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Interview: „Ich sehe eine Chance für Opel“

VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh über die Rettung des Konkurrenten, die Folgen der Absatzkrise und den Streit mit Porsche

KARRIERE

Bernd Osterloh wurde in Braunschweig als Sohn eines Eisenbahners geboren. Nach der Schulzeit absolvierte er eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei Rollei. 1977 wechselte er in die Produktion zu Volkswagen nach Wolfsburg, seit 1990 ist er Mitglied des Betriebsrats.

FUNKTION

Nachdem Betriebsratschef Klaus Volkert im Sommer 2005 wegen der VW-Affäre zurücktreten musste, rückte Osterloh nach. Als VW-Betriebsratsvorsitzender und ehrenamtliches Mitglied des IG-Metall-Vorstands

ist der 52-Jährige einer der mächtigsten Arbeitnehmervertreter Deutschlands.

Herr Osterloh, warum soll VW Boote bauen und Blockheizkraftwerke?

Das Wachstum in der Automobilindustrie wird vor allem außerhalb Westeuropas stattfinden. Deshalb wollen wir, dass geprüft wird, ob wir entlang der automobilen Wertschöpfungskette ergänzende Geschäftsfelder finden können, mit denen wir Geld verdienen und die gleichzeitig Arbeitsplätze schaffen. Wir haben ein unglaubliches Know-how bei der Entwicklung von Motoren, die auch für Blockheizkraftwerke und für Boote geeignet sind. Es geht uns als Betriebsrat nicht zuletzt darum, die Produktivitätssteigerung von zehn Prozent jährlich durch ergänzende Geschäftsfelder aufzufangen.

Was sagt der Vorstand dazu?

Der denkt darüber nach. Es gibt ja bereits solche Geschäftsfelder: Bei Gabelstaplermotoren sind wir weltweit die Nummer zwei. Wir fordern, dass solche Geschäfte systematisch identifiziert und aufgebaut werden. Das Unternehmen profitiert in Form von Rendite und die Beschäftigten bei der Arbeitsplatzsicherheit.

Sind zehn Prozent Produktivitätszuwachs jedes Jahr in den Autofabriken realistisch?

In den nächsten drei, vier Jahren gehe ich jedenfalls von rund 30 Prozent aus. Wir arbeiten bei VW hart an diesen Zielen. Denn auch das ist eine Voraussetzung dafür, dass VW wettbewerbsfähig ist und wir damit die Arbeitsplätze dauerhaft sichern können.

VW-Chef Winterkorn will den Absatz bis 2018 von zuletzt 6,3 Millionen Autos im Jahr auf elf Millionen erhöhen. Wenn das klappt, dürften die Produktivitätsschübe ohne Arbeitsplatzverluste ablaufen.

Wie gesagt: Das Wachstum wird nach unseren Prognosen hauptsächlich außerhalb Europas stattfinden. Deshalb müssen wir intelligente Lösungen finden, wie wir die Beschäftigung hier langfristig sichern. Die Wachstumsstrategie 2018 tragen wir gemeinsam mit Dr. Winterkorn. Volkswagen wird seine Ziele erreichen.

Die Überkapazitäten in der weltweiten Autoindustrie werden immer größer. Wäre es vor diesem Hintergrund nicht eine Marktverzerrung, wenn der Staat Opel hilft?

Überkapazitäten entstehen dadurch, dass man in neue Märkte will. VW ist weltweit inzwischen die Nummer drei, und das geht nur mit Werken in den wichtigsten Märkten. Mit Opel hat das wenig zu tun.

Eine Folge von Überkapazitäten ist Verdrängungswettbewerb, Unternehmen verschwinden vom Markt.

Ja klar, soweit ich das sehen kann, hat sich der Kapitalismus fast überall auf der Welt durchgesetzt. Aber dieser Kapitalismus braucht mindestens Regeln, die die Menschen schützen, denn die Auswüchse dieser alleinigen Orientierung am Markt bekommen wir jetzt alle in der Finanzkrise zu spüren.

Und der Markt braucht Opel nicht.

