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Wirtschaft: Jede Menge Arbeit

Gewerbe anmelden, den Chef informieren, sich richtig versichern: Was Angestellte beachten müssen, die sich neben ihrem „Brotjob“ selbstständig machen.

Richtig Feierabend hatte Irina Huck schon lange nicht mehr. Wenn sie nach acht Stunden Büro nach Hause kommt, geht es gleich weiter mit der Arbeit. Dann allerdings für ihr eigenes Unternehmen. Irina Huck hat sich 2011 selbstständig gemacht – neben ihrer Vollzeitstelle als Produktbetreuerin in einem Wissenschaftsverlag.

Arbeitnehmer, die sich, wie die 35-Jährige, in ihrer Freizeit noch einmal an den Schreibtisch setzen, sind keine Seltenheit. Aus dem amtlichen Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes von 2012 geht hervor, dass 32 200 Berliner nebenberuflich selbstständig sind.

Unter dem Label „KnuddiBu“ stellt Irina Huck Kinderbücher aus Stoff her, die nicht kaputt gehen: Man kann sie rollen, quetschen und, wie der Name schon sagt, auch knuddeln. Auf der „KnuddiBu“-Webseite können Kunden ihre Fotos hochladen, die dann mit einem speziellen Verfahren auf bis zu 16 quadratische Buchseiten gedruckt werden. Fotos der Großeltern zum Beispiel, wenn die weit weg wohnen. Oder die der Eltern, damit das Kind sie überall hin mitnehmen kann. So ein kuscheliges Fotobuch mit den liebsten Bezugspersonen oder Dingen erleichtere vielen Kindern die Eingewöhnung in die Kita, wirbt Huck. Der Prototyp, den sie für ihren Sohn Paul hergestellt hat, heißt „Paul macht Urlaub“. Die Bilder stammen aus dem Sommerurlaub in Ostfriesland.

Als Irina Huck plante, sich selbstständig zu machen, war sie im Mutterschutz, ihr Sohn gerade acht Monate alt. Paul wollte immer Fotos der Familie sehen. Mit einzelnen Abzügen ging das auch gut. Das Blättern in dem dicken Hochzeitsalbum von Hucks Schwester fiel ihm aber sehr schwer. „Da muss es doch eine Lösung geben“, dachte die Mutter. Und kam auf die Idee, ein für ihr Kind leicht zu handhabendes Fotobuch aus Stoff herzustellen. Unternehmerin zu werden, kam ihr da noch gar nicht in den Sinn. Das hat sich im Laufe der Zeit so entwickelt.

Inzwischen ist Paul dreieinhalb Jahre und Huck hat die Höhen und Tiefen erlebt, die eine Doppelbelastung mit sich bringt. „Anfangs hat man keine Vorstellung davon, wie anstrengend das wird“, sagt sie. Es war nicht leicht, eine Druckerei zu finden, die auf Baumwolle druckt und dass in Farben, die für Babys verträglich sind, erzählt sie. Die größte Hürde aber sei die Spielzeugrichtlinie gewesen.

Eine Zeit lang war Irina Huck so überarbeitet, dass sie entschied, allein zur Mutter-Kind-Kur zu fahren. „Ich hatte das Gefühl, im vollendeten Chaos gelandet zu sein.“ Sie brauchte Zeit und die Unterstützung ihres Mannes. Heute läuft es wieder, im Schnitt produziert sie zehn bis zwölf Bücher im Monat. Noch. Bald sollen es erheblich mehr werden.

Uta Häusler ist Betriebswirtin und berät für die IHK Ostbrandenburg Menschen, die sich nebenberuflich selbstständig machen wollen. Sie kennt die Fallstricke und potenzielle Probleme, will den Leuten, die zu ihr kommen, aber nicht den Wind aus den Segeln nehmen. „Wenn man da überlegt rangeht“, sagt sie, „findet sich meistens ein Weg.“ Ein paar Dinge sollte man allerdings wissen. Wer ein Gewerbe anmeldet, hat neue Pflichten; dass das Geschäft nur nebenberuflich ist, ist dabei erst einmal egal. „Die erste Frage muss immer sein: Was kostet mich das Ganze?“, sagt Häusler. Wer neben dem Hauptberuf mehr als 450 Euro monatlich verdient, wird sozialversicherungspflichtig. Viele dächten, dass dies nicht der Fall sei, weil der Arbeitgeber des Tagesjobs schon alle Abgaben abführe. Doch das ist falsch, entscheidend ist hier nur die Summe der nebenberuflichen Einnahmen, also 450 Euro, erklärt sie.

