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Tagungsort Tokio. Im Finanzviertel der japanischen Hauptstadt hat man hausgemachte Sorgen. Der IWF muss (noch) nicht helfen.

© Reuters

Jahrestagung von IWF und Weltbank: Krisengipfel im Schuldenland

IWF und Weltbank beraten in Tokio über die Finanzen der Welt. Japan steht selbst vor der Pleite.

Ausgerechnet Japan: Der nach den USA und China drittgrößten Volkswirtschaft der Welt droht im November die Zahlungsunfähigkeit, wenn es nicht gelingt, umgerechnet rund 50 Milliarden Euro einzusparen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass die Staatsverschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr rund 236 Prozent beträgt. Damit stellt Japan die Euro-Krisenstaaten Griechenland, Portugal, Spanien und Italien weit in den Schatten. Und gerade in Tokio trifft sich am Dienstag die Welt-Finanz-Elite zur Jahrestagung von IWF und Weltbank. Der Fonds scheint in diesen Zeiten gefragt wie nie – nicht von Schwellen- und Entwicklungsländern, sondern von den reichen Industriestaaten.

Wobei Japan (noch) nicht auf Hilfe des IWF angewiesen ist. Die Schulden liegen ausschließlich im eigenen Land. Allmählich aber werden die Japaner überfordert. Möglicherweise reichen ihre Rücklagen nicht mehr, um dem eigenen Staat Geld zu leihen. 40 Prozent des Staatshaushaltes finanziert die Regierung jedes Jahr über neue Kredite. Und die japanische Notenbank hat gerade ein neues Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen im Volumen von umgerechnet 100 Milliarden Euro aufgelegt. Für rund 700 Milliarden Euro hat sie bereits gekauft, der Leitzins liegt seit Jahren bei Null Prozent.

Trotz dieses Desasters werden IWF-Chefin Christine Lagarde, Finanzminister, Notenbanker und Banker aus den 188 Mitgliedsstaaten von IWF und Weltbank auch bei der nach 1964 zweiten Jahrestagung, die in Tokio stattfindet, vor allem über andere Themen diskutieren: die Schuldenkrise in Europa und die Gefahren für das Welt-Finanzsystem sowie die Weltkonjunktur. Für Lagarde ist die Euro-Zone weiter das „Epizentrum“ der globalen Krise, deutlich vor den USA. Japan erwähnt die IWF-Chefin gar nicht.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich auf harte Diskussionen in Tokio eingestellt. Er will mit vielen Argumenten Versuchen begegnen, Europa einmal mehr auf die Sünderbank zu drängen. „Europa ist auf einem guten Weg“, lautet seine Botschaft. Der Minister kann auf neue Instrumente wie den Fiskalpakt, mögliche Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank und den Schutzschirm ESM verweisen, der am heutigen Montag sein Arbeit aufnimmt. Aber auch auf ganz konkrete Fortschritte in Krisenländern wie Irland oder Portugal. „Das hat auch bei uns Erleichterung geschaffen“, sagt ein IWF-Vertreter. Jetzt müssten noch die Finanzmärkte überzeugt werden, sagt Schäuble. Aber verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen ist eine mühsame Angelegenheit. Er will, so kündigte er an, in Tokio aber auch an das Versprechen der großen Industrieländer von 2010 erinnern, bis 2013 ihre Haushaltsdefizite zu halbieren. Schäuble weiß, dass auch große Kritiker der Europäer bei diesem Punkt Verfehlungen eingestehen müssen – allen voran die USA.

Der IWF reduziert seine Prognose für das globale Wirtschaftswachstum.

Wegen des zu langsamen Reformtempos in Europa wird der IWF seine Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft in diesem Jahr in seinem neuen Ausblick, den er in Tokio vorlegt, leicht auf 3,3 Prozent reduzieren. In Europa soll das Plus nur bei 0,4 Prozent liegen, für Deutschland sollen es 0,9 Prozent sein. Bislang hatte der IWF hier mit 1,4 Prozent gerechnet.

Während der Fonds die (Hilfs-)Maßnahmen der Notenbanken, auch das Anleiheprogramm der EZB lobt, ist er mit den Reformen für den Finanzsektor nicht zufrieden. Es müssten nicht nur größere Kapitalrücklagen gefordert und erfüllt werden, es müsse auch klare Restriktionen für einzelne Geschäfte geben. Der IWF fordert Möglichkeiten zur Abwicklung insolventer Banken und endlich eine strengere Überwachung von Schattenbanken und Hedgefonds.

Umgekehrt steht allerdings auch der IWF in der Kritik, vor allem von Seiten der Bundesbank. Für sie ist er zu stark in eine Rolle als Krisenfeuerwehr geschlüpft, die immer mehr Hilfsprogramme auflegt und die Bedingungen dafür aufweicht. Damit nehme der Fonds zu hohe Risiken in Kauf, wandle sich so mehr und mehr zu einer Bank, die möglicherweise irgendwann von den Steuerzahlern gestützt oder gar aufgefangen werden muss. Der IWF solle sich auf seine Kernaufgabe und damit die Überwachung der Finanzen seiner Mitgliedsstaaten konzentrieren, sagt Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret.

Um Geld wird man sich in Tokio allerdings kaum streiten. Bereits auf der Frühjahrstagung hat IWF-Chefin Lagarde die Aufstockung der Finanzkraft des Fonds unter Dach und Fach gebracht. Sie wird in diesem Jahr um 456 Milliarden auf mehr als eine Billion Dollar steigen. mit Reuters

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