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Interview mit Jürgen Fitschen: „Der hohe Ölpreis hat auch Vorteile“

Deutsche-Bank-Vorstand Jürgen Fitschen im Gespräch mit dem Tagesspiegel über das Mittelstandsgeschäft und die Risiken für die Konjunktur.

Herr Fitschen, noch vor drei, vier Jahren galt das Mittelstandsgeschäft bei den deutschen Großbanken als langweilig. Mittlerweile haben alle Institute große Mittelstandsoffensiven gestartet. Auch die Deutsche Bank. Was hat sich geändert?

Vor einigen Jahren hatten manche Banken Probleme mit ihrem Kreditportfolio. Heute hat sich die Lage entspannt. Die Banken haben ihre Hausarbeiten gemacht und es gibt heute auf beiden Seiten ein besseres Verständnis der Interessen.

Hat sich auch die Lage des Mittelstands verbessert?

Ja. Der Mittelstand hatte Probleme, die aus Jahrzehnten mangelnder Eigenkapitalvorsorge resultierten. Das hat man erkannt. Die Eigenkapitaldecke hat sich wesentlich verbessert. Viele Unternehmen haben heute auch eine ganz andere Ertragssituation, weil sie ihre Effizienz gesteigert haben. Hinzu kommen die guten wirtschaftlichen Rahmendaten.

Bis vor kurzem war in der Bankenbranche von unverantwortlichen Kreditkonditionen im Kampf um den Mittelstand die Rede. Sind die Banken im Zuge der Finanzkrise jetzt vorsichtiger geworden?

Kaum. Die Finanzierungskosten für die Banken haben sich zwar erhöht, und es wäre logisch, dass man das weitergibt. Doch dies erlaubt der Wettbewerb bislang kaum. Wir selber verfügen nach wie vor über günstige Refinanzierungsmöglichkeiten und können auf dieser Basis unseren Kunden attraktive Finanzierungsangebote anbieten. Dabei orientieren sich unsere Konditionen strikt am jeweiligen Risiko.

Was heißt es für den Mittelstand, wenn die Banken die Konditionen wieder anziehen?

Die Kreditkonditionen werden allenfalls moderat steigen. Auch sollte man nicht aus dem Auge verlieren, dass der Anteil der Finanzierungskosten bei den meisten Unternehmen relativ gering ist. Da ist eine Lohnrunde zum Beispiel viel entscheidender. Gravierender wäre da schon ein nachhaltiger Anstieg des gesamten Zinsniveaus durch Leitzinserhöhungen.

Rechnen Sie mit weiteren Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank?

Momentan nicht. Aber ich sehe, dass wir überall in der Welt inflationäre Tendenzen haben. Gleichzeitig beobachten wir aber eine Abschwächung der weltwirtschaftlichen Wachstumsdynamik und einen Aufwertungsdruck auf den Euro.

Die Experten Ihrer Bank schätzen in einer aktuellen Studie das Risiko einer Rezession auf 50 Prozent.

In Amerika gibt es natürlich Unsicherheit über die weitere Entwicklung. Die Banken, die dort in der Vergangenheit Geld für Immobilienkauf oder den Neubau gegeben haben, tun das im Moment nicht mehr in gleichem Maße wie vorher. Diese Entwicklung wird ihre Spuren auch in anderen Segmenten zeigen und das Vertrauen in die weitere wirtschaftliche Entwicklung insgesamt beschädigen. Die Frage ist nur, wie stark. Wir bleiben vorsichtig optimistisch und erwarten eine Fortsetzung des globalen Wachstums, wenngleich mit etwas niedrigeren Raten.

Kann sich Europa von der Entwicklung in den USA abkoppeln?

Wir können uns nie ganz abkoppeln. Aber wir können es mittlerweile besser verkraften. Europa ist heute weniger den Entwicklungen in den USA ausgesetzt als etwa vor sechs oder sieben Jahren, weil es aus den Wachstumsmärkten wie Indien, China, Russland oder der Golfregion eine große Nachfrage gibt.

Wird der Boom in diesen Schwellenländern bald zu Ende gehen?

Ein Ende ist derzeit nicht in Sicht. In China oder Indien haben bisher nur relativ kleine Teile der Bevölkerung an der Entwicklung teil. Zu viele Menschen haben nach wie vor keinen Zugang zu Strom und sauberem Wasser. Deswegen können es sich diese Länder gar nicht erlauben, nur mit fünf oder sechs Prozent pro Jahr zu wachsen.

Was bedeutet der hohe Ölpreis für den deutschen Mittelstand?

Der hohe Ölpreis ist für den Mittelstand noch relativ gut zu verkraften. Erstens, weil der starke Euro das Öl hierzulande vergleichsweise günstiger macht und man in Deutschland weniger leidet als etwa in den USA, wo man die Preiserhöhungen direkt spürt. Auch profitieren wir mehr von der Nachfrage der ölexportierenden Länder. Zweitens ist Deutschland beim effizienten Umgang mit Ressourcen wie Öl und Gas weltweit in der Spitzengruppe. Das heißt, wenn sich diese Ressourcen verteuern, treffen sie zum Beispiel die Wirtschaft in China deutlich stärker, weil dort so ineffizient damit umgegangen wird. Drittens nimmt mit steigenden Energiepreisen auch die Nachfrage nach energieeffizienten Produkten und Technologien weiter zu, und hier gehört der deutsche Mittelstand zu den führenden Anbietern. Preiserhöhungen für Rohstoffe sind in mancher Hinsicht also auch gute Nachrichten.

Das Interview führte Stefan Kaiser

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