Die betriebswirtschaftlichen Grundlagen kannte Irina Huck aus dem Studium an der Beuth-Hochschule, den Businessplan hat sie selbst aufgestellt. Details, zum Beispiel, wie man den richtigen Preis festlegt, hat sie später beim Gründer-Coaching gelernt, das sie ein Jahr lang besuchte.

Den nächsten Tipp von Expertin Uta Häusler hat Irina Huck auch befolgt: Sie hat mit ihrem Chef gesprochen. Unabhängig davon, was im Arbeitsvertrag steht, sagt Häusler, sollte man seine Feierabend-Ambitionen immer dem Arbeitgeber mitteilen. Sie habe schon erlebt, dass eine Klientin Lohn zurückzahlen sollte, weil sie der Firma, in der sie beschäftigt war, mit ihrem Gewerbe Konkurrenz machte. Aber auch wenn das nicht der Fall sei, könne es schädlich fürs Betriebsklima sein, wenn der Arbeitgeber zufällig im Internet von der Nebentätigkeit erfahre.

Ein weiterer Rat der Expertin: „Unterschätzen Sie nicht das Kaufmännische!“ Nach der Gewerbeanmeldung will das Finanzamt zunächst monatlich Auskunft über die Einnahmen haben. Jeden Monat eine Steuererklärung – was sich für die meisten furchtbar anhört, hat auch sein Positives, findet Häusler. „Buchführung macht fast niemand gerne, aber der Zwang stärkt das kaufmännische Bewusstsein, gerade zu Beginn.“ Es gibt auch einen handfesten Grund, das Finanzamt nicht warten zu lassen. Verschleppt man den Einkommensnachweis, kann es sein, dass das Amt eine Schätzung vornimmt. Meist sei die sehr hoch, dementsprechend viel Steuern zahlt man. „Wer knapp kalkuliert hat, dem kann das sehr weh tun, auch wenn er das meiste Geld später zurück bekommt", sagt Häusler.

In letzter Zeit kommen viele Leute zu Häusler, die einen Internethandel auf die Beine stellen wollen. Leider vergessen die nicht selten das Marketing. „Es kann ja sein, dass die einen schönen Online-Shop haben, den ein Profi programmiert hat. Aber der muss im Netz ja auch gefunden werden.“ Natürlich kann man Marketingspezialisten anheuern, um die Webseite bekannt zu machen, nur sind die teuer. Oder man investiert Zeit – das Gut also, das gerade jene kaum haben, die 40 Stunden die Woche einer anderen Beschäftigung nachgehen.

Nebenberufliche Selbstständigkeit sei ideal, um etwas auszuprobieren, sagt Häusler. „Man sollte diesen Weg deshalb auch mit kleinen Schritten gehen und sich nicht übernehmen.“ Zwei Sachen sind dabei besonders wichtig, erstens: Nicht das Konto überziehen. Zweitens: Nicht den Hauptberuf vernachlässigen.

Bleibt die Frage, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, seine Selbstständigkeit zum Hauptberuf zu machen. Leider gebe es darauf keine allgemeingültige Antwort, sagt Häusler. Wichtig sei natürlich der Verdienst. Man muss sich fragen, ob der einem reicht – und abwarten, ob das Geld kontinuierlich fließt.

Bei Irina Huck soll es im nächsten Jahr soweit sein. Dann hängt sie ihren Job im Verlag an den Nagel. Sie wird dann noch mehr Energie in ihr Marketing stecken, vermehrt Flyer in Elternkinder-Cafés verteilen, ihre Webseite aktualisieren und an ihrer KnuddiBu-Seite auf Facebook arbeiten. Ihr Vertrauen in das eigene Unternehmen schöpft sie aus dem guten Feedback ihrer Kunden – und daraus, dass sie mit ihrer Idee bislang alleine ist.

Jana Gioja Baurmann

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