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War alles korrekt, meint Lagarde. Sie habe Schaden vom Staat abgewendet.

© dpa

IWF-Chefin unter Verdacht: Christine Lagarde will sich reinwaschen

Der Vorwurf gegen die neue IWF-Chefin ist schwer: Mittäterschaft bei Fälschung und Veruntreuung öffentlicher Gelder. Untersucht wird eine Zahlung von 400 Millionen Euro.

Der Vorwurf gegen die neue Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist schwer:  Mittäterschaft bei Fälschung und Veruntreuung öffentlicher Gelder. Das Pariser Gericht folgte nun mit der Eröffnung des Untersuchungsverfahrens einem Antrag der Staatsanwaltschaft. Diese hat Christine Lagarde, bis vor kurzem Finanzministerin in Frankreich, Amtsmissbrauch vorgeworfen. Sie habe sich bei der Beilegung eines langjährigen Rechtsstreits zwischen dem Geschäftsmann Bernard Tapie und der früher staatlichen Bank Crédit Lyonnais entgegen geltenden Regeln für ein privates Schiedsverfahren eingesetzt, das dem Unternehmer zu Lasten der öffentlichen Hand eine Entschädigung von 400 Millionen Euro einbrachte.

Für den IWF kommen die Ermittlungen zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Lagarde hatte gerade erst die Nachfolge ihres Landsmannes Dominique Strauss- Kahn angetreten, der sich wegen versuchter Vergewaltigung in den USA vor Gericht verantworten muss. Ihre Wahl war damals nicht unumstritten: Die Schwellenländer, die seit langem mehr Einfluss in dem Gremium fordern, hatten sich einen nicht-westlichen Vertreter auf diesem Posten gewünscht. Doch die Europäer, seit der Schuldenkrise die größten Kunden des Währungsfonds, setzten sich mit ihrer Kandidatin durch – dank der traditionellen Unterstützung der USA, die dafür den Weltbankchef stellen darf. Der IWF zeigte sich zuversichtlich, dass Lagardes Arbeit nicht unter dem Verfahren leiden werde. Zu inhaltlichen Fragen wollte sich der IWF nicht äußern.

Trotz des Verfahrens will Lagarde nach den Worten ihres Anwalts Yves Repiquet ihr Amt weiterführen. Die angekündigten Ermittlungen seien „keineswegs unvereinbar“ mit ihrer jetzigen Funktion, sagte er. „Es wird nicht das erste Ermittlungsverfahren sein, das eingestellt wird.“ Das Verfahren habe vielmehr den Vorteil, dass es Lagarde ermögliche, „endgültig“ von den Vorwürfen reingewaschen zu werden, die eine „Handvoll Abgeordnete“ aufgebracht habe. Lagarde hatte schon früher betont, dass sie nicht an Rücktritt denkt. Sie habe sich stets an die Gesetze gehalten.

Bei der Akte Tapie, die sie 2007 bei ihrem Amtsantritt als Finanzministerin vorfand, geht es um einen Rechtsstreit, in dem sich seit Mitte der neunziger Jahre Tapie und das dem Finanzministerium unterstehende Konsortium CDR als Verwalter der kläglichen Überreste der früheren Staatsbank Crédit Lyonnais gegenüberstehen. Tapie, ein schillernder Firmenaufkäufer, der es unter dem sozialistischen Präsidenten Francois Mitterrand zum Minister brachte, hatte 1992 zur Begleichung hoher Schulden die zwei Jahre zuvor übernommene Sportartikelfirma Adidas für umgerechnet 315 Millionen Euro an eine Investorengesellschaft unter Führung des Crédit Lyonnais verkauft. Zwei Jahre später ging Adidas für 700 Millionen Euro an den Unternehmer Robert Louis Dreyfus. Tapie fühlte sich von der Bank übervorteilt und verlangte von ihr 229 Millionen Euro Schadensersatz.

Der Rechtsstreit zog sich über mehrere Instanzen hin. Entweder waren die von den Gerichten festgesetzten Beträge Tapie zu gering oder dem CDR zu hoch. 2006 wies der Oberste Gerichtshof die Akte an das Berufungsgericht zurück mit der Begründung, dass ein Fehler des Crédit Lyonnais nicht hinreichend erwiesen sei. Für Tapie, der sich inzwischen auf die Seite des konservativen Nicolas Sarkozy geschlagen hatte, änderte sich die Lage nach dessen Wahl 2007 zum Präsidenten. Auf Anweisung der von Sarkozy berufenen Finanzministerin Lagarde akzeptierte der CDR ein Verfahren vor einem privaten Schiedsgericht. Es sprach Tapie 2008 eine Entschädigung einschließlich Zinsen und Schmerzensgeld von 400 Millionen Euro zu. Nach Abzug von Steuerschulden verblieben ihm davon 210 Millionen.Im Parlament rechtfertigte Lagarde die nicht nur von der Opposition als horrend empfundene Entschädigung damit, dass eine Fortsetzung des Rechtsstreits für den Staat noch teurer geworden wäre. Im April reichte die sozialistische Fraktion vor dem Gerichtshof der Republik Klage wegen Amtsmissbrauch ein.

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