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Udo Ungeheuer im solarthermischen Kraftwerk

© promo

Interview: „Solarthermie bekommt jetzt politisches Gewicht“

Kommt unser Strom bald aus der Wüste? Interview mit Udo Ungeheuer, Vorstandschef der Schott AG und ein Vordenker des Desertec-Konzepts, bei dem es um die Gewinnung von Solarenergie in Afrika geht.

Herr Ungeheuer, am Montag werden Sie am Gründungstreffen der Desertec Industrie-Initiative teilnehmen. Wie groß sind die Chancen, dass dabei mehr herauskommt als ein sommerliches Gruppenfoto im Englischen Garten?

Der Englische Garten ist doch wunderschön! Im Ernst: Wir sind davon überzeugt, dass das Treffen weit mehr bietet als nur die Gelegenheit für schöne Fotos. Es ist doch bemerkenswert, dass 20 große und sehr starke Unternehmen sich gemeinsam auf ein Vorgehen einigen wollen – darunter Konzerne, die in der Vergangenheit nicht die Protagonisten der Erneuerbaren Energien waren. Eine starke Industrieallianz kann der Solarthermie jetzt nicht nur wirtschaftliche und technologische Relevanz, sondern auch spürbar politisches Gewicht verschaffen. Und das ist das Entscheidende für Montag.

Was haben deutsche Unternehmen technologisch zu bieten?

Schott kann jahrzehntelange Erfahrung mit der Solarthermie vorweisen. Schon in den 80er Jahren haben wir Glas-Röhren für die ersten Kraftwerke in Kalifornien ausgeliefert. Außerdem waren wir der Technologieträger, der es möglich machte, dass 2007 in Nevada mit Solar One das erste Kraftwerk der neuen Generation ans Netz ging. Damit haben wir dazu beigetragen, ganz große technologische Hürden zu überwinden.

Bisher erwirtschaften Sie allerdings nur gute 3,5 Prozent ihres Umsatzes mit der Solarthermie-Sparte.

Als Lieferant einer Komponente fällt beim Bau eines Solarkraftwerkes natürlich nur ein Teil der Umsätze auf uns. Tatsache ist aber, dass unser Geschäft mit der Solarthermie guten Steigerungsraten entgegensieht. 2009 werden die Umsätze schon im dreistelligen Millionenbereich liegen. Wir haben unsere Fertigungskapazitäten seit 2006 verfünffacht. Und unsere Auftragsbücher sind bis Ende 2010 gefüllt.

Aktuelle Studien über die zu erwartenden Umsätze im Solarthermie-Geschäft kommen im Ergebnis zu sehr großen Spannweiten. Wie schätzen Sie das Marktpotential ein?

Die Spannbreiten, die Sie nennen, sind nichts Erstaunliches, denn wer kann derzeit schon vorhersehen, wo das Rennen hinläuft? Wir nehmen jedenfalls wahr, dass das Interesse an Solarthermie-Kraftwerken deutlich wächst. Während wir in Spanien Kraftwerke der 50 Megawatt-Klasse realisiert haben, werden in den USA schon eine ganze Reihe von Projekten in einer Größenordnung von bis zu 300 Megawatt geplant. Das sind ganz neue Dimensionen.

Die großen Energie-Konzerne sind aber noch skeptisch.

Wir sind mit den Energieversorgern seit langem im Gespräch, und sie nehmen das Thema Erneuerbare Energien sehr ernst, investieren in Windkraft und zunehmend in die Solarenergie. Die Sonnenenergie hat physikalisch gesehen mit Abstand das größte Potential für die Energieversorgung. Wenn man in langen Zeiträumen denkt, wird die Solarenergie darum einen ganz großen Anteil am Energiemix der Stromversorger haben.

Hat die Politik das auch schon erkannt?

Desertec wird in Berlin und Brüssel schon seit langem diskutiert. Vor zwei Jahren habe ich das Konzept gemeinsam mit dem Club of Rome im europäischen Parlament vorgestellt. Auf einem Flug nach Algerien hatte ich die Gelegenheit, das Thema der Bundeskanzlerin nahezubringen. Damals habe ich mit der Physikern Merkel gesprochen statt mit der Kanzlerin. Ich habe ihr von den vier Meter langen Schott-Röhren aus Glas und Stahl erzählt, die fest miteinander verbunden sind, um das Vakuum zu halten und die Temperaturdifferenzen von 400 Grad Celsius aushalten müssen. Normalerweise müssten die unter solchen Bedingungen platzen, aber sie bleiben stabil dank deutscher Hochtechnologie. Das fand Frau Merkel so interessant, dass sich eine lange Unterhaltung ergeben hat. Übrigens arbeiten wir heute schon an einer neuen, wesentlich leistungsstärkeren Generation von Receivern.

Kritiker werfen dem Desertec-Konzept vor, dass Solarstrom aus Afrika den Ausbau Erneuerbarer Energien in Deutschland bremst.

Das ist falsch. Wir sind überzeugt, dass sich beides hervorragend ergänzen kann. Wir brauchen natürlich auch erneuerbare Energiequellen in Europa – vor allem auch dezentrale Lösungen durch Photovoltaik - und dazu als Ergänzung Solarthermie-Strom aus sonnenreichen Gegenden.

Wäre Afrika dann bloß eine Stromtankstelle für Europa?

Diese Kritik verstehe ich gar nicht. Man muss andersherum argumentieren: Was Europa als Stromabnehmer hilft, hilft gerade auch Nordafrika. Solarthermische Kraftwerke kann man sich sehr gut als Entwicklungshilfeprojekte vorstellen, die die Energieversorgungsstruktur in Afrika stärken. Damit werden schließlich auch Arbeitsplätze geschaffen.

Udo Ungeheuer ist seit 2004 Vorstandschef der Mainzer Schott AG und einer der Vordenker des Desertec-Konzepts. Schott ist mit seinen Receivern für Parabolrinnenkraftwerke mit großem Abstand Weltmarktführer. Für das kürzlich eröffnete 50-Megawatt-Kraftwerk Andasol I in Spanien lieferten die Mainzer 22.000 Receiver. Im vergangenen Geschäftsjahr machte die Solarthemie-Sparte von Schott rund 80 Millionen Euro Umsatz. Im Mai hat der Konzern ein mehr als 100 Millionen Euro teures Werk für Solar-Receiver und Fotovoltaikmodule in den USA eröffnet. Inzwischen kann Schott pro Jahr Receiver für Kraftwerke von einem Gigawatt Gesamtleistung fertigen. Das Gespräch führte Andreas Menn.

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