zum Hauptinhalt

Interview: "Kraut und Rüben in der Energiepolitik"

Uwe Franke, Chef der Deutschen BP, über CO2 und Klimaschutz, Panikmache in den Medien und die Zukunft des Öls

Herr Franke, schön, dass Sie überhaupt noch mit der Presse reden.

Wieso sollte ich nicht?

Auf einem Branchentreffen haben Sie neulich den Medien Meinungsmache vorgeworfen. Sie sprachen auch von einer Anti- Öl-Lobby. Wo drückt denn der Schuh?

Wir leben in einer Demokratie und können nicht verhindern, dass Meinungen als Fakten dargestellt und dann ungefiltert weitergetragen werden. Da ist zum Beispiel die Aussage, in zehn bis fünfzehn Jahren seien die Ölvorkommen erschöpft. Das ist völliger Unsinn. In diesem Jahrhundert müssen wir uns über die Verfügbarkeit von Öl keine Gedanken machen. Wer das Gegenteil behauptet, schürt Panik und ist auch auf den Erhalt eigener Subventionen bedacht.

Wir führen die Öffentlichkeit in die Irre?

Ich nenne dieses Problem das Fakten-Vakuum. Betroffen davon ist die Presse, aber auch die Politik – und damit die generelle Öffentlichkeit. Und in einigen Fällen steckt Absicht dahinter.

Da müssen Sie ein Beispiel nennen.

Sehr schön ist die Behauptung, CO2 sei ein Gift. Solche Aussagen werden weitergetragen von Leuten, die einfachste chemische Grundlagen nicht begreifen. CO2 ist Teil der Atemluft, Teil des Lebenszyklus. Das Wissen darum scheint aber nicht bei allen vorhanden zu sein, wenn Eltern plötzlich in Panik ausbrechen aus Angst, ihre Kinder würden an CO2 sterben. Menschen, die es zum Gift erklären, handeln unverantwortlich. Das ist Populismus, der bewusst eingesetzt wird: Er soll eine Angst erzeugen, die dazu führt, dass alle Kohlekraftwerke möglichst bald abgestellt werden, dass die Ölförderung möglichst bald eingestellt wird und alles durch erneuerbare Energien ersetzt wird – koste es, was es wolle.

Auch die US-Umweltbehörde hat CO2 kurz vor dem Kopenhagen-Gipfel offiziell als gesundheitsschädlich eingestuft.

Diesen Vorgang kann man nur als geschicktes politisches Manöver verstehen, das Obama ganz neue Möglichkeiten eröffnen soll, gegenüber dem Kongress bestimmte Klimaschutzmaßnahmen durchzusetzen.

Ist das gut oder schlecht?

Wenn man sagt, der Zweck heiligt die Mittel, könnte man das für gut halten. Und möglicherweise ist aus Gründen politischer Taktik ein solcher Schritt klug, obwohl ich eigentlich kein Freund solcher politischen Winkelzüge bin. Es muss doch auch durch Überzeugung möglich sein, den Klimaschutzweg zu gehen. Ich wäre auch entsetzt, wenn so etwas in Deutschland passieren würde. Durch die Entscheidung der US-Behörde wird das Molekül CO2 in eine Ecke gerückt, in die es nicht gehört. Genauso könnte man bald Stickstoff zum Gift erklären, obwohl das auch Teil der Atemluft ist. Irgendwann gilt dann Wasser als giftig. Klar, weil man ja ertrinken kann.

Sie atmen jetzt sicher auf, weil in Kopenhagen keine konkreten CO2-Ziele beschlossen worden sind.

Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben uns in den letzten Monaten doch gerade für verbindliche Ziele eingesetzt. Das Ergebnis von Kopenhagen ist auch deshalb für uns enttäuschend, weil Europa sich zu seiner Vorreiterrolle entschlossen hat. Dies ist angesichts der wissenschaftlichen Einsicht, dass Klimaschutz dringend notwendig ist, geboten. Aber wir Europäer hätten schnellere Schritte zu einem Abkommen gebraucht, auch und gerade zum Schutz unserer eigenen Wirtschaft. Wenn wir lediglich in Europa mit engen Vorgaben zum Klimaschutz voranschreiten und der Rest der Welt nicht folgt, haben wir nichts erreicht.

Sind Sie auch enttäuscht von der neuen Bundesregierung?

In der Energiepolitik gab es in der letzten Zeit viel Kraut und Rüben. Sie war geprägt von Einzelinteressen, Missverständnissen, Hektik und falschen Zahlen. Das reicht von der Debatte über Kohle und CCS bis zur Atompolitik und den Biokraftstoffen. Ich hoffe, dass sich die neue Regierung endlich die Zeit nimmt, Bilanz zieht und auf Basis der bekannten Fakten gemeinsam mit der Industrie eine neue Energiestrategie aus einem Guss entwickelt. Das mag zwischen sechs und 18 Monate dauern, aber die Unternehmen brauchen endlich Planungssicherheit.

