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Wirtschaft: Irland: Inflationsrate klettert über sechs Prozent

Irlands Jahresteuerungsrate hat in dieser Woche die Marke von 6,2 Prozent erreicht: Die Wirtschaft läuft heiß, und die Einkommenspolitik der Regierung steht vor ihrer härtesten Bewährungsprobe. Die sprunghafte Zunahme der Inflation kommt für Experten nicht weiter überraschend, denn das irische Wachstum will sich auch im siebten aufeinanderfolgenden Jahr nicht verlangsamen.

Irlands Jahresteuerungsrate hat in dieser Woche die Marke von 6,2 Prozent erreicht: Die Wirtschaft läuft heiß, und die Einkommenspolitik der Regierung steht vor ihrer härtesten Bewährungsprobe. Die sprunghafte Zunahme der Inflation kommt für Experten nicht weiter überraschend, denn das irische Wachstum will sich auch im siebten aufeinanderfolgenden Jahr nicht verlangsamen. Neueste Exportzahlen haben die Ökonomen veranlasst, ihre Wachstumsprognose für das reale Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr auf sagenhafte zehn Prozent zu erhöhen, der Fiskus ertrinkt buchstäblich im Geld.

Die Metamorphose Irlands vom Agrarland zur High-Tech-Wirtschaft ist durchaus real, jede Woche werden neue Investitionen in Zukunftstechniken angekündigt. In diesem Jahr allein verpflichtete sich der Chipbauer Intel auf die Herstellung einer neuen Mikrochips-Generation, und der Netzwerkausstatter Cisco wählte Irland als Produktionsstandort. Die Einbeziehung Irlands in ein weltweites amerikanisches Glasfasernetz verspricht dem Land eine Schlüsselrolle im E-Commerce. Doch der Arbeitsmarkt trocknet allmählich aus, die Lage auf dem Wohnungsmarkt gerät außer Kontrolle, und das Verkehrschaos wird zum Engpass für weiteres Wachstum. Kein Wunder also, dass Irlands Gewerkschaften rastlos werden.

Seit 1987 vereinbaren die Sozialpartner Dreijahresverträge, in denen Einkommenszuwächse, Steuererleichterungen, Sozialbeiträge und vieles mehr festgelegt werden. Der neueste Pakt kam im letzten Februar zustande, doch die Lohnsteigerungen von nur 5,5 Prozent sehen inzwischen, gemessen an der Propserität, schäbig aus, selbst wenn man die sinkende Einkommenssteuer berücksichtigt. In Wirklichkeit ist davon vor allem der öffentliche Dienst betroffen, denn im hochproduktiven, multinationalen Sektor sind die Gewerkschaften schwach; da gelten andere Regeln. Jetzt verlangen die Gewerkschaften einen ordentlichen Nachschlag, die Regierung warnt vor einer Lohn-Preis-Spirale.

Internationale Beobachter werden zwar nicht müde, das irische Wirtschaftswunder zu preisen - zuletzt der Internationale Währungsfonds (IWF) -, warnen aber eindringlich vor politisch wohlfeilen Steuergeschenken, um die Binnennachfrage nicht noch weiter anzuheizen. Allein die Explosion der Autoverkäufe und die Expansion der Konsumkredite mahnen da zur Vorsicht.

Die Debatte über die Ursachen der irischen Inflation ist überaus heftig: Die Regierung beschuldigt äußere Faktoren wie den hohen Ölpreis und den sinkenden Euro-Kurs und erwartet eine baldige Trendwende, während einige Ökonomen durchaus hausgemachte Gründe erkennen können. Erstaunlicherweise ist Irlands Zugehörigkeit zum Euro-Gebiet indessen ein politisches Tabu, obwohl die tiefen Zinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) für Irland gänzlich unpassend sind. Überdies wickelt Irland einen weit höheren Anteil seines Handels mit der Dollar- und Sterlingzone ab, als andere Euro-Länder.

Trotz alledem stellt niemand ernsthaft die Teilnahme an der Währungsunion in Frage; die wirtschaftliche Anpassung muss also mit den verbliebenen Instrumenten der Fiskal-, Wettbewerbs- und Einkommenspolitik gesteuert werden, was angesichts der Offenheit der irischen Volkswirtschaft ein kniffliges Problem darstellt. Manche EU-Partner mögen neidisch westwärts in Richtung der irischen Insel schauen, denn sie hätten diese Probleme lieber als ihre eigenen, aber die Standortvorteile Irlands stehen auf dem Spiel - und mit ihnen die Grundlagen der jüngsten Erfolge.

Martin Alioth

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