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Horst Seehofer

© ddp

Interview: "Die Verbraucher sind bereit, mehr zu zahlen“

Bundesagrarminister Seehofer spricht mit dem Tagesspiegel über das Ende des Milchboykotts und wie es jetzt weitergeht.

Herr Seehofer, die Milchbauern haben angekündigt, die Molkereien wieder zu beliefern. Ist das das Ende des Milchstreits?

Die Milchbauern haben sich bereit erklärt, den Milchboykott zu beenden. Es muss sich also niemand Sorgen machen, dass es keine Milch in den Regalen gibt. Im Gegenzug wollen die Unternehmen flächendeckend den Preis für Milch erhöhen, um damit den Bauern entgegenzukommen. Das ist für beide Seiten ein ganz wichtiger Schritt.

Lidl hat als erster Einzelhändler angekündigt, die Preise für Milch zu erhöhen, Rewe, Aldi-Süd und andere schließen das nicht aus. Werden die Verbraucherpreise jetzt flächendeckend steigen?

Was Lidl und andere Lebensmittelhändler angekündigt haben, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich habe in einem Vierteljahrhundert Politik schon vieles begleitet, aber die Milchpreisverhandlungen waren der mit Abstand sensibelste Bereich. Noch schwieriger als die Gesundheitsreform.

Ein paar Meter von Ihrem Ministerium entfernt haben die Bauern für faire Milchpreise demonstriert. Haben Sie für die Zukunft eine Empfehlung, wo der liegen könnte?

Den konkreten Preis vereinbaren allein die Wirtschaftsbeteiligten. Aber Experten sind der Meinung, dass ein Preis von mindestens 40 Cent für die Bauern kostendeckend ist und deshalb auch fair.

Und der Meinung sind Sie auch?

Das habe ich von Anfang an so vertreten.

Haben Sie nicht im letzten Sommer, als der Milchpreis hoch war, die Verbraucher noch dazu aufgefordert, ihre Macht auszuspielen und preisgünstig einzukaufen?

Das ist doch kein Widerspruch. In einer neuen Umfrage sagen 88 Prozent der Verbraucher, dass sie bereit sind, mehr Geld für die Milch zu zahlen, wenn das den Bauern in voller Höhe zugute käme. Insofern ist die Grundfrage: Verbraucherschutzminister und Bauernminister kein Widerspruch. In meiner Brust schlagen zwei Herzen und zwar gut.

Dieselben Verbraucher, die angeblich bereit sind, höhere Milchpreise zu zahlen, kaufen dann im Discounter ein. Nirgendwo ist der Anteil der Billigketten so hoch wie in Deutschland.

Maßvolle Verbraucherpreise und eine leistungsfähige Landwirtschaft schließen einander nicht aus. Faire Preise akzeptieren die Leute, das haben sie im vergangenen Jahr ja auch schon getan.

Milchpreise werden in Verhandlungen gemacht. Bei der letzten Preisrunde hatten die Bauern offenbar keine Verhandlungsmacht. Bräuchten sie mehr Schutz durch die Politik?

Ich kann das Problem als Politiker in einer Marktwirtschaft nicht lösen, ich kann nur versuchen, es einer Lösung zuzuführen. Wenn das gelungen ist, werden wir uns Strukturfragen zuwenden – unter anderem der Frage, wie es um die Angebotsmacht der Bauern gegenüber anderen Wirtschaftsbeteiligten steht.

Wird das Thema des von Ihnen angekündigte Milchgipfels sein?

Es geht um die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft. Wir beginnen mit dem Milchgipfel in Kürze. Eingeladen werden die Bauern, die Bundesländer und alle Beteiligten der Milchwirtschaft.

Wie kann man verhindern, dass sich die dramatischen Szenen von Bauern, die ihre eigene Milch wegkippen, wiederholen?

Die Bauern leiden am stärksten darunter, ihr eigenes Produkt wegzuwerfen. Darum teile ich die Ansicht von Kirchenvertretern: Dass die Milch weggegossen wird, ist ein Problem. Ein vergleichbar großes ethisches Problem ist, dass es um die Existenzen der Bauern geht. Die richtige Antwort ist, den Bauern einen vernünftigen Preis für ihre Produkte zu zahlen. Wir sind auch gut beraten, wenn wir versuchen, so etwas wie eine Grundversorgung mit Lebensmitteln im eigenen Land sicherstellen zu können – bei aller Bejahung des Welthandels.

Vor Ihnen steht eine Tasse Kaffee. Trinken Sie eigentlich auch selbst Milch?

Ich trinke privat fast ausschließlich Milch, das glaubt mir nur niemand.

Das Gespräch führten Heike Jahberg und Maren Peters.

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