Anders als Sie scheinen Unternehmen, die sich hauptsächlich mit grünen Technologien beschäftigen, mit der aktuellen Situation aber recht zufrieden zu sein.

Ja, aber diese grünen Zweige werden nicht überleben, wenn sie die alte Eiche fällen, die sie trägt. Wir werden weiter die klassische Industrie brauchen, wie wir auch alle Energieträger brauchen. Auf den richtigen Mix kommt es an.

Wir haben Kohle, Öl, Gas, Atom, Wind, Solar, Biomasse. Was stimmt an dem Mix denn nicht?

Die Förderpolitik. Es kann nicht sein, dass man dabei das Rechnen vergisst. Wenn man den Ausstoß von CO2 verringern will, macht ein weltweiter Handel mit Emissionsrechten Sinn. So reflektiert der Preis für jedes Produkt auch die Klimakosten. Wenn man dann aber feststellt, dass man in einigen Fällen mehrere hundert Euro in bestimmte Biokraftstoffe investieren muss, um eine Tonne CO2 einzusparen, aber nur ein paar Euro in ein modernes Gaskraftwerk, um das Gleiche zu erreichen, dann ist eine pauschale Biokraftstoffförderung Unsinn.

Auch Kohle und Kernkraft wurden über Jahrzehnte stark subventioniert. Bei den neuen Techniken ist Deutschland vorne mit dabei.

Ja, die Vorreiterrolle ist ethisch eine gute Sache. Aber man muss aufpassen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie nicht den Bach runter geht. Die Industriebetriebe können nur so schnell in einen CO2-Handel eingebunden werden, wie sie im internationalen Wettbewerb dadurch keinen Nachteil erleiden. Wenn sie hierzulande zu schnell belastet werden, besteht die Gefahr, dass Unternehmen abwandern. Dann ist niemandem geholfen. Man kann nur so lange Vorreiter sein, bis man das Pferd totgeritten hat.

Jenseits aller Beschlüsse von Kopenhagen wären ja auch eine Pkw-Maut oder eine höhere Mineralölsteuer geeignet, den CO2-Ausstoß im Verkehr zu senken.

Man muss sauber analysieren, ob solche Maßnahmen primär dem Klimaschutz oder der Aufbesserung der Staatskasse dienen sollen. In Deutschland, einem Land mit über 80 Millionen Einwohnern, aber nur drei wirklich großen Städten, ist der Bedarf an Mobilität überdurchschnittlich hoch. Hebt man Steuern an, gibt es zunächst einen Preisschock, der Bedarf fällt. Typischerweise steigt er danach aber langsam wieder an.

Geben Sie uns bitte noch Ihre Öl-Prognose zum neuen Jahr. Als wir vor einem Jahr sprachen, sagten Sie immerhin korrekt voraus, dass der Preis sich von damals unter 40 Dollar je Barrel deutlich erholen wird. Jetzt sind wir bei 75 Dollar.

Diesmal ist die Vorhersage besonders schwierig, weil niemand weiß, ob die Finanz- und Wirtschaftskrise schon ausgestanden ist. Wenn ja, dann steigen die Nachfrage und damit auch der Preis weiter. Erkennbar ist, dass der Bedarf in Indien und China zum Beispiel wieder steigt, während in den alten Industriestaaten weiter gespart wird. In dieser Balance werden wir vermutlich leichtes Wachstum sehen, obwohl noch sehr viel Öl auf dem Markt ist und die Reservekapazitäten der Opec sehr hoch sind. Vor dem Hintergrund würde ich schätzen, dass sich der Preis im kommenden Jahr zwischen 60 und 90 Dollar je Barrel bewegen wird.

Das Gespräch führte Kevin Hoffmann.

DER MANAGER

Uwe Franke (60) begann 1978 bei der Chemie-Sparte der BP in Hamburg und war weltweit in verschiedenen Führungsfunktionen tätig. 1996 wurde er Vorstand der Deutschen BP, 2004 Vorstandschef. Seit 2008 ist Franke zudem Vorsitzender des Mineralölwirtschaftsverbandes MWV, der Vertretung der großen Unternehmen in Deutschland.

DER KONZERN

Die deutsche Tochter des britischen Konzerns machte 2008 knapp 42 Milliarden Euro Umsatz und einen Überschuss von 658 Millionen Euro. 2009 dürften es weniger gewesen sein. In Deutschland beschäftigt BP 5700 Mitarbeiter. 2002 hatte das Unternehmen die Veba-Tochter Aral übernommen. Seit 2003 firmieren fast alle der 2400 Tankstellen hierzulande unter dem Markennamen Aral.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false