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© Thilo Rückeis

Interview: "In Berlin lerne ich noch etwas"

Der Chef der Förderbank IBB, Ulrich Kissing, über den Standort Berlin, die Pläne der Investitionsbank und die Finanzaufsicht.

Herr Kissing, wie sehen Sie die Chancen des Standorts Berlin?



Wirtschaftlich hinkt Berlin Städten wie München, Frankfurt oder Hamburg hinterher, das ist unbestritten. Das ist bedingt durch die geschichtliche Entwicklung. Aber ich glaube, dass Berlin Potenzial hat, mit seinen Hochschulen und den vielen jungen Unternehmen. Diese Unternehmen finden hier Mitarbeiter, die gerne in Berlin leben und arbeiten. Für mich war die Stadt ja auch ein großer Pluspunkt bei der Jobentscheidung.

Momentan steht Berlin im Vergleich ganz gut da, weil Industrie fehlt und weil Dienstleistungen stark sind. Aber das ist ja nicht dauerhaft.

Die relative Stärke in der Krise ist sicher keine Stärke auf lange Sicht. Wir sehen aber, dass der Exportanteil in Berlin zunimmt und das ist wichtig. Wir müssen Europa als Binnenmarkt sehen. Deutschland hat enorm profitiert von der Europäischen Integration und der Erweiterung.

Aber die Drehscheibe Osteuropa ist nicht Berlin, sondern Wien.


Das ist so, da müssen wir viel nachholen. Stichwort Flughafen: Wenn ich mit Air Austria geflogen bin, habe ich oft gedacht, dass heute auch Berlin all diese Verbindungen nach Mittel- und Osteuropa haben könnte, wenn der Großflughafen früher gebaut worden wäre.

Kann man das noch aufholen?

Ich denke immer optimistisch. Ohne Optimismus gibt es kein Unternehmertum. Man muss Rahmenbedingungen schaffen, damit Unternehmen hier nicht nur herkommen, sondern auch wachsen und dabei Unterstützung finden. Der neue Unternehmensservice bei Berlin Partner ist ein guter Ansatz. Wir brauchen schnellere Anmeldungen, Anfragen müssen unbürokratisch behandelt werden. Die eine oder andere Region im Süden von Deutschland ist uns hier voraus. Weil sie dort früh verstanden haben, dass Wohlstand von den mittelständischen Unternehmen geschaffen wird.

Sehen Sie Berlin als Industriestandort?

Mit knappen hunderttausend Industriearbeitsplätzen in einer Millionenmetropole können Sie sich schwerlich als großer Industriestandort definieren. Aber wo hinterher produziert wird, ist teilweise sekundär. Wichtig ist, dass hier Innovationen entstehen. Apple ist auch erfolgreich und die Produktion findet nicht in Kalifornien statt, sondern in Asien.

Was haben Sie sich vorgenommen?

Bei der IBB muss der Fördergedanke ganz vorne stehen. Ich sehe als meine Aufgabe eine Zunahme des Fördergeschäfts, im Sinne des Landes Berlin.

Damit verdient man aber kein Geld.


Das schließt sich nicht aus. Wir müssen die fördern, die förderungswürdig sind, bei denen es eine mittel- bis langfristige Perspektive gibt, damit es sich für den Steuerzahler rechnet. Es macht keinen Sinn, etwas zu fördern, von dem man meint, dass es sich wirtschaftlich nicht behauptet.

Ihr Vorgänger hat zu seinem Abschied das beste operative Ergebnis in der Geschichte der IBB vorgelegt. Werden Sie das in 2009 übertrumpfen?

Wir werden sicherlich an das Ergebnis von 2008 anknüpfen, wohlwissend, dass das Umfeld schwieriger geworden ist und damit auch die Risiken zugenommen haben. Im Moment liegen wir in der Wirtschaftsförderung mit 1086 Bewilligungen beim Vorjahresniveau. Beim Volumen sind wir mit 481,6 Millionen Euro über dem Vorjahreswert. Das liegt aber vor allem an der Konsortialfinanzierung des Flughafen BBI in Höhe von 310 Millionen Euro, ohne die wir den Vorjahreswert derzeit nicht hätten.

Was folgt daraus für die IBB?

Die IBB hat bislang vor allem Investitionen und Gründungen gefördert und weniger Kredite vergeben für Liquiditätsengpässe oder Umschuldungen. Jetzt in der Krise investieren die Unternehmen geringere Beträge oder stellen Investitionen ganz zurück.

Heißt das, Sie schließen künftig mehr Liquiditätslücken?

Mit dem Land sind wir dabei, den Rahmen für unsere Geschäfte zu erweitern. Gesunde Unternehmen sollen gefördert werden, wenn sich andere Geldgeber verabschieden. Wir müssen den Firmen aus der Liquiditätslücke heraushelfen, damit sie die Krise überstehen.