Was der Markt braucht, sind Konsumenten. 26 000 Opel-Beschäftigte – diese Zahl ist doch metaphysische Holzwolle. Es geht doch in Wahrheit um viel mehr Menschen. Da hängen Familien dran und Zulieferer, Handwerker und Händler, Schlachter und Friseure. Die Grundlage eines viel beschworenen Dienstleistungslandes ist industrielle Fertigung. Und zu dieser Grundlage gehört Opel. Wenn es eine nachhaltige Perspektive für die Traditionsmarke gibt, dann sind staatliche Hilfen richtig.

Und wer entscheidet, ob die Perspektive nachhaltig ist?

Die Regierung lässt sich von Experten beraten. Mir geht es um die Menschen. Die sind für die Situation nicht verantwortlich. Die haben einen guten Job gemacht und sollen jetzt die Fehler anderer ausbaden. 26 000 Opel-Mitarbeiter zahlen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Wenn die Arbeitsplätze weg sind, bekommen die Arbeitslosengeld. Da kommen gewaltige Summen zusammen, die man den beantragten 3,3 Milliarden Euro an staatlichen Hilfen gegenüberstellen müsste.

In diesem Jahr steigt die Arbeitslosigkeit voraussichtlich um rund 400 000 Personen. Die können Sie nicht alle durch staatliche Hilfen im Job halten.

Dass die Hypo Real Estate bislang ein Vielfaches an Milliarden Euro staatliche Bürgschaften und Kapitalspritzen erhalten hat, wird viel weniger thematisiert. Die Bank ist offenbar systemimmanent, warum ist das bei Opel anders?

Weil die deutsche Autoindustrie auch ohne Opel gut aufgestellt ist.

Ich sehe das, wie gesagt, aus der Situation der Menschen. Und ich sehe nach wie vor eine Marktchance für Opel.

Sie sagen, „die Arbeitsplätze bei VW sind sicher“. Wie lange gilt das?

Jetzt könnte ich sagen: Bis der Himmel einstürzt und alle Spatzen tot sind. Aber ernsthaft: Das gilt so lange, wie sich die Kunden für unsere Fahrzeuge entscheiden. Das ist momentan so, weil wir mit den richtigen Fahrzeugen am Start sind. In diesem Jahr bieten wir zum Beispiel einen Golf an, der 99 Gramm CO2 ausstößt, das hat kein Wettbewerber. Deshalb stehen wir besser da als andere.

Es gab kürzlich eine Woche Kurzarbeit.

Ja, auch VW kann sich der Finanzkrise nicht gänzlich entziehen. Aber mit der Umweltprämie, die wir als Betriebsrat gefordert haben, geht es derzeit wieder bergauf. Allerdings gilt das nur für den deutschen Markt. Erst zog der Absatz von Fox, Polo, Skoda Fabia und Seat Ibiza an, dann kam der Golf dazu. Normalerweise haben wir im Februar 40 000 Autos verkauft, in diesem Jahr waren es 130 000.

Irgendwann ist die Prämie alle. Gibt es dann einen Einbruch?

Erinnern Sie sich noch, dass alle sogenannten Experten anfangs vor der Einführung der Prämie gewarnt haben, weil angeblich nur ausländische Hersteller davon profitieren würden? Die sind verdammt ruhig geworden. Vielleicht sollten wir also auch an anderer Stelle nicht immer so schwarz malen. Rund die Hälfte der Leute, die mit der Prämie ein Auto des VW-Konzerns gekauft haben, fuhren vorher eine andere Marke. Da scheint auch Potenzial für die Zeit nach der Prämie vorhanden zu sein.

Es gab viel Theater zwischen Porsche und VW, vor allem den jeweiligen Betriebsräten, im Streit um die Mitbestimmungsvereinbarung. Ist jetzt alles gut?

Das war nie eine Auseinandersetzung mit unseren Betriebsratskollegen von Porsche. Mit Uwe Hück und seinen Kollegen arbeiten wir gut zusammen. Ansonsten gilt für den Vorstand von Porsche, dass man sich Vertrauen erarbeiten muss. Da ist bei der Belegschaft von VW viel Porzellan zerschlagen worden. Wir wollen jetzt aber nicht zurückblicken: Wir sind auf einem guten Weg. Und ich hoffe, dass das jetzt auch so bleibt.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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