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Japan: Rentner wollen von der Arbeit nicht lassen

Die meisten Älteren in Japan schuften auch nach der Pensionierung weiter. Das könnte die Wirtschaft dort retten.

Tokio – Einfach zu Hause sitzen? Für Yoshio Kosaka ist das undenkbar – obwohl er vor sieben Jahren pensioniert wurde. Der 67-Jährige engagiert sich 30 Stunden pro Woche für einen Verein, der die Schriftzeichenkenntnisse unter Japans Jugend verbessern will. Außerdem spielt er Volleyball und arbeitet an einem Buch. „Für seine Gesundheit wäre es sicher besser, wenn er leiser treten würde“, sagt Kosakas Frau. Doch der ehemalige Angestellte eines Großunternehmens denkt gar nicht daran, seinen Freizeitstress zurückzufahren: „Ich wüsste sonst wirklich nicht, wohin mit meiner Zeit.“

So wie Kosaka kostet die Mehrheit von derzeit 27 Millionen japanischen Senioren ihr Alter voll aus – und denkt häufig gar nicht daran, mit dem Arbeiten aufzuhören. Einer Umfrage zufolge will ein Viertel der älteren Japaner die Zeit für ein gesellschaftlich nützliches Engagement einsetzen. Eine Mehrheit hat sogar vor, nach Erreichen der Pensionsgrenze weiterzuarbeiten.

Die Liebe zur Aktivität könnte gerade noch rechtzeitig die japanische Wirtschaft retten. „Spätestens jetzt muss der Umbau zu einer Gesellschaft der lebenslangen Aktivität und Dienstleistungen beginnen“, sagt Atsushi Seike, Experte für demografische Ökonomie an der renommierten Keio-Universität. Japans Bevölkerungsstruktur wandele sich rasant – die Gesellschaft müsse sich mit wandeln, sonst gehe das Experiment mit Langlebigkeit und weniger Kindern nicht gut.

Dem „Weißbuch alternde Gesellschaft 2007“ der Regierung zufolge sind derzeit 21 Prozent der Japaner älter als 65 Jahre. In fünfzig Jahren werden es 40 Prozent sein. Zum dritten Mal in Folge ist die Bevölkerung geschrumpft. Bis 2015 wird die Zahl der Menschen, die zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, um drei Millionen sinken. „Da die jungen Leute die Last des Renten- und Gesundheitssystems nicht alleine tragen können, müssen die älteren Bürger einen höheren Anteil übernehmen“, sagt Seike.

Im vergangenen Jahr hat die Politik bereits reagiert: Zahlungen aus der staatlichen Rentenversicherung konnten bisher schon mit 60 beginnen, jetzt steigt das Mindestalter in einer kurzen Übergangsfrist auf 65. Zudem regelt ein Gesetz die Weiterbeschäftigung von Senioren. Vor der Reform 2006 lag die Pensionsgrenze in 90 Prozent der japanischen Firmen bei 60 Jahren. Jetzt werden sie verpflichtet, ihre Mitarbeiter bis 65 weiterzubeschäftigen. Alternative: Sie müssen ihnen nach der Pensionierung einen neuen Job anbieten. Die meisten Unternehmen wählen die Wieder- statt der Weiterbeschäftigung. Nach der Zwischenpensionierung kann die Firma den Senior auf einem simpleren Posten für einen Bruchteil des alten Gehalts arbeiten lassen. Derzeit sieht es so aus, als ob trotz der Einkommenseinbußen nur ein Viertel der Babyboomer in Rente geht – die große Mehrheit arbeitet weiter.

Doch die Veränderungen müssten tiefer gehen als einfach nur am Rentenalter zu drehen, sagt Ökonom Seike. In Japan wachse der Konsens, dass alte Menschen ihre Fähigkeiten nutzen müssen, so lange sie können und wollen. Bisher seien die Strukturen noch auf eine Gesellschaft von jungen Leuten ausgerichtet. Doch jetzt tue sich etwas: Ältere Menschen hätten weniger Probleme damit, sich neue Fähigkeiten anzueignen, um mithalten zu können.

Die Diskussion in Japan konzentriert sich auch nicht nur auf die ökonomische Nützlichkeit der Überalterung. Häufig ist zu hören, dass die alten, aber gesunden Menschen gebraucht werden wollen. „Wir haben Japan in den 70ern und 80ern reich gemacht“, sagt der rüstige Rentner Kosaka. Jetzt wollen er und seine Frau sich auch mehr in der Nachbarschaft engagieren und dabei mithelfen, eine stabile Sozialstruktur zu erhalten. fmk (HB)

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