Das kann aber teuer werden.

Ja, das müssen wir genau prüfen. Wir würden auch nie zu 100 Prozent einspringen, sondern nur mit den Geschäftsbanken zusammen.

Es gibt für solche Fälle auch einen Liquiditätsfonds. Von dem sind bestimmte Branchen aber ausgeschlossen, wie der Einzelhandel, die Gastronomie und das Gastgewerbe. Werden Sie das ausweiten?

Es gibt da bereits Ausnahmeregelungen. Und wir regen an, sie auch anzuwenden.

Gibt es denn eine Kreditklemme?

Eine Konditionsverschärfung in der Rezession als Kreditklemme zu bezeichnen, damit tue ich mich schwer. Schließlich war ich selbst Geschäftsbanker. Wenn Sie ein Risiko berechnen, schauen Sie sich an: Was ist die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls? Und wie hoch ist der Verlust, wenn der Kunde ausfällt? Beides wird in der Krise höher. Dadurch wird der erwartete Verlust größer. Das muss sich in den Konditionen widerspiegeln.

Daran kann auch eine Förderbank nichts ändern.

Nein, wir können da nur selektiv Impulse setzen. Von den Förderbanken zu erwarten, dass sie Deutschland retten, ist zu viel verlangt.

Warum sind Sie Förderbanker geworden?

Was ein Geschäftsbanker mitbringt, wird auch in der Förderbank verlangt. Die Fokussierung auf Kunden und Fokussierung auf Risiko und Prozesse. Mit dieser Erfahrung die Entwicklung in Berlin mit voranzubringen reizt mich. Ich lerne hier noch etwas.

Dafür haben Sie nach 22 Jahren die Deutsche Bank verlassen.

Das ist mir nicht leicht gefallen. Wir hatten unterschiedliche Ansichten über bestimmte strategische Fragen. Und manchmal muss man konsequent sein, um sich treu zu bleiben. Ich pflege weiterhin ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zur Deutschen Bank.

Was ist anders bei einer Förderbank?

Es gibt nicht den Abstimmungsbedarf wie in einem großen Konzern. Sie haben andererseits auch nicht die Flexibilität wie in einem privat geführten Haus. Eigentümer ist das Land Berlin, und das müssen wir bei unserer täglichen Arbeit berücksichtigen.

Die Politik hat gerade die Finanzaufsicht in die Hände der Bundesbank gegeben. Ist das gut oder schlecht?

Die Aufsicht hat in der Krise nicht optimal funktioniert. Kompetenzen zu bündeln zwischen den beiden Häusern, die momentan die Aufsicht innehaben, ist legitim. In der Krise haben wir gesehen, wie störungsanfällig die Welt ist, auch für die großen Player. Das zu reflektieren und die aufsichtsrechtlichen Strukturen zu stärken, ohne den Markt zu weit zu behindern, ist die große Aufgabe und das, woran die Politik und die Aufsichtsbehörden jetzt gemessen werden.

Waren vielleicht auch die Anreizsysteme falsch gesetzt?

Die Fokussierung auf die Boni halte ich für nicht zielführend. Zwar gibt es zum Teil übersteigerte Anreize, aber das ist nicht das alleinige Problem.

Sondern?


Der Ursprung der Krise setzt ja viel früher an. Es wurden Risiken verpackt und verkauft. Diejenigen, die sie verpackt haben, haben kein Risiko getragen. Und diejenigen, die sie gekauft haben, hatten ein unzureichendes Risikomanagement. Der Aufsicht waren diese Strukturen bekannt, es wurde jedoch nicht ausreichend adressiert. Finanzaufsicht verlangt eine konstruktive, durchsetzungsfähige Kontrollkultur. Da muss man auch mal in strategisch wichtigen Punkten den Konflikt wagen. Dafür werden sie bezahlt. Vielleicht nicht genügend. Vielleicht werden auch hier falsche Anreize gesetzt.


ZUR PERSON

DER MANAGER

Ulrich Kissing (52) stammt aus dem Sauerland. Er studierte Betriebswirtschaft und begann 1986 als Trainee bei der Deutschen Bank in Augsburg. Nach Stationen in Frankfurt am Main und London war er von 2003 bis 2008 Mitglied des Vorstands der Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG. Seit dem

1. September 2009 sitzt er dem Vorstand der IBB vor. Kissing ist verheiratet und hat drei Kinder.


DIE BANK

Die Investitionsbank Berlin (IBB) ist die Förderbank des Landes Berlin. 2008 vergab sie Darlehen, Beteiligungen und Zuschüsse im Wert von 436,7 Millionen Euro.

Das Interview führten Moritz Döbler und Miriam Schröder.

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