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John Kohlsaat

© Imago

Interview: "Wir wollen als Letzter übrig bleiben“

Der Deutschlandchef von Easyjet, John Kohlsaat, spricht im Tagesspiegel-Interview über drohende Pleiten von Billigfliegern, Kerosinzuschläge und sparsame Flugzeuge

Herr Kohlsaat, haben Sie einen Koffer dabei?

Nein, ich fliege nur mit Handgepäck.

Das sollten Ihre Kunden auch tun, denn sonst müssen sie draufzahlen.

Das ist unser Modell. Die Frage ist doch, gehört ein Koffer zum Kernprodukt Fliegen? Unseres Erachtens nicht. Das Transportieren des Koffers kostet Geld. Unsere Passagiere sollen nur für das zahlen, was sie auch in Anspruch nehmen.

Akzeptieren Ihre Kunden das?

Sie fliegen zu knapp einem Drittel nur mit Handgepäck. Warum sollen sie dann für die anderen Koffer mitbezahlen? Auch soll bei uns keiner das Sandwich des Nachbarn mitbezahlen.

Fürchten Sie nicht, Ihre Passagiere könnten immer mehr Zusatzposten, die noch auf den Ticketpreis aufgeschlagen werden, irgendwann nerven?

Die Alternative ist der Einheitspreis einer Lufthansa. Da wissen Sie gar nicht, was Sie mitbezahlen. Und dass gerade die etablierten Fluggesellschaften noch Kerosinzuschläge nehmen, ist eine Frechheit. Das ist doch viel undurchsichtiger als unser Modell. Bei uns können Sie sich die einzelnen Bestandteile selbst zusammenstellen.

Könnte eines Tages auch die Benutzung von Laptop oder Handy gebührenpflichtig werden – falls Sie es zulassen?

Möglicherweise. Aber wir sind uns noch gar nicht sicher, ob wir das überhaupt erlauben sollen. Erst einmal wird es das bei uns nicht geben.

Weil Sie vorwiegend kurze Strecken fliegen und es sich da nicht lohnt?

Das ist nicht der Grund. Wir müssten erst einmal investieren – Sie können das nicht von heute auf morgen nutzen.

Ihr Konkurrent Ryanair will jetzt von Berlin aus zunehmend auch innerdeutsch fliegen. Wann zieht Easyjet nach?

Wir denken darüber nach. Aber derzeit ist noch nichts in der Planung.

Weil es sich nicht lohnt?

Es würde sich schon lohnen, aber man tritt damit auch eine Lawine los. Das sind die interessantesten Strecken – da würden die Wettbewerber reagieren.

In Frankreich, Italien, Spanien tun Sie dies aber schon.

Das sind andere Märkte. In Deutschland müssen die Flughäfen verteidigt werden, will man eine gewisse Marktabdeckung erreichen. Hier gäbe es einen Verdrängungsprozess. Und die Routen sind auch nicht so groß wie etwa in Frankreich – wo beispielsweise Air France die Strecke Paris-Toulouse 35 Mal am Tag fliegt.

Spanien, Osteuropa, Italien – werden wir hier auch zusätzliche Strecken sehen?

In Frankreich haben wir gerade zwei Basen eröffnet: Paris Charles de Gaulle und Lyon, davor Madrid und Malpensa – das zeigt, wo wir wachsen wollen.

Andere Fluglinien haben angesichts des hohen Ölpreises gerade Kapazitäten gestrichen und Flugzeugbestellungen aufgeschoben. Das alles geht an Ihnen vorbei?

Natürlich sind Kapazitäten eine Frage, da sich die Kostenblöcke verschoben haben. Jetzt ist der variable Kostenanteil aufgrund des hohen Kerosinpreises deutlich größer. Und darüber sprechen wir auch. Wir haben nach wie vor 30 Boeing-Maschinen; die werden sowieso aussortiert und durch sparsamere Airbus A 319 ersetzt.

Sind Sie denn zufrieden mit Ihren wirtschaftlichen Zahlen?

Im vergangenen Geschäftsjahr, das sind die letzten veröffentlichten Zahlen, sahen sie für Deutschland sehr gut aus. Wir haben ein zweistelliges Wachstum verzeichnet. Im ersten Quartal schlägt der Ölpreis stark durch. Ansonsten ist die Entwicklung sehr positiv.

Können Sie den höheren Ölpreis auf die Passagiere umlegen?

Sicherlich spielt der Ölpreis auch bei uns eine Rolle. Aber er hat auch Auswirkungen auf den Markt – und das ist das Interessante. Da wir eine der effizientesten Fluggesellschaften sind, haben wir beste Voraussetzungen, um als Gewinner hervorzugehen – und notfalls als Letzter übrig zu bleiben. Viele Fluggesellschaften werden in Europa pleitegehen.

Wer genau?

Theoretisch sind 50 gefährdet. Nach dem Selbstreinigungsprozess wird es noch fünf maßgebliche Fluggesellschaften geben: British Airways, Air France/KLM, Lufthansa, Ryanair und uns.

Überlegen Sie, auch zuzukaufen?

Dazu kann ich nichts sagen. Aber es werden sich sicher Kapazitätslücken in bestimmten Märkten ergeben – weil Routen nicht mehr profitabel geflogen werden können, die sich schon vor dem Ölpreisanstieg nicht rechneten. Viele Fluggesellschaften sind schon eine ganze Zeit lang an der Profitabilität entlanggeschrammt. Die rutschen jetzt ins Minus. Die Frage ist, wie lange sie das aushalten.

Sie planen damit, dass Ihre Konkurrenten Strecken einstellen oder weniger bedienen?

Ja, und zwar deutlich. Vor allem bei Air Berlin werden wir bald noch mehr sehen.

Und Sie wollen gleichzeitig Ihre Kapazitäten erhöhen?

Nicht unbedingt. Wichtig ist, dass man Kapazität richtig einsetzt.

Was ist an Ihrer Kostenstruktur so günstig, dass Sie sagen: Das stehen wir durch und bleiben notfalls als Letzter übrig?

Wir sind effizient. Das ist unser Geschäftsmodell. Wir haben geringe Umschlagszeiten, eine bestmögliche Auslastung des Fluggerätes sowie geringe Verwaltungskosten. Und wir haben eine sehr junge Flotte, was sich gerade jetzt auswirkt. Ein neuer Airbus verbraucht 20 Prozent weniger Kerosin als vergleichbare alte Boeing-737-Maschinen.

Sie haben zusätzliche Flugzeuge bestellt. Bleiben Sie dabei, trotz des Ölpreises?

Ja, denn es sind neue Flugzeuge. Das ist gerade jetzt ein Riesenvorteil.

Wie viele Maschinen stehen noch aus?

Wir haben 119 fest bestellt und Optionen auf weitere 88 Flugzeuge. Wir werden uns in den kommenden fünf Jahren verdoppeln.

Welche Piloten werden die Maschinen fliegen? Bilden Sie selbst aus?

Nein, aber viele wollen zu uns kommen, da wir gute Arbeitsbedingungen bieten.

In drei Jahren könnten Ihre Rabatte am Flughafen Schönefeld auslaufen. Ziehen Sie dann nach Leipzig um?

Das ist nicht unser Modell. Wir fliegen von Erstflughäfen in Deutschland. Das ist sicherlich derzeit ein großer Vorteil: Wir sind attraktiv für Geschäftskunden, die machen 20 Prozent unserer Passagiere aus. Das ist zum Beispiel bei Ryanair anders. Geschäftskunden gleichen saisonale Ungleichgewichte aus.

Und sie sind auch preislich interessant.

Ja, denn sie zahlen höhere Ticketpreise. Die hätten wir nicht, wenn wir auf der Wiese landen würden. Oder in einem eingeschränkten Einzugsgebiet wie im Fall Leipzig. Berlin ist auch sehr interessant von außen: Es kommen genau so viele Passagiere herein, wie von hier aus wegfliegen. Das hätten wir in Leipzig nicht.

Geschäftskunden zahlen mehr, da sie kurzfristiger buchen. Wäre es nicht auch interessant, eine Businessclass einzuführen?

Das ist kein Thema bei uns.

Gerd Appenzeller[Klaus Kurpjuweit], Juliane Schäuble

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