 5er Gran Turismo verkauft sich besser als geplant. Und Anfang nächsten Jahres kommt der neue 5er auf den Markt, der bei seiner ersten Präsentation viel Lob von allen Seiten bekommen hat. Mit diesen Fahrzeugen und den anderen Modellen im Köcher werden wir Marktanteile gewinnen.

Auch bei den gewerblichen Kunden, die 60 Prozent des Absatzes ausmachen?

Wir gehen davon aus, dass Unternehmen die Bestellstopps für Dienstwagen in den nächsten Monaten wieder aufheben. 2009 haben die gewerblichen Groß- und Flottenkunden kaum Neufahrzeuge bestellt. Das ändert sich sukzessive. BMW hat dank der verbrauchsreduzierenden Efficient-Dynamics-Technologien einen Wettbewerbsvorteil, so richten Unternehmen ihre Dienstwagenflotte immer stärker nach Umweltgesichtspunkten aus.

2010 wird eine Rabattschlacht auf dem deutschen Markt erwartet. Kann sich BMW der Preisspirale entziehen?

Die Nachlässe in der gesamten Branche sind deutlich zu hoch. Im Klein- und Kleinstwagensegment wird es 2010 durch den Wegfall der Abwrackprämie noch ruinöser werden.

Im dritten Quartal hat BMW rund 20 000 Autos weniger an die Händler ausgeliefert, um den Verkaufsdruck nicht zu erhöhen. Viele Höfe sind trotzdem noch voll, vor allem mit Gebrauchtwagen.

Wir haben Ende 2008 schon damit begonnen, die Produktion zu reduzieren. Im Laufe dieses Jahres waren wir sehr vorsichtig und haben den Lagerbestand bei Neufahrzeugen im Vergleich zum Vorjahr nicht erhöht. Bei den Gebrauchten hat die Abwrackprämie zu hohen Restwertverlusten in der Branche geführt. Alle Hersteller und Händler haben sehr viel Geld verloren. Sämtliche Gebrauchtwagen in Deutschland haben durch diese Prämie über Nacht 2500 Euro an Wert verloren. Bei den jungen Gebrauchten haben wir die Lagerbestände und den Zufluss deutlich reduziert. Deshalb sind die Durchschnittsrenditen der BMW-Händler aktuell positiv und etwas höher als vor einem Jahr. Das ist bei den Wettbewerbern anders.

Wie lange steht ein gebrauchter BMW auf dem Hof?

Anfang des Jahres waren es mehr als 100 Tage und jetzt sind es rund 70. Das ist ein guter Wert. Viel kürzer geht es nicht.

Dennoch bleibt die Ertragssituation deutscher Autohändler miserabel. Wie kann man den Autovertrieb effizienter machen?

Der Vertrieb ist das Gesicht des Unternehmens. Hier darf nicht gespart werden. Ziel ist es aber, dass wir noch effizienter werden. Wir haben allein in Deutschland über 230 Unternehmer als Handelspartner, die über 700 BMW-Autohäuser betreiben. Hier gibt es Ansätze wie beispielsweise optimierte Verwaltungen oder bessere Kundenbetreuungssysteme. Die Händler müssen deutlich effizienter werden, wenn sie bei dem Wachstumskurs, den sich BMW vorgenommen hat, mithalten wollen.

Den Bau seiner großen Niederlassung am Kaiserdamm hat BMW auf Eis gelegt. Investieren Sie noch in Berlin?

Der Standort Berlin hat weiter höchste Priorität. Das zeigt auch unser Engagement als neuer Hauptsponsor der Berlinale. Im Premiumsegment haben wir in diesem Jahr in der Hauptstadt Marktanteile gewonnen. Wir haben das Neubauprojekt am Kaiserdamm zwar gestoppt, aber die Niederlassung wird gebaut. Einen genauen Zeitpunkt gibt es aber noch nicht.

BMW spart an allen Ecken und Enden. Wird sich das auch auf die Ausstattung und Verarbeitung der Fahrzeuge auswirken?

Nein, mit Sicherheit nicht. Die künftigen Fahrzeuge werden an Wertigkeit sogar noch dazugewinnen. Was der Kunde sieht und fährt, wird immer ein BMW oder Mini sein. Wir setzen in der Produktion stärker auf das Baukastenprinzip, um die Kosten zu senken. Man muss ja nicht jede Klimaanlage für jedes Auto neu entwickeln.

Zwei Jahre lang waren Sie Chef der Werkstattkette ATU. Haben Sie etwas gelernt, das Sie jetzt bei BMW umsetzen können?

Mit speziellen Angeboten holen wir zum Beispiel Kunden in die Vertragswerkstatt zurück, die ihren älteren BMW sonst auf dem freien Markt reparieren lassen würden. So gewinnen wir neue Kunden für unsere Werkstätten. Und weil neue Fahrzeuge immer seltener in die Werkstatt müssen, haben wir dafür auch Kapazitäten frei. Dass BMW-Betriebe teurer sind, ist ein Irrglaube aus der Vergangenheit.

Wie spart er in der Vertragswerkstatt?

Wir werden in Zukunft für ältere Fahrzeuge auch preiswertere Ersatzteile anbieten.

Ungewöhnliche Töne für einen BMW-Manager. Wie weit kann sich die Marke BMW in Zeiten der Klimadiskussion vom traditionell sportlichen Image lösen? Gehört dazu auch der Ausstieg aus der Formel 1?

BMW wird auch in Zukunft wie keine andere Marke für Dynamik und Freude am Fahren stehen. Das Markenimage wird jedoch um das Thema Nachhaltigkeit erweitert. Wir haben in Efficient-Dynamics-Technologien bislang 1,2 Milliarden Euro investiert. Als wir die ersten Fahrzeuge mit Efficient Dynamics vorstellten, hat sich der eine oder andere verwundert die Augen gerieben. Heute haben wir im Premiumsegment die besten Verbrauchs- und Emissionswerte, denn wir bieten diese Technologie im Gegensatz zum Wettbewerb serienmäßig in der gesamten Flotte an. Der Ausstieg aus der Formel 1 war konsequent und richtig, wenn wir den Weg als nachhaltiges Unternehmen weiter gehen wollen.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer.

DER MANAGER

Karsten Engel (51) ist seit Februar dieses Jahres Deutschlandchef bei BMW und damit für den Vertrieb von BMW, Mini und Rolls-Royce auf dem deutschen Markt verantwortlich. Der Diplomkaufmann arbeitet sei 1985 bei BMW, so als Regionalmanager in Südostasien und als Leiter der Niederlassung in München. Mit einer Unterbrechung: Von 2005 bis 2007 war er Vorstandschef der Werkstattkette ATU.

DAS GESCHÄFT

In den ersten drei Quartalen 2009 setzte die BMW Group mit ihren drei Marken weltweit knapp 940 000 Fahrzeuge ab, davon gut 201 000 in Deutschland. Wegen des scharfen Einbruchs auf dem US-Markt ist Deutschland für BMW zurzeit der größte Absatzmarkt.

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