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Ein Mann und sein Wald. Zwei Jahre hat Karl-Ernst Giese gesucht, bis er ein passendes Waldstück gefunden hatte.

© Mike Wolff

Wald wird als Kapitalanlage immer beliebter: Investoren sind der Natur auf der Spur

Die Zahl der privaten Waldbesitzer steigt. Karl-Ernst Giese findet am Rande des Spreewalds Erholung – und Rendite für Generationen.

Von Carla Neuhaus

Einmal im Monat lässt Karl-Ernst Giese die Stadt hinter sich. Er fährt dann raus in seinen Wald. Schauen, ob alles in Ordnung ist. Oder ob die Wildschweine wieder die Erde aufgewühlt haben.

Kurz hinter dem Dorf Töpchin, 50 Kilometer südlich von Berlin, endet die Straße in einer Sackgasse. Ein sandiger Fußweg führt vorbei an einer Pferdekoppel, hinein in den Wald. 42 Hektar besitzt Giese hier, auf denen vor allem Kiefern wachsen, dazwischen ein paar Buchen und Eichen. Es ist morgens, kurz nach neun. Langsam bricht die Sonne durch die Wipfel und malt Muster aus Licht und Schatten auf den moosbewachsenen Boden. Vor einer Kiefer bleibt Giese stehen und legt den Kopf in den Nacken. „Wenn Sie die Astringe zählen“, sagt er, „wissen Sie, wie alt der Baum ist.“ Giese kennt seinen Wald. Auch ohne nachzuzählen weiß er, dass die meisten Bäume hier seit 80 Jahren stehen.

Der Berliner Steuerberater ist einer von rund zwei Millionen Privatwald-Besitzern in Deutschland. Zusammen gehören ihnen 43 Prozent des deutschen Forstes. Der Wald ist für sie ein Hobby – und eine Geldanlage. Giese schätzt die Ruhe im Wald, die Natur. Aber er weiß auch um seine Wirtschaftlichkeit. „Ich habe das Waldgrundstück gekauft, weil ich das Geld sicher und nachhaltig anlegen wollte“, sagt er.

Immer mehr Menschen sehen den Wald wie Giese nicht nur als Jagdgrund oder Erholungsgebiet, sondern als Investition. Die einen wollen sich damit unabhängiger vom Kapitalmarkt machen, die anderen sich vor Inflation schützen. Langfristig hoffen sie auf Rendite. Sie setzen darauf, dass der Wert ihres Waldgrundstückes über die Jahre steigt und dass sie gute Preise für das Holz bekommen.

„Das Interesse am Wald hat in den letzten Jahren stark zugenommen“, sagt Martin Hasselbach vom Waldbesitzerverband Brandenburg. Deutlich mehr Menschen würden derzeit gerne ein Stück Forst erwerben als sich davon trennen mögen. Das treibt die Preise für Waldgrundstücke nach oben: War ein Hektar Forst in Brandenburg nach der Wende noch für 1000 bis 1500 Euro zu haben, zahlen Käufer heute im Schnitt 3000 bis 5000 Euro.

„Bei unseren Versteigerungen ist der Wald immer ein Umsatzbringer“, sagt Matthias Knake vom Berliner Auktionshaus Karhausen, das den Bereich „Wald und Forst“ vor sieben Jahren in sein Programm aufgenommen hat. Gerade hat Knake ein 20 Hektar großes Waldstück im Landkreis Elbe-Elster versteigert. Das Mindestgebot lag bei 76 000 Euro, weggegangen ist es für mehr als das Doppelte. „Und das, obwohl ein Teil der Fläche gerodet ist und der neue Besitzer sie erst einmal aufforsten muss“, sagt Knake.

Brandenburger Wald ist verglichen mit Bayern ein Schnäppchen

Besonders der Wald in Brandenburg ist derzeit gefragt. Denn auch wenn die Preise hier steigen, liegen sie noch immer deutlich unter denen, die in Bayern oder Baden-Württemberg für Waldgrundstücke aufgerufen werden. „Viele Bieter kommen aus Süddeutschland“, sagt Knake.

Dass es gar nicht so einfach ist, ein Waldstück zu erwerben, hat auch Karl-Ernst Giese erfahren. Zwei Jahre hat er gesucht, bis er über eine Annonce im Internet den Kiefernwald bei Töpchin fand. Immer wieder hatte er zuvor Gebote bei der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) abgegeben, die seit der Wende die volkseigenen forstwirtschaftlichen Flächen in den neuen Bundesländern privatisiert. Zum Zug kam Giese dabei nicht. Zum einen hat die BVVG den Großteil ihrer Fläche längst versteigert, zum anderen werden Alteigentümer dabei bevorzugt.

Längst sind es nicht mehr nur Landbewohner, die sich einen Forst anschaffen. „Ein Großteil der neuen Waldbesitzer kommt aus der Stadt“, sagt Enno Rosenthal. Er ist Vorsitzender der Waldbauernschule Brandenburg – einem Verein, der die jungen Waldbesitzer in Forstwirtschaft unterrichtet. In Wochenendseminaren lernen sie bei ihm zum Beispiel, wie sie eine Inventur ihres Waldes machen. Oder wann sie welche Bäume fällen sollten und zu welchen Preisen sie ihr Holz verkaufen können. Der Andrang für diese Seminare ist groß. Allein für die Frühjahrsschulung haben sich über 360 Teilnehmer angemeldet. „Immer mehr Menschen erkennen, was für einen Wert der Wald hat“, sagt Rosenthal.

Der Wald ist für die Besitzer eine Einkommensquelle. Vor allem dann, wenn die Bäume alt genug sind und die richtige Qualität haben, um „geerntet“ – also gefällt – zu werden. Zwar schwanken die Preise, je nachdem wie das Wetter ist und wie viel Holz auf den Markt kommt. In der Tendenz gehen sie aber nach oben. Bekamen Waldbesitzer 2009 im Schnitt 33 Euro pro Festmeter, waren es 2013 bereits 46 Euro. Über die letzten zehn Jahre sind die Preise für Rohholz um 76 Prozent gestiegen, berichtet das Statistische Bundesamt. Der Grund: Zum einen steigt die Zahl derjenigen, die sich einen Kamin oder Kachelofen anschaffen und dafür Brennholz kaufen. Zum anderen steigt die Nachfrage der Industrie, die das Holz weiterverarbeitet: zu Möbeln und Parkett; zu Holzpellets und Hackschnitzeln oder zu Zellstoff, aus dem Schreibpapier, Teebeutel und Küchenrollen hergestellt werden.

100 Festmeter Holz sichern in Brandenburg einen Arbeitsplatz

Der Wald ist heute ein wichtiger Wirtschaftsraum. Allein in Brandenburg arbeiten 15 000 Menschen im Cluster „Forst und Holz“. „100 Festmeter Holz sichern einen Arbeitsplatz“, rechnet Thilo Noack vom Landesbetrieb Forst Brandenburg vor. Deutschlandweit haben 1,3 Millionen Menschen einen Job, der direkt oder indirekt vom Wald abhängt: Sie arbeiten in der Forstwirtschaft oder im Sägewerk, sind Tischler oder bauen als Architekten Häuser aus Holz. Zusammen erwirtschaften sie jährlich 180 Milliarden Euro.

Wer wie Karl-Ernst Giese als Privatanleger in ein Waldgrundstück investiert, braucht allerdings Zeit. Denn der Wald ist keine Geldanlage wie jede andere. Anders als bei Aktien, Gold oder Immobilien müsse man sich mit dem Wald regelmäßig auseinandersetzen. „Sie können mittlerweile in einer fremden Stadt eine Eigentumswohnung kaufen und eine Hausverwaltung damit beauftragen, sich um alles zu kümmern“, sagt Giese. „Bei dem Wald funktioniert das nicht. Er fordert einen.“ Als Waldbesitzer muss er erkennen, wann er in die Natur eingreifen sollte und wann nicht. Wo Bäume so dicht stehen, dass er welche fällen sollte. Und wie groß die Schäden sind, die das Wild anrichtet: Wie viel Triebe und Knospen die Rehe an den jungen Pflanzen abknabbern und wie viel Erde die Wildschweine auf der Suche nach Eicheln umwühlen.

Giese hat sich informiert. Bevor er das Grundstück kaufte, hat er Ratgeber studiert und sich mit anderen Waldbesitzern ausgetauscht. Begriffe wie Einzelbaumbewirtschaftung, Starkastigkeit oder Zwieselwuchs gehören heute wie selbstverständlich zu seinem Wortschatz. „Zu lernen gibt es aber noch genug“, sagt Giese.

Mit festem Schuhwerk streift er an diesem Morgen durchs Unterholz. Auf einer Anhöhe bleibt er stehen. Mehrere Meter geht es steil bergab. Früher, erklärt Giese, sei dort unten Ton abgebaut worden, aus dem dann in den Ziegeleien in der Umgebung Backsteine gebrannt wurden. Zu sehen ist davon heute nichts mehr. Weil das Regenwasser sich in der Senke sammelt, wachsen zwischen den Kiefern vereinzelt Buchen und Erlen, an denen die ersten grünen Blätter sprießen.

Es ist ein Stück weit die Geschichte des Waldes, die für Giese die Faszination dieses Ortes ausmacht. „Es ist der Gedanke, dass es Dinge gibt, die größer und bedeutender sind als man selbst“, sagt er. Der Wald, das ist für ihn eine Generationenaufgabe. „Er hat hier schon lange vor meiner Geburt gestanden“, sagt Giese. „Und er wird hier hoffentlich noch lange stehen, wenn ich längst gestorben bin.“ Von all der Mühe, die er heute in den Wald steckt, sollen einmal seine Kinder und Enkel profitieren